DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr

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DÄMONEN DER STEPPE - Michael Stuhr

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gar nichts gemacht.“

      „Ich sagte doch, er hat es gespürt.“

      „Du meinst ...“

      „Deine bösen Gedanken haben ihn geängstigt.“

      „Er kann meine Gedanken lesen?“ Ysell schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Wieso zwingst du mich, dir alles zweimal zu erklären?“ Bogan runzelte die Stirn und sah Ysell streng an. Du hörst meine Worte, aber du scheinst sie nicht zu verstehen! - Hier also meine Antwort - und merke sie dir gut: - Ja! Trosshunde können die Gedanken der Menschen deuten, das macht sie so wertvoll. Mehr noch - sie können sogar mit den Menschen sprechen - und das macht sie noch wertvoller.“

      „Sprechen?“, rutschte es Ysell heraus. Sie hätte sich ohrfeigen können. „Entschuldigung!“

      Bogan lächelte und fuhr fort, als habe sie nichts gesagt. „Noch eins: Ich habe Läufer deinetwegen von seiner Mutter abgesondert, bevor du kamst. - Hätte sie es erlebt, wie du ihr Junges in Angst versetzt hast, dann würde ich dich jetzt zum Heilkundigen tragen müssen - und die Spur meiner Schritte wäre rot von deinem Blut. - Geh jetzt!“, schloss der Alte „Und sei morgen zur Zeit der Frühsonne wieder hier.“

      Läufer hatte sich inzwischen beruhigt, und Bogan schloss das Tor des Schuppens. Dann brachte er Ysell zur Straße und verabschiedete sich von ihr. „Bis morgen.“

      Verwirrt schlurfte Ysell die Straße entlang und schaute sich noch ein paar Mal nach dem geschlossenen Tor um. Sie brauchte einige Augenblicke, um wieder zu sich selbst zu finden - und als sie sich gefunden hatte, machte sie sofort ihren nächsten Fehler.

      Ysells Stolz ließ es natürlich nicht zu, dass sie sich an Bogans Anweisung hielt. Was bildete dieser verrückte Pupser sich eigentlich ein? - Bis morgen? - Er konnte sie doch nicht herumkommandieren wie einen seiner Hunde. Außerdem hatte sie den niedlichen Welpen gesehen und wollte mit ihm spielen - und zwar sofort.

      Kaum zweihundert Schrittmaß von dem Zwinger entfernt machte Ysell kehrt und schlug bald darauf abermals an das hohe Tor aus Eichenholz - aber Bogan wies sie schon an der Pforte ab. „Läufer muss sich erst wieder vollständig beruhigen“, sagte er „Er ist im Moment zu nervös, denn er ist nicht an solche Wutausbrüche gewöhnt. Wenn ihr euch morgen beide wieder beruhigt habt, mache ich euch richtig miteinander bekannt.“

      „Och, ich schaffe das schon!“, begehrte Ysell auf, aber damit kam sie bei Bogan sehr schlecht an. „Es geht nicht darum, was du schaffst“, erklärte er ihr mit gefährlich leiser Stimme, und seine wasserhellen Augen waren kalt wie Eis. „Viel wichtiger ist es, was Läufer schafft - und ich glaube, für heute hat er genug von dir. Deine Launen und dein Jähzorn haben dich hierhergebracht, und ich bin trotzdem bereit, es mit dir zu versuchen. - Wenn du durch deine unbeherrschte Art aber den Tieren Schaden zufügst, brauchst du nie wieder herzukommen. Geh jetzt!“

      Ysell tobte innerlich. Die Wut schnürte ihr förmlich die Kehle zu. Wohl an die tausendmal verfluchte sie den Alten hundert Schrittmaß tief unter die Erde, und sie dachte sich allerlei grausame Todesarten für ihn aus. So groß war ihr Zorn, dass ihr die Straßen der Stadt trotz des hellen Sonnenscheins seltsam verdunkelt schienen. Nicht rechts und links schauend bahnte sie sich grimmig einen Weg über den belebten Marktplatz und erst als sie die Stadt hinter sich ließ, wurde es etwas besser. Endlich konnte sie wieder freier atmen.

      Schlimmer noch als der Zorn auf den alten Bogan war aber ihr Ärger über sich selbst. Sie hatte versagt, versagt und noch einmal versagt! Sie hatte sich bei ihrem Streich erwischen lassen - sie hatte dem Mädchen das Bein gebrochen und sie hatte sich heute dem alten Bogan gegenüber aufgeführt wie eine widerspenstige Ziege. Sie hatte sich in allem, was sie tat, so unsagbar dämlich angestellt, dass es ihr die Schamröte ins Gesicht trieb. Dabei hasste sie doch auf der Welt nichts mehr als die Dummheit. Ysell hasste ihre Wutausbrüche, sie hasste ihre Dummheit - ja, sie hasste sich selbst.

