An der Pforte zur Hölle. Thomas Riedel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу An der Pforte zur Hölle - Thomas Riedel страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
An der Pforte zur Hölle - Thomas Riedel

Скачать книгу

hörte es wieder!

      »Ashley!«, rief eine Stimme, leise, aber eindringlich. »Ashley, komm! … Komm zu mir … Es ist an der Zeit!«

      Irritiert blickte sie sich um. Sie zitterte ein wenig.

      »Wozu ist es Zeit?«, fragte sie fast unhörbar.

      Sie machte keine Anstalten sich dem Ruf zu widersetzen. Ohne weiter darüber nachzudenken, wer da überhaupt nach ihr rief, schlüpfte sie mit traumwandlerischen Bewegungen in ihre Pumps. Dann nahm sie ihren langen, auf Taille geschnittenen, bordeauxroten Mantel vom Bügel und zog ihn über. Wie in Trance schloss sie die gekordelten Knebelverschlüsse. Eitel, wie sie war, warf sie noch einen abschließenden Blick in den Spiegel, setzte die an den Mantel geknöpfte Kapuze auf und drapierte mit wenigen, gekonnten Handgriffen ihre blonde Haarpracht. Sie lächelte ihr Spiegelbild an.

      Ohne das Licht im Flur zu löschen, verließ sie die Wohnung und huschte über das Treppenhaus hinaus auf die Straße. Es war frisch draußen. Der Wind hatte zugenommen. Ein leichter Nebel kroch durch die mitternächtliche Straße und überzog alles mit einem feuchten, kühlen Film.

      Trotz des warmen Mantels fror sie. Es war eine innere Kälte. Sie spürte, wie eine seltsame, unsichtbare Macht von ihr Besitz ergriff, fühlte, dass da etwas unbeschreiblich Grauenhaftes auf sie zukam und gefangen nahm. Sie versuchte dagegen anzukämpfen.

      »Hilfe! Hilfe!«, wollte sie ausrufen, brachte es aber kaum über die Lippen.

      Es war nur ein Flüstern und es klang krächzend. Ihre verzweifelte, an ihre Mitmenschen gerichtete Bitte wurde vom wattigen Nebel verschluckt. Niemand ahnte, welch ein grässliches Unglück sich hier anbahnte.

      »Hilfe! Warum hilft mir denn niemand!?«, versuchte sie erneut auf sich aufmerksam zu machen, aber niemand hörte ihre Rufe.

      Gehetzt lief sie die Straßen entlang. Immerzu hatte sie diese befremdliche, lautlose Stimme in ihrem Kopf, die sie zwang ihr zu folgen.

      Das Stadtbild hatte sich gewandelt. Die in den 1960iger Jahren entstandenen Reihenhäuser hatte sie hinter sich gelassen. Jetzt standen zu beiden Seiten monotone Plattenbauten, die von einigen 30-stöckigen Hochhäusern überragt wurden. Es war eine Großsiedlung die zum Schlafsilo, Wohnghetto und zu ›Arbeiterschließfächern‹, wie es die Bewohner selbst sarkastisch nannten, verkommen war – ein seelenloses Viertel, wie es sie in jeder Großstadt der Welt zuhauf gab, und die nur all zu oft Schauplätze brutalster Verbrechen waren.

      Diese Nacht würde es nicht anders sein, auch wenn es andere Umstände waren, denn andere Mächte hatten diesmal ihre teuflischen Finger im Spiel.

      Schon bald erreichte die attraktive Mittvierzigerin die nächste Straßenkreuzung. Sie verlangsamte ihren Schritt, als eine schwarze Limousine direkt auf sie zurollte. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. Alles in ihr sträubte sich und begehrte gegen die spürbare Gefahr auf, die von diesem Fahrzeug ausging.

      Doch so sehr sie auch dagegen anzukämpfen versuchte, sie schaffte es nicht, sich von dem Zwang zu lösen und zu fliehen. Wie von unsichtbaren Fesseln wurde sie festgehalten.

      Sie zitterte am ganzen Körper als sie dem Wagen entgegensah, der seine Fahrt verlangsamte und zum Halten kam. Gleich darauf öffnete sich die hintere Tür und eine blasse Hand winkte ihr einzusteigen.

      Wie eine gehorsam an den Schnüren gezogene Marionette und stieg ein. Kaum hatte sie im Fond Platz genommen, schlug die Tür zu und der Motor heulte auf. Es war das letzte, was sie wahrnahm, denn sie verlor das Bewusstsein. Die Anspannung war für sie einfach zu groß geworden.

      Plötzlich spukten wilde Fantasiegestalten durch ihren Kopf. Es waren gnomenhafte, dämonische Wesen, halb Mensch und halb Tier. Fratzenhaft grinsten sie ihr voller Verachtung, Hass und Vernichtung entgegen. Sie glaubte sich auf einem Steintisch liegen zu sehen, im flackernden Schein rußender Fackeln und schwarzer Kerzen. In ihren Ohren dröhnte es. Es war Orgelmusik und ein beschwörender Gesang aus weiblichen Kehlen – eingängig und unheimlich zugleich. Und über der ganzen Szene hing ein penetranter Geruch von Pech und Schwefel.

      Mit einem Aufschrei fuhr sie hoch. Sekundenlang versagte ihr eigener Verstand, die schreckliche Realität zu erkennen. Dann begriff sie schlagartig: alles um sie herum war wirklich! Sie hatte nicht fantasiert. Alles war real: die Fackeln, die Beschwörungen, der Geruch, die dämonischen Fratzen und die singenden Frauen mit den geheimnisvollen Augenmasken, die sie in ihren aufreizenden, schwarzen Kleidern umtanzten.

      Sie befand sich in einer großen Halle, deren seitliche Kirchenschiffe samt Decke von mächtigen Säulen getragen wurden. Zwischen jedem Säulenpaar fanden sich sieben sorgfältig aufgereihte mattschwarze Särge, deren Deckel akkurat gegen die Wände gelehnt worden waren. Auf dem Kirchenschiff zu ihrer Rechten musste sich die Orgel befinden, von der sie, aus ihrer Position heraus, nur die mächtigen Pfeifen sehen konnte.

      Sie selbst lag inmitten dieser, wie sie glaubte, Basilika, auf einem steinernen Altar, der sie an einen Dolmen aus der megalithischen Kultur erinnerte – einen dieser wuchtigen Steintische an der bretonischen Küste. Immerzu schwebten die dämonischen Fratzen auf sie hinunter, um sich sofort wieder zurückzuziehen. Mit diabolischem Funkeln sahen die höllischen Kreaturen auf sie hinab. In ihren Blicken erkannte sie, dass ihr Tod bereits beschlossene Sache war.

      Plötzlich endeten Gesang und Orgelspiel, und das schmerzende Dröhnen in ihrem Kopf ließ nach. Sie sah, wie die Tänzerinnen um sie herum einen Ring bildeten und stumm verharrten. Es schien, als würden sie auf etwas Bestimmtes warten. Erst jetzt bemerkte sie, dass eine jede von ihnen ein goldenes Amulett um den Hals trug, auf dem sich ein ihr unbekanntes Symbol befand.

      Sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Ein hallender Gong war ertönt, worauf sich der Kreis ein wenig öffnete, um von einer schwarzhaarigen Frau in einem roten Kleid direkt wieder geschlossen zu werden. In ihren Händen trug sie eine brennende Kerze. Ehrfürchtig blickten alle Atropos an, wie sich die Schwarzhaarige selbst nannte. Ihr Name war gut gewählt, denn sie hatte viel mit der griechischen Schicksalsgöttin gemein. Für einige Sekunden herrschte absolute Stille, dann begann Atropos zu sprechen:

      »Ilasa micalazoda olapireta ialpereji beliore. Das odo Busadire Oiad ouoaresa eaosago. Easaremeji Laiada eranu berinutasa cafafame das ivermeda aposo Moz, od maoffasa. Bolape como belioreta pamebeta. Zodacare od Zodamernau!«

      »Zodacare od Zodamernau!«, wiederholte der Kreis mit einer Stimme. »Zodacare od Zodamernau!«

      »Odo eicale Qaa!«, rief Atropos beschwörend. »Zodoreje, lape zodiredo Noco Mada, hoathahe Belial!«

      Auch wenn Ashley Cartwright die Sprache nicht kannte, so verstand sie doch seltsamerweise jedes Wort: ›Oh du mächtiges Licht und brennende Flamme unseres Trostes, sei uns ein Fenster in dein Königreich. Komme hervor und zeige dich! Öffne uns die Mysterien deiner Schöpfung. Komme zu uns, die wir dich anbeten, dich, den höchsten und unbeschreiblichen König der Hölle! Belial!‹

      Zu ihren Füßen begann vor dem Altar eine rötliche Flamme zu tanzen, die größer und größer wurde, sich ausbreitete und allmählich zu einer Gestalt formte.

      Augenblicklich knieten sich die Tänzerinnen nieder und blickten demütig zu Boden. Voller Demut blickten sie zu Boden. Nur Atropos, in ihrem roten Kleid, war aufrecht stehen geblieben. Immer noch hielt sie Belial zu Ehren die Kerze in ihren Händen.

      »Wir heißen dich willkommen, König der Hölle, Regent des achten Kreises und Wächter des Höllentores!«, begrüßte sie ihn. »Wir sind hier, um dir zu dienen. Sei unser Herr und Meister!«

Скачать книгу