Erkläre mir das Leben. Katie Volckx

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Erkläre mir das Leben - Katie Volckx страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Erkläre mir das Leben - Katie Volckx

Скачать книгу

darauf mit einem Bein wütend auf den Boden aufstampfen würde, aber diese Blamage ersparte sie sich dann doch.

      »Hallo?« Auf die Gefahr hin, dass sie mir eine scheuern würde, klopfte ich an ihre Stirn. »Du heißt wie Jahreszeiten.«

      »Na und?«

      »Winter: Lass ich gelten! Sommer: Lass ich auch noch gelten! Aber Winter Sommer? Das ist hirnverbrannt und gehört verboten.«

      »Totaler Quatsch! Aus dir spricht ja bloß der Neid!«, zeterte sie nun, meiner Meinung nach ziemlich fade und unreif.

      »Ja klar, natürlich, ich wollte schon immer wie Jahreszeiten heißen. Herbst Frühling wäre ja noch zu vergeben.«

      Und ich führte mich nicht unreif auf? War ich nicht derjenige gewesen, der diesen irrsinnigen Disput erst angestimmt hatte? Und nun ließ ich mich auch noch weiter und weiter darauf ein und versäumte glatt, rechtzeitig aus dem Club der Vollpfosten auszusteigen. Außerdem hielt ich es nicht gerade für das Schlauste, mir schon am ersten Tag in den ersten Minuten in der neuen Schule Feinde zu machen. Ob ich auf Menschen wie Winter Sommer angewiesen war, wagte ich zu bezweifeln, Fakt war aber, dass ich nicht den Obercoolen heraushängen lassen sollte. Denn ich war nicht obercool. Und ich plante auch nicht, es demnächst zu werden.

      »Übrigens heißt mein Opa August Freitag«, warf Niko ein.

      Unverwandt starrte ich ihn mit tellergroßen Augen an. Ich wusste, dass Nikos Familienname Freitag war, hielt es trotzdem für einen Scherz.

      »Ernsthaft!«, schwor er Stein und Bein.

      »Na gut, dann sind wir mittlerweile bei Monaten und Wochentagen angekommen.« Erschüttert klatschte ich mir an die Stirn. Nicht, weil es absurd war, den Namen eines Monats oder eines Wochentags oder sogar einer Jahreszeit zu tragen, sondern weil die gesamte Unterhaltung unnötig ausgeufert war.

      Ohne weitere Worte flüchtete ich mich ins Schulgebäude, wohin mir Niko folgte. Schließlich hatte er mir ja versprochen, mich noch etwas herumzuführen, bevor der Unterricht beginnen würde. Das war auch erforderlich gewesen, wie sich später herausstellte. Von meinem schlechten Orientierungssinn einmal abgesehen, war es ziemlich groß und verwinkelt. Mir war, als hätte man mich wie einen grenzdebilen Hamster für Versuchszwecke in einem Irrgarten ausgesetzt. Am Ende konnte ich froh sein, dass ich das Jungenklo wiedergefunden hatte.

      2

      Inzwischen fand ich mich in der Schule nicht nur gut zurecht, sondern hatte mich dort (nicht im Kaff) gut eingelebt. Zweites war auch nicht schwierig. Von der Sohle bis zum Scheitel waren alle miteinander Spießbürger. Lehrer, Schüler, ja sogar der Hausmeister trieften vor höfliches, gesittetes Benehmen. Höflichkeit wurde hier nämlich großgeschrieben. Meistens jedenfalls. Da hatte ich grundsätzlich nichts gegen. Aber der Großteil wirkte eher wie abgerichtete Äffchen und überhaupt nicht echt. Gemessen an meiner alten Schule in Hamburg war diese Pipifax. Der Unterschied war wirklich enorm.

      Meine Freizeit verbrachte ich hauptsächlich mit Niko und den anderen Jungs am Strand der Nordsee. Dort faulenzten wir, ließen uns von der Sonne allseitig rösten, suchten Abkühlung im Wasser und flirteten mit den hübschen, knackigen Mädchen. Niko und ich taten Letztes nicht so sehr wie Yun, Steve (wenn er sich dann einmal von seinem Handy loseisen konnte) und Dominic. Niko war in festen Händen. Ihr Name war Jule, und sie hätte auf alle Fälle etwas dagegen. Ihre Eifersucht auf die gut gebauten Mädchen, die oft bewusst mit ihren Reizen nicht geizten und auch spielten, war der Grund, aus dem er in der Sommerzeit stets ohne sie an den Strand ging. Und was mich anging, so hatte ich ganz einfach kein Interesse an oberflächliche Bekanntschaften, erst recht dann nicht, wenn diese sich entblößt vor mir räkelten, schon bevor ich sie überhaupt kennengelernt hatte. Den ein oder anderen verstohlenen Blick riskierte ich natürlich schon einmal. Aber viel mehr stimulierte mich der anhaltende Duft des Meeres in der Nase, der warme Sand unter meinen nackten Füßen und der Blick auf die zahlreichen bunten Strandkörbe. An dieser Stelle geriet mein Heimweh für eine Weile in Vergessenheit, denn an dieser Stelle kam ich mir vor wie im Urlaub. Es war noch nicht hundertprozentig zu mir durchgedrungen, dass ich diesen Ort nun mein Zuhause nennen konnte.

      Außerdem gab es im Zentrum ein nettes Café. Es war ein modernes Cafè, beeindruckte besonders durch seinen Lounge-Charakter. Vermutlich wollten die Betreiber damit gezielt uns, die jüngere Generation des Dorfes, ansprechen. Es gab sogar ein Hinterzimmer, in dem Billardtische standen und die Musikcharts rauf und runter gespielt wurden, was die Teenager auch zu Abenden und Wochenenden herlocken sollte. Mich persönlich führte es jedoch nur nach der Schule regelmäßig dorthin, nicht zuletzt, weil es auf meinem Weg nach Hause lag. Und ich musste gestehen, dass ich mich dort auch sehr wohlfühlte, speziell wegen des Großstadtflairs. Es war nur eine Idee von einem echten Großstadtcafè entfernt.

      Nachdem ich nahezu die gesamten Sommerferien mit Renovieren, Putzen und Einrichten unseres Hauses verbracht hatte und mir keinerlei Zeit für derartige Aktivitäten geblieben war, ich nicht einmal die Gegend hatte genauer erkunden können, war mir das nun neidlos gegönnt, fand ich.

      Nebenbei bemerkt war ich Winter Sommer seit dem Zwischenfall nicht mehr begegnet. Genau genommen war sie wie vom Erdboden verschluckt. Seit dem zweiten Schultag schon. Zwar war sie mir egal, könnte man sagen, aber sie glänzte und fiel schon auf. Eben nicht nur, wenn sie anwesend war, auch wenn sie es nicht war.

      Heute nach Schulschluss war ich mit einer Raumpflegerin namens Ann auf dem Jungenklo ins Gespräch gekommen. Sie war ganz okay. Eigentlich sogar ein Pfundsweib, wie mir zunehmend klar wurde. Ich glaube, sie war nicht sehr viel älter als ich. Sieben Jahre vielleicht. Sie klärte mich ein wenig über die allgemeinen Verhältnisse auf.

      »Niemand ist hier sonderlich furchteinflößend. Keine großen Skandale. Nur vor diesem Harro musst du dich etwas vorsehen. Er ist sehr manipulativ. Droht jeder Nase, die ihm nicht passt, mit seinem Papi. Der ist nämlich Anwalt. Wenn du Harro also nur eine Spur zu nahe trittst, bist du geliefert.« Ann führte mit ihrem Mopp ein paar kampfsportähnliche Bewegungen vor meinem Gesicht aus – etwa wie beim Bo Jutsu –, um auf spöttische Weise einen erbitterten Kampf gegen die Familie Woltering (Harros Familienname) zu illustrieren, und schüttete sich aus vor Lachen.

      »Wie sieht dieser Harro aus?« Ich wollte vorbereitet sein.

      »So ein langer Lulatsch. Blondes mittellanges Haar in so einem modernen Wuschellook. Recht bubenhaftes Gesicht, aber verboten gut aussehend. Hat ein Faible für College-Jacken. Er muss Hunderte davon besitzen.«

      Aus der Ferne hatte ich ihn schon gesehen, umringt von lauter Arschkriechern, die er zu Leibeigenen befördert hatte. Steile Karriere!

      »Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen.«

      »Da hast du auch nichts verpasst. – Hast du Winter schon kennengelernt?«

      Dieser Name rüttelte mich wie ein elektrischer Schlag. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Person in dieser Verbindung Erwähnung finden könnte. »Jupp«, hatte ich mich jedoch relaxed gestellt, »flüchtig.«

      »Kleines süßes Prinzesschen. Nach außen. Traurige, verlorene Seele. Im Innern.« Was war das für eine kryptische Andeutung? War sie etwa so ein Emo, der sich jeden Tag kummervoll nach dem Sinn des Lebens fragte? Andererseits sah sie gar nicht aus wie eine von dieser Sorte. »Auf jeden Fall ist sie die feste Freundin von Harro. Seit gut vier Jahren. Ganz beliebtes Paar.«

      »Wie kommt man zu einem solchen Titel?« Mich überraschte diese Konstellation nicht, nur, dass so unausstehlichen Persönlichkeiten so viel Bedeutung beigemessen wurde. Es waren immer die falschen Leute, die Ansehen genossen

Скачать книгу