      Lange folgte Ysell dem Weg bis weit vor die letzten Häuser der Stadt. Der Wind strich durch die grünen Felder und setzte die Halme des Getreides in wogende Bewegung. Großohrige Mäuse huschten unter den Buschreihen, die die Bewässerungskanäle säumten, hin und her. Ein Vogelpaar spielte am Himmel übermütig Fangen und neugierig schauten Pferde von einer entfernten Koppel aus zu ihr herüber. Ysell sah das alles und sah es doch nicht. Gefangen in ihrem Kerker aus Selbstmitleid war die ganze Welt für sie trübe geworden. Lohnte sich das Leben überhaupt noch?

      Langsam ging Ysell zu der Pferdekoppel hinüber. Die Tiere kamen an das Gatter, aber als sie merkten, daß Ysell keine Leckereien für sie hatte, wandten sie sich wieder ab. Ysell schickte ihnen ein paar halbherzige Flüche hinterher und verkroch sich verbittert in dem Heuhaufen, der außerhalb der Umzäunung für die Tiere bereitlag. Lange lag sie dort, und nur langsam wichen ihr Hass und ihr Ärger einem Gefühl der Enttäuschung und der Trauer.

      Irgendwann hatte Ysell das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Vorsichtig richtete sie sich auf und spähte über den Rand des Heuhaufens hinweg. Eine Gestalt kam den Weg entlang. - Diesen Gang kannte sie doch? - Natürlich, es war Sabé, er musste sie gesucht haben.

      „Hau ab!“, brüllte Ysell aus ihrer Deckung heraus. Sabé blieb stehen und schaute sich verwundert um. Verschwinde!“, schrie sie ihn an, sprang schnell auf und nahm eine drohende Haltung ein. „Hau bloß ab!“ Sabé wich einen Schritt zurück, schüttelte kurz den Kopf und ging dann mit hängenden Schultern zur Stadt zurück. Ysell sah ihrem Freund nach. Es tat ihr Leid, aber er durfte nicht näher kommen - denn er sollte ihre Tränen nicht sehen.

      „Ich werde noch verrückt!“, jammerte die Mutter, und der Vater schlug am Ende seiner Strafpredigt mit der Faust auf den Tisch. - Zu Hause gab es also nicht mehr Ärger als sonst auch, als Ysell am Abend heimkam. Ihr Vater arbeitete den ganzen Tag als Tagelöhner auf den Feldern und war der festen Überzeugung, Kindererziehung sei allein Frauensache. Die Mutter hingegen mochte mit Ysells Angelegenheiten nicht belästigt werden und ließ, gewissermaßen als Ausgleich dafür, ihrer knapp zwölfjährigen Tochter in fast allen Dingen freie Hand. Ansonsten hatte sie genug damit zu tun, den ganzen Tag im Stadtviertel herumzulaufen und mal mit dieser, mal mit jener Gesinnungsgenossin über die anderen Frauen der Nachbarschaft herzuziehen. Die Eltern waren sehr jung gewesen, als Ysell zur Welt gekommen war, und warum sie sich einst ein Kind gewünscht hatten, das hatten sie schon längst vergessen. Die Mutter hatte bei Ysells Geburt sehr gelitten und wäre fast dabei umgekommen, wie sie gern und oft erzählte. Ysell hatte den Eindruck, dass sie ihr insgeheim einen Vorwurf daraus machte, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekommen konnte.

      Ysell hatte schon früh die Einsicht gewonnen, dass ihre Eltern es als Belastung empfanden, sich um sie kümmern zu müssen. So war sie aus diesem Klima der Kälte und Gleichgültigkeit geflohen und war ihrer eigenen Wege gegangen. Zusammen mit anderen Kindern hatte sie die Straßen des Stadtviertels unsicher gemacht; aber wenn ihre Spielkameraden nach Hause gerufen wurden, hatte Ysell erst richtig losgelegt. Allein hatte es sich fast noch besser Unfug treiben lassen als in der Gruppe, und Ysell war schlau genug gewesen, sich nicht allzu oft erwischen zu lassen.

      Dennoch war natürlich den Eltern so manche Schandtat ihrer Tochter zu Ohren gekommen, aber da sie in der Nachbarschaft sowieso nicht in hohem Ansehen standen, war ihnen das eigentlich egal gewesen. Viel ärgerlicher fanden sie da schon das gelegentliche Ansteigen der Weinpreise, denn Wein musste in Ysells Elternhaus immer auf dem Tisch stehen - sonst gab es ernsthaft schlechte Laune.

      Immer dreister waren Ysells Streiche geworden, und gleichzeitig hatte sich bei ihr ein Hang zu Tücke und Jähzorn entwickelt. Die anderen Kinder hatten sie wegen ihrer plötzlichen Wutanfälle zu fürchten und zu meiden begonnen, alle - außer Sabé.

      Sabé

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