Die Zwanzigste Stunde. Thomas Riedel
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Читать онлайн книгу Die Zwanzigste Stunde - Thomas Riedel страница 2
»Darlene ist nicht nur deshalb beunruhigt, Robert.«
»Vielleicht ist es ja meine Schuld … das mit Margaret, meine ich. Immerhin hatten wir eine kleine Auseinandersetzung, und sie ließ mich einfach stehen.«
»Das ist doch ihre bevorzugte Technik. Dafür kennen wir sie doch«, erwiderte Dwayne. »Aber drei Tage sind auch bei ihr eine ungewöhnlich lange Frist, um schmollend einfach fortzubleiben.«
»Du hast keinen Streit mit ihr gehabt, oder doch?«
»N …nein«, antwortete Dwayne.
Robert blickte ihn an. »Weißt du, Dwayne, ich hatte eigentlich erwartet, dass du mir den Kopf zurechtrücken würdest.«
»Warum?«
»Lass' uns doch mal ehrlich miteinander sein, Dwayne. Du bist mit Margaret so gut wie verlobt. Dann platze ich dazwischen und belege sie mit Beschlag. Ich an deiner Stelle …« Er brach ab.
Dwayne schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Wenn ich dir den Kopf zurechtrücken würde, dann ganz sicher nicht deshalb.«
»Ich weiß«, entgegnete Robert bitter. »Wenn es nicht ein zu lausiger Ausweg wäre, würde ich ins Wasser gehen.«
Dwayne zögerte, als wollte er sicher sein, dass er die richtigen Worte wählte. »Margaret ist ein erstaunliches Geschöpf. Sie hat es faustdick hinter den Ohren«, sagte er schließlich. »Niemand kann dir daraus einen Vorwurf machen, dass du den Kopf verloren hast. Aber Darlene ist auch nicht ohne.«
Robert seufzte auf. »Als ob ich das nicht wüsste.«
»Weißt du auch, dass sie eine von jenen Frauen ist, die nur einmal im Leben lieben? Und lass' dir sagen: Sie liebt dich über alles, Robert. Ich glaube nicht, dass du daran etwas ändern kannst.« Dwaynes Ton war trocken. »Wenn ich sie wäre, würde ich dich zum Teufel schicken. Aber so ist sie nicht.«
Robert blickte ihm unverwandt ins Gesicht. »Du meinst also, es bestünde immer noch die Aussicht, dass sie …, dass sie vielleicht …«
»Zweifellos. Was sie in dir eigentlich sieht, weiß ich nicht. Aber immerhin …«
»Ach, scher' dich zum Teufel!«, schimpfte Robert Merrivell und stürzte davon.
»Hallo, Mr. Merrivell! Ihre Zeche! Sir!«, rief ihm der Barmann hinterher.
»Lassen Sie nur«, lächelte Straightbolt säuerlich, während er sein Glas an die Lippen führte. »Ich erledige das schon.«
*
Während der achttägigen ›Royal International Horse Show‹ bot der ›Alexandra-Park‹ stets ein äußerst farbenreiches Bild. Die Ställe und Geschirrbaracken waren mit farbigen Bändern geschmückt, vergangenen und gