Erkläre mir das Leben. Katie Volckx

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Erkläre mir das Leben - Katie Volckx

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jeder.« Mit ziemlicher Sicherheit war ich schon bekannt gewesen wie ein bunter Hund, noch bevor ich zwei Schritte in dieses Geisterdorf gesetzt hatte. Klatsch und Tratsch erfuhr man hier doch an jeder Ecke.

      »Du hast dich mir aber noch nicht vorgestellt.«

      In diesem Augenblick stand schlagartig außer Zweifel: Da hatten sich zwei Hoheiten gesucht und gefunden! Und da Hoheiten besser unter sich blieben, erwiderte ich fix: »Müsste ich mich jedem einzelnen an dieser Schule persönlich mit Handschlag und allem Pipapo vorstellen, wäre ich frühstens Heiligabend damit fertig. Oder sollte ich wissen, dass du hier irgendeine wichtige Persönlichkeit bist?«

      Auf einmal kam Niko um dieselbe Ecke gebogen wie zuvor Harro, der in Begriff war, in das Klassenzimmer nebenan zu gehen, jenes, in das auch ich musste. Als er an uns vorbeiging, lag Spannung in der Luft. Sie lag zwischen Harro und ihm. Das wurde mir in dieser Sekunde klar, als sich ihre Blicke trafen. Sie hätten vernichtender nicht sein können.

      Winters Gesicht konnte ich ablesen, dass dieser Vorfall mein rettender Anker war und Harros Faust sich momentan nur deshalb nicht direkt in meiner Magengrube befand.

      Bevor sich nun doch noch irgendein Unglück ereignen würde, schwärmten wir für die erste Unterrichtsstunde des Tages in unsere Klassenzimmer aus.

      In der ersten großen Pause, in der Niko, Yun, Dominic, Steve und ich uns vor dem Schulgelände aufhielten, um unbemerkt eine Zigarette rauchen zu können, fragte ich Niko: »Was ist das Problem zwischen euch?« Ich machte keinen Hehl aus meiner Beobachtung.

      »Was meinst du?«, stellte er sich begriffsstutzig.

      »Mit dir und Harro stimmt was nicht. Erzähl schon!«

      »Quatsch, du spinnst. Alles ist in bester Ordnung.« Lügen gehörte nicht zu seiner Paradedisziplin. Wieso tat er das? Wieso belog er ausgerechnet mich, denjenigen, dem er alles erzählen konnte?

      Mit ihren befangenen Blicken, die sie sich erst untereinander, dann Niko zuwarfen, machten die anderen Jungs es viel schlimmer und bekräftigten meinen Verdacht auch noch unbewusst. Mehr noch legten sie offen, dass etwas Gravierendes zwischen Harro und Niko vorgefallen sein musste.

      »Oh komm schon, das ist doch albern. Warum kriegst du die Zähne nicht auseinander? Tut das Not?«

      »Ich möchte darüber nicht sprechen. Ganz einfach.«

      »Und wieso sagst du mir das nicht gleich? Als hätte ich das nicht respektiert!«

      Niko schwieg kurz, murmelte dann kleinlaut: »Entschuldige, du hast recht.«

      Daraufhin war die Stimmung gedrückt. Dominics klägliche Versuche, diese mit Humor wieder aufzulockern, scheiterten gnadenlos. »Ist das jetzt ein Grund, Trübsal zu blasen?«, war er gereizt. Ich konnte nicht wirklich ausmachen, ob sein Ärger sich auf die miese Stimmung bezog oder darauf, dass seine Witze eine Schlappe erlitten hatten.

      Die Schulklingel läutete, was uns nötigte, wieder hineinzugehen. Doch Niko hielt mich kurz auf und ließ den anderen Jungs einen großen Vorsprung.

      »Könntest du mir was versprechen?«, sprach er so leise, dass es nur für mich hörbar war.

      »Alles!« Meine Tonlage ließ jedoch mehr auf Verwunderung als auf Bestimmtheit schließen.

      »Auch wenn du es gerade nicht verstehst und das ein bisschen zu viel verlangt ist, aber könntest du Winter in Ruhe lassen?«

      »Warum?« Damit hatte ich zuallerletzt gerechnet.

      »Lass sie einfach in Ruhe.«

      Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, mir würde seine Äußerung nicht zu denken geben. Trotzdem wollte ich mir Gewissheit verschaffen und fragte: »Ist das ein Befehl?« Denn wenn es ein Befehl gewesen wäre, müsste ich ihm zuliebe mein Versprechen erfüllen. Das war eine unserer goldenen Freundschaftsregeln.

      Zu meinem Glück erwiderte er: »Nein, nur ein Rat.« Vielleicht hatte er meine Sympathie für sie in letzter Sekunde bemerkt und wollte sich mir nicht in den Weg stellen?

      Oder: »Bist du irgendwie verliebt in Winter? Soll ich deswegen die Finger von ihr lassen?«

      Er starrte mich voller Entsetzen an. Dann prustete er los. »Soll das ein Witz sein?«

      »Nein, dein merkwürdiges Verhalten spricht dafür.« War ihm das denn nicht bewusst?

      »Deine Theorie hat nur einen Haken: ich bin mit Jule zusammen.«

      »Und wovor schützt dich das? Ich meine, so wie sich Liebe entwickelt, kann sie auch wieder vergehen. Und vielleicht vergeht sie dir mit Jule gerade. Ihr seid gut vier Jahre ein Paar. Da würde es wohl niemanden sonderlich verwundern.«

      »Ach, denk doch, was du willst!«, kapitulierte er schon jetzt, nach so kurz gesprochenen Worten, und ließ mich eiskalt stehen.

      Besagte Jule traf ich am nächsten Tag zufällig im Zentrum im Stadtcafé. Dass ich hier auf sie traf, war kein Zufall. Auch sie verbrachte ihre Freizeit gern und oft hier. Mal mit, mal ohne Niko. Heute war ein Ohne-Tag.

      Ich musste mich zu ihr herunterbücken, um sie zur Begrüßung zu drücken, denn sie war ziemlich klein. Einsfünfundfünfzig, um genau zu sein. Ich mochte sie, sogar wirklich gern, aber lang hielt man es mit ihr nicht aus. Sie war sehr lebhaft. Und gesprächig. Ich meine, nicht gesprächig im Sinne von kommunikativ und gesellig. Sie war eine Quasselstrippe wie sie im Buche stand. Und dabei war ihre Stimme so piepsig wie die von Schlumpfine und hektisch wie ein Maschinengewehr.

      »Heute so allein hier?«

      Wir setzten uns an einem der fünf Tische vor dem Café, der uns durch einen Sonnenschirm vor der direkten Sonneneinstrahlung schützte. Im Sommer war es schier illusorisch, hier einen Platz zu ergattern. Aber zumindest heute war das Glück auf unserer Seite.

      »Nicht ganz.« Sie griff in ihre Handtasche und nahm eine prallvolle Schachtel Zigaretten heraus. Während sie sich eine herausfingerte, bot sie mir eine an. Ich verneinte mit einem Kopfschütteln, denn ich wollte mir das Rauchen abgewöhnen. Fast eine Woche hielt ich schon durch.

      »Nicht ganz?«, ging ich auf ihre Antwort ein.

      »Nun, du bist doch jetzt da, Dummerchen.«

      Rücksichtsvoll blies Jule den ersten Zug ihrer Zigarette in eine andere Richtung, doch der leichte Wind trug den Qualm wieder zurück zu mir. Ich störte mich nicht die Bohne daran. Mir war schon klar, dass Passivrauchen nicht gerade gesund war, aber ich mochte den Geruch von frischem Zigarettenqualm, wenn er sich mit der natürlichen Luft vereinigte.

      »Willst du denn allein sein?«

      »Wenn du beschließt, hierherzukommen, ist man doch nie allein, oder? Irgendjemanden, den man kennt, trifft man am Ende doch immer.«

      »Da kann ich dir leider nicht widersprechen.« Ich grinste nur zaghaft, denn ich sah ihr an der Nasenspitze an, dass sie etwas bedrückte.

      Den zweiten Zug ihrer Zigarette inhalierte sie so genusssüchtig, dass meine Lunge schon vom Zusehen bestialisch stach. »Isabell kommt später noch rum.«

      Isabell war mir nicht bekannt. »Eine Freundin?«

      »Jein.

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