An der Pforte zur Hölle. Thomas Riedel

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An der Pforte zur Hölle - Thomas Riedel

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ihren neunzehn Jahren die jüngste der Gruppe. Wegen ihrer seidenweiß eingefärbten Haare und ihres verrückten französischen Haarschnitts, wurde sie von allen nur liebevoll ›Silky‹ gerufen. Niemand wusste, wie sie wirklich mit Vornamen hieß. Der Spitzname passte im doppelten Sinn, denn umgangssprachlich nannten die Briten den Anwalt der Krone ›Silk‹, und sie gehörte zu jenen, die jede Auseinandersetzung immer sofort zu schlichten suchte. Daher schüttelte sie auch sofort widersprechend den Kopf, als sie James‘ Vermutung hörte. Sie war sehr viel besonnener, als ihre beiden Freunde.

      »Ich glaube nicht, dass das eine gewöhnliche Räumungsaktion ist«, meinte sie gelassen. »Da steckt etwas Anderes dahinter.« Sie warf den beiden einen nachdenklichen Blick zu. »Überlegt doch mal«, forderte sie beiden auf, »wenn die uns nur von der Insel hätten haben wollen ... da hätten sie vielleicht zehn Leute geschickt.« Noch einmal schüttelte sie leicht den Kopf. »Darum geht es denen nicht! Habt ihr denn nicht zugehört, was da über den Lautsprecher kam?« Sie lehnte sich mit ihrem Rücken ans Gitter und biss sich mit den Zähnen leicht auf die Unterlippe. »Das war ein Chief Inspector von Scotland Yard. Seit wann kümmert sich die Kriminalpolizei um ein paar Studenten in alten ungenutzten Holzhütten? Wir stören niemanden und tun auch keinem was.«

      Nicht nur ihre beiden Freunde, auch die drei anderen Mitgefangenen sahen sie betroffen an.

      »Du wirst wohl Recht haben, Silky«, meinte der zweiundzwanzigjährige Chuck grübelnd. »Es scheint sich tatsächlich um etwas sehr Ernstes zu handeln.«

      »Da pfeife ich darauf!«, blaffte James dazwischen. Er war der Hitzkopf der Gruppe und hatte sich noch keineswegs beruhigen können. Immer noch randalierte er herum. »Ich will jetzt endlich wissen, was die Mistkerle von uns wollen!«, schrie er in Richtung der Fahrerkabine, wohlwissend, dass man ihm das jetzt kaum sagen würde.

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      Sie erfuhren es gut eine Stunde später, als sie in kleinen Gruppen von Blake und McGinnis vernommen wurden.

      Isaac Blake war mittelgroß und von schlanker Statur. Er hatte ein energisches, aber durchaus attraktives Gesicht mit kleinen Grübchen in den Wagen, die ihm einen gewissen Charme verliehen, wenn er lächelte. Doch im Augenblick lächelte er nicht.

      Obwohl den Festgenommenen ihre Rechte bereits genannt worden waren, wiederholte Cyril McGinnis das Prozedere.

      »Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass alles was Sie sagen, aufgezeichnet wird. Sollten Sie also vorher mit einem Anwalt sprechen wollen, schweigen Sie besser«, erklärte der Mann mit den spärlichen Haaren auf dem kugeligen Kopf. Eindringlich sah er die Gruppe mit seinen vergißmeinichtblauen Augen an. »Haben Sie das alle verstanden?«, fragte er abschließend.

      Chuck und Silky nickten, während James immer noch außer sich war. Den Beamten war nichts anderes übriggeblieben, als den Randalierenden mit den Handschellen am Stahltisch des Verhörraums zu ketten. Die anderen drei, die mit ihnen im Gefangenentransporter hergebracht worden waren, sahen Blake und McGinnis nichtssagend an.

      »Was soll der ganze Scheiß!?«, schrie James lautstark.

      Blake und McGinnis ließen sich von dem jungen Hitzkopf nicht aus der Ruhe bringen.

      »Die größte Verwundbarkeit ist die Unwissenheit, Mister Sheppard! Wissen Sie das nicht?«, fragte Blake ihn lächelnd. »Sie werden doch von allen scherzhaft ›Philosoph‹ gerufen, oder etwa nicht?«

      Das Blake ihn herausforderte gefiel James gar nicht.

      »Auch des Feindes Auge wird mit der Zeit blind«, schleuderte der Heißsporn ihm wütend entgegen. »Wir sind doch nicht hier, um uns über Sunzis Kunst der Kriegsführung zu unterhalten, Chief Inspector! Sie sollten endlich mit der Sprache herausrücken. Weshalb haben Sie uns unserer Freiheit beraubt und hierhergeschleppt? … Und weil Sie es ja anscheinend auf der intellektuellen Schiene wollen – frei nach Mark Twain: Überall gibt es einen Idioten, der die naiven Fragen stellt, vor denen jeder andere zurückschreckt! Darf ich fragen, wer von Ihnen beiden dieser Idiot ist? Sie vielleicht, Detective Inspector McGinnis?«

      »Ich rate Ihnen, Ihre Zunge zu zügeln, junger Mann«, fuhr McGinnis ihn knurrend an. »Ansonsten wäre es möglich, dass sich Ihr Aufenthalt bei uns nicht unwesentlich verlängert! Ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt.«

      »Meine Zukunftsplanung sieht da aber ganz anders aus!« James schäumte vor Wut.

      »Immer, wenn der Mensch anfängt, seine Zukunft zu planen, fällt irgendwo das Schicksal lachend vom Stuhl, Mister Sheppard«, bemerkte McGinnis mit einem spöttischen Schmunzeln.

      »Sie haben ja einen echten Spaßvogel zum Kollegen, Chief Inspector!«, regte sich James auf.

      Blake ignorierte die Bemerkung des tobenden Studenten und blickte die anderen Studenten mit seinen kühlen, grauen Augen gelassen an.

      »Wir vermuten«, sagte er seelenruhig, so, als würde er einen Vortrag halten, »dass in der letzten Nacht eine Frau in ihrer Kommune ermordet wurde. Dementsprechend fragen wir uns: Wer unter Ihnen könnte ihr Mörder sein?«

      In dem sterilen, hellgrau gestrichenen Verhörraum hätte man eine Stecknadel fallen hören können – so still wurde es mit einem Mal. Geschockt hielten die Studenten den Atem an.

      Blake gab den zwei Constablern im Hintergrund ein Zeichen. Sie führten die anderen drei Mitgefangenen ab – nur Chuck, James und Silky nicht. Als die drei merkten, dass sie mit den beiden Kriminalbeamten allein waren, zuckten sie unwillkürlich zusammen. Es kam ihnen so vor, als würden die beiden Inspektoren, sie des Mordes an der Frau beschuldigen.

      Blake war von seinem Platz aufgestanden, hatte sein Päckchen Benson & Hedges hervorgeholt, eine Zigarette entnommen und sie angezündet. Während er einen ersten tiefen Zug nahm, ließ er die vor ihm sitzenden jungen Leute nicht aus den Augen.

      McGinnis hatte seinen Stuhl etwas zurückgeschoben. Lässig schlug er die Beine übereinander und lehnte sich entspannt zurück. Obwohl das Verhör mitgeschnitten wurde, hatte er seinen abgegriffenen Notizblock herausgeholt und spielte abwartend mit seinem inzwischen viel zu kurzen Bleistift.

      Die aufgekommene Stille wirkte bedrohlich.

      »Es wird das beste sein, wenn Sie uns schildern, wie es abgelaufen ist«, schlug Blake mit eisiger Stimme vor.

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      Kapitel 4

      E

      in unerträglich bohrender Schmerz wütete in seinem Kopf. Seine Schläfen pochten wie wild. Es fühlte sich an, als würden dort jeden Augenblick die Adern platzen. Vor seinen Augen hingen kaum durchdringbare Schleier. Remington Cartwright leckte sich über seine trockenen Lippen. Wie ein ausgedörrter Klumpen lag ihm seine Zunge im Rachen.

      »Meine Fresse!«, stöhnte er fluchend und erschrak, weil er seine Stimme kaum wiedererkannte.

      Ganz langsam richtete er sich auf, schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf die Bettkante. Nur allmählich trat seine Erinnerung an die vergangene Nacht aus dem Dunstschleier des noch vorhandenen Restalkohols hervor.

      Irgendwann

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