Skyline Deluxe. Marianne Le Soleil Levant
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Sie würde den nächsten Schritt immer kennen.
„Ich bin Musiker. Die Musik ist doch ein untrennbarer Teil von mir. Das muss dich nicht interessieren, aber dann kennst du mich nicht wirklich“, wandte er nicht ganz zu unrecht ein.
„Du bist Musiker. OK.“ Ganz anderes OK. „Schriftsteller, Künstler, Taxifahrer …“, zählte sie auf, was ihr in den Sinn kam.
War ich auch mal, wollte Tom salopp einwerfen, verkniff es sich aber. Es interessierte ihn weit mehr, was sie zu sagen hatte. Sie gleich zu Beginn mit dem von Vorurteilen gepeinigten Berufsbild zu verschrecken, wünschte er sich auch nicht. Gutes Argument für ihren Wunsch, so was außen vor zu lassen.
„ … Arzt oder Ingenieur. Na und? Für mich spielt das keine Rolle. Es zählt nur, wie du jetzt zu mir, mit mir bist. Sonst nichts.“
Mit gewissem Recht schloss sie aus seiner Logis im Fünf-Sterne-Hotel, es könne nicht allzu schlecht um seine Einkommenssituation bestellt sein. Sie wusste nicht, dass er sein Zimmer mit Bonusmeilen der einheimischen Fluggesellschaft beglich, da er sonst auch mit einfacheren Standards durchaus zufrieden war. Zählte doch die Atmosphäre, wenn es sonst sauber war. Da stimmte es bei den Thai auch meist ohne Luxusklasse. Aber wahrscheinlich sind auch genügend Bonusmeilen ein Zeichen solider Finanzen.
„Und wenn sich das ändert?“
„Wenn sich etwas ändert, ändert es sich. Wie viele Gedanken willst du dir darüber verbreiten? Ich bin hier, genieße es. Ich genieße es.“
Tom genoss es. Europäer sind es sehr gewöhnt, weiter zu denken. Es hat mit ihrer immer leicht unbefriedigten Art zu tun. Den Wunsch eines Sicherheitsempfindens, den Status zu manifestieren. Das Angenehme aufrecht zu erhalten.
So Faustisch: Verweile doch ...
„Zugegeben interessiert mich die ganze Vorgeschichte auch nicht so sehr, wie die Zeit mit dir zu genießen. Wie wir das geworden sind, was wir jetzt sind. Das ist Vergangenheit und das Ergebnis zählt. Trotzdem bist du das alles auch und ich identifiziere mich sehr über Musik, meine eigene Musik und insgesamt.“
„Aber du bist nicht die Musik, du bist ein Mensch. Als den ich dich erlebe. Was interessieren mich Shows oder Aufnahmen, die du gemacht hast? Wenn du mir etwas vorspielst, ist es etwas anderes. Das ist jetzt, das tust du mit mir. Das bist dann du. Ich will nicht etwas über früher erfahren. Es zählt nur, was ich selbst herausfinde. Wie du zu mir, bei mir, mit mir bist. Nicht, was du mitbringst. Lass dein Gepäck zuhause.“
Die Austern kamen.
„Schon mal Austern gegessen?“
„Das ist eine Frage nach der Vergangenheit“, gab er vorgespielt störrisch an.
„Also nicht. Wieder zu umständlich?“
Tom lächelte. Sie war wirklich sehr schlau. „Und zu glibberig. Ich bin kein großer Fan von Muscheln.“
„Kein Fan von Muscheln? Kein Fan von Muscheln!“, höhnte sie. „Was soll das heißen?“
Dazu grinste sie ausnahmsweise fast ein kleines bisschen.
„Du musst probieren. Man muss alles mal probieren“, dozierte sie.
Er befürchtete, das schleimige Zeug schmecke ihm nicht und er verzog beim Schlürfen das Gesicht, aber es ging. Viel fleischiger als er dachte und nicht zu salzig. Zum Glück hatte er die Shrimps schon fast alle verschlungen, denn er sollte noch mehr Austern essen, verwies aber jetzt darauf, sie müsse auch etwas essen, worauf sie einging. Trotz allem würden Muscheln auch in Zukunft nicht zu seinen Leibspeisen zählen. Vielleicht wollte sie bei ihm mit den Austern die Libido anregen. Es hieß ja, das funktioniere und Japaner sollen in diesen Dingen gut sein. Oder sollte er das besser als Wunschdenken verbuchen?
Tom wartete mit seiner Frage bis sie die Auster geschlürft hatte und die nächste heraussuchte, damit sie sich nicht verschluckte. Das wäre ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen sicher passiert.
„Ich heiße Tom. Darf ich dich nach deinem Namen fragen?“
Sie schluckte, irgendwie um sicher zu gehen, die letzte Auster sei wirklich ganz aus ihrem Rachen verschwunden. Sie wollte ihren Namen eigentlich nicht verraten. Das hatte sie aber ganz vergessen. Weil es bisher an sich höchst unhöflicherweise nicht angesprochen worden war. Beidseits ein faux pas, der praktisch unverzeihlich keinem von ihnen in ihrer so kräftig aufkeimenden Vertrautheit aufgefallen war. Die unfreiwillige Sprechpause führte zu einer Nachfrage: „Willst du mir den auch nicht verraten?“
Sie war noch gestresst. Das geht natürlich eigentlich nicht. Ihre Souveränität war dahin. Sie hätte ihm irgendeinen japanischen Namen nennen können, aber lügen wollte sie nicht. Lügen sind nicht gut für Vertrautheit. Schon gar nicht für junge, zerbrechliche. Bevor er jetzt noch mal nachfragt, ob ihr Name ein Geheimnis sei, oder wie er sie nennen solle, wollte sie lieber antworten. Alles andere wäre peinlich. Was zierte sie sich so? Sie hatte ein bisschen Angst. Angst verletzt zu werden. Sie war scheu. So wie Tom eigentlich noch immer schüchtern war und von Frauen durcheinander gebracht wurde. Ihre direkte, bestimmende Art war nur der übliche Schutzmechanismus. Er unterstützte die Illusion die Kontrolle behalten zu können. Sie wollte sich ihm hingeben. Das hatte sie vor. Wenn bis dahin alles gut ging. Also warum nicht ihren Namen preisgeben? Kindisch.
In ihrer Aufregung sagte sie ihn auf die in Japan übliche Weise, den Familiennamen zuerst: „Kashiwa Chiyoko“, und vergaß die unabdingbare zugehörige Anrede dahinter, aber davon wusste Tom natürlich nichts.
Sofort erklärte sie berichtigend: „Chiyoko. Chiyoko ist mein Rufname.“
Tom sah sie an. Er verspürte natürlich ihre Unsicherheit, die ihn sehr für sie einnahm. Sie war verletzlich. Sie zeigte es. Besser gesagt, konnte sie ihre Verletzlichkeit trotz ihrer guten Selbstbeherrschung nicht verhehlen. Da wurde sie gleich viel menschlicher und wahrscheinlich regte sich auch sein Beschützerinstinkt gleich wieder. Er dachte an ihre Schenkel. Jedenfalls mochte sie ihn wirklich. Sonst wäre sie nicht verletzlich.
Sogleich antwortete er aufrichtig: „Ein wunderhübscher Name. Ganz allerliebst. - Very lovely.“
Sie lächelte ein 0,02 Millimeter Mundwinkellächeln. Sie war alles andere als beschwichtigt.
„Bedeutet er etwas?“
„Kind der 1000 Generationen oder auch Kind der Ewigkeit. Es sind zwei Silben: Ewigkeit und Kind“, antwortete sie abwesend.
„Was ist?“, fragte Tom.
„Ich wollte Namen eigentlich vermeiden.“
„Aha, und warum? Spricht man sich nicht mit Namen an? Ich war schon ganz unsicher, ob ich nicht einen unverzeihlichen Fehler gemacht habe, mich so lange nicht vorzustellen. Obwohl, es war irgendwie keine Gelegenheit.“
„Zugegeben ist das ein bisschen komisch … a little bit strange“, fing sie an, als er sie unterbrach: „Es ist ziemlich komisch - Quite strange“, und sich am liebsten gleich auf die lange, spitze Zunge gebissen hätte.