Skyline Deluxe. Marianne Le Soleil Levant

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Skyline Deluxe - Marianne Le Soleil Levant

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nicht. Er musste sie schon lieben. Sonst wäre das schnell vorbei.

      Seine Psyche glich das bei sich behalten müssen seines derben Scherzes durch das Auftauchen im Traum aus. Hier durfte er es ausgesprochen haben und es war gut angekommen.

      Das wiederum Unpassende war ihr Aufenthaltsort. Sie waren spaziert und hatten sich verirrt. Selbst wenn sie spaziert wären, kam man von den Bootsanlegestellen um die Zeit noch nicht so leicht in unbevölkerte Seitengassen, wenn man es nicht darauf anlegte. Und auch da wären vereinzelte Anwohner vor der Tür oder beim Nach­barn. Dafür kannte sich Thomas in Bangkok zu gut aus. Weit hätten sie kaum laufen können. Setzt man vier Kilometer für eine Stunde an, ist das im Gewühl von Bangkok ein zügiger Laufschnitt und kein Maß, das man mit vollem Magen und insgesamt überschreiten möchte, wenn man kein professioneller Stadtwanderer ist. Von Schlendern oder ungehindertem Durchmarschieren kann man sich verabschieden. Es galt immer auszuweichen, sich zu fügen, vorbei zu schleichen, anzuziehen und sich um Menschen, Masten, Stände, Tonnen, Apparate, Rohre, Kabel und Menschen und Menschen zu schlängeln. Da sind vier Kilometer pro Stunde eine frische Leistung für den schwülen Abend.

      Tatsächlich befanden sie sich aber ganz woanders und konnten die Strecke niemals gelaufen sein. Nicht, ohne den Spaß daran zu ver­lieren. Trotzdem schien es so und in der Illusion des Traumes kam es Thomas trotzdem auch vollkommen plausibel vor. Erschöpft waren sie schon. Das verstärkte sich seit den letzten zehn Minuten. Etwa solange ihnen immer deutlicher wurde, wie sehr sie sich verlaufen hatten. Es war weit und breit niemand, außer ihnen.

      Thomas wunderte sich wirklich darüber. War es denn so spät?

      In den frühen Morgenstunden, drei bis vier Uhr konnte es schon ruhig werden. Nur ein, zwei Stunden bevor es wieder richtig los­ging. Aber doch schon seit mehreren Straßen keine Menschenseele, nicht einmal ein Auto oder Motorrad, das vorbei dröhnt.

      Jetzt merkte er es. Keine fernen Geräusche. Nicht einmal ein Hund bellte. Alles sah ganz normal aus. Wie es Thomas in den Straßen von Bangkok gewohnt war. Die Häuser dunkel, die Straßenbeleuch­tung an. Nur kein Leben. Diese Stille.

      Chi und er waren ganz allein. Wie waren sie dort hingekommen?

      Sie waren doch nicht vier Stunden gelaufen. Warum hatten sie nicht längst ein Taxi genommen? Als es noch welche gab. Oder waren sie mit dem Taxi gefahren und dann erst spaziert? Wäre doch Unsinn. Irgendwo auszusteigen. Chi machte sich ein bisschen Sorgen.

      In Wahrheit hatte er null Ahnung, wie sie in so einer Situation reagieren würde. Müsste ziemlich ungewohnt für sie sein, mitten in der Nacht auf einsamen Straßen herumzuirren. Thomas stufte sie im Traum als tapfer ein, aber sie sagte, sie fühle sich nicht wohl.

      Es gefiel ihm, im Traum durch eigene Gelassenheit bei ihr zur Beruhigung beizutragen.

      Er berief sich darauf, man könne im Zweifel immer einfach gerade aus laufen. Irgendwann müsste man auf einen ihm bekannten Ort treffen. Zumindest auf ein Straßenschild oder andere Information, die zur Orientierung taugte.

      Ein großer Shopping- oder Büro-Komplex. Die hatten oft blumige Namen gewisser Berühmtheit. Ein auffälliges Bauwerk, Tempel, Megahotel oder Skytrain Station. Aber zu dieser Zeit gab es keinen Skytrain. Dieser Gedanke im Traum verwirrte Thomas im Traum.

      Er verdrängte ihn sofort.

      Wo niemand wäre, können einen auch niemand überfallen, schloss er logisch auf ihre Befürchtungsäußerungen, ganz ungefährlich stelle sie sich diese einsame Gegend nicht vor.

      Das hatte er sich als Junge schon selbst vorgesagt, wenn er alleine im Dunkeln nach Hause gehen musste und es ihm gerade deshalb unheimlich zumute war, weil er sich ganz alleine fand, weil eben sonst niemand mehr unterwegs war. Klar man hatte Angst von etwas Unerwartetem, etwas Gefährlichem erschreckt zu werden. Woher die Gefahr kommen sollte und warum eigentlich aus­gerechnet Böses bevorstehen sollte, konnte nicht begründet sein, außer man argumentierte, vor dem Ungefährlichen, Angenehmen, dem Erfreulichen müsse schließlich keine Furcht entstehen, so dass nur blieb, vor etwas Üblem zu bangen, egal wie unwahrscheinlich es sei. Jedenfalls hatte er als Kind die Logik angewandt, wo nie­mand wäre, würde, solange das so blieb, auch keine Gefahr drohen. Es hatte funktioniert. Gegen das indifferente und emotional nicht steuerbare Gefühl, bedroht zu sein.

      Eigentlich schauderte ihm vor der Möglichkeit auftauchender Geister. Vor etwas Überirdischem oder Unterirdischem. Wesen der Nacht. Der Dunkelheit. Sein Realitätssinn bezüglich nächtlichen Gefährdungspotentiales hatte sich bis ins Erwachsenendasein stark versachlicht. An Übernatürliches glaubte er immer noch.

      Böse Geister fürchtete er nicht. Die wären, wenn es sie gibt, die Schwächsten und einfach durch Formeln und Gesten der himmli­schen Allmacht mitfühlender Liebe siegreich zu erlösen. Natürlich war er nie welchen begegnet. Bösen Geistern. Auch das bestärkte ihn darin, zu denken, wenn niemand da ist, besteht auch keine Gefahr. Wachsam bleiben sollte man immer und das gelang am besten ohne nutzlose Sorgen vor eingebildeten Katastrophen.

      Ehrlich überzeugt gab er ihr zu verstehen, die Thai seien wirklich keine Leute mit üblem Gemüt und im Allgemeinen sei die Wahr­scheinlichkeit eines Überfalls doch gering. Woher sollte man wis­sen, ausgerechnet hier laufen die Ausländer herum? Er sagte, eher würde jeder, der hier verlorenen Touristen begegnete, versuchen zu helfen. Selbstlos, oder um selbst aus der unerwarteten Situation wieder gelöst werden zu können und den Unwägbarkeitsfaktor verirrter Ausländer schnell loszuwerden. Wer kannte die schon? Wenn sie sich um die Zeit hier herumtrieben, wusste man nicht, was dahinterstecken kann. Ängstlichere Seelen könnten so reagieren und höchstens ein dreister Charakter würde Trinkgeld oder eine Zuwen­dung für sein vielleicht nutzloses Bemühen von den wohlhabenden Herrschaften erhoffen.

      Thomas war überzeugend, weil er wirklich keine Gefahr witterte.

      Als es ihm langsam selbst peinlich und nun doch mulmig wurde, so gar nicht orientiert zu sein, tauchte durch den Dunst der nächtlichen, weniger tropischen, als kanalisationsbedingten Feuchtigkeit, die des heißen Klimas wegen stets aufgestiegen war und sich in der kühlen Luft der Nacht kondensierte, in Sichtweite ein Ecklokal auf.

      Beleuchtet und mit einem Schild. Da könnte offen sein.

      Mit kräftigen Schritten standen sie bald vor der Tür, denn im Traum wurde die kurze Distanz übersprungen und durch eine unvermittelte Wiederkehr von Thomas' Orientierung ersetzt.

      Er las: Soi Saphnakoo. Man sprach sie Soi Sapankuu aus.

      Eine leicht missglückte englische Umschrift, die mit dem h nach dem p eine Art verborgenen ch-Laut im p und mit dem n vor dem a eine Eigenart der Aussprache wiederzugeben versuchte, die bereits im a, also quasi vor ihm, da es beim Einsetzen des a-Lautes schon wirksam wird, den kommenden n-Laut vorwegnimmt.

      Das a ist dann anders. N-artig.

      Man könnte denken, sie hätten es einfach falsch gemacht. Aber es ist an allen Straßenschildern so, dass diese verschobenen und zusätzlichen Buchstaben auftauchen. Wie wenn unter Beratung von altmodischen, englischen Gelehrten mit den hochrangigen Organen der zuständigen Behörde eine möglichst korrekte Umschrift der speziellen Laute dieser indochinesischen Sprache, welche in ihrer Tradition und Herkunft viele Elemente des Pali und Sanskrit enthält, für eine ebenbürtige Bedeutung in der Kultur geschaffen worden war. Schließlich würde diese Umschrift über lange Zeit auf allen Straßenschildern sein und damit die Nation mitrepräsentieren. Man legte sicher keinen Wert darauf, die Namen seiner Straßen, die Sprache durch eine mangelhafte, weil unausgereifte Umschrift zu verschandeln. Die Ausländer sprachen sie trotzdem falsch aus.

      Sie

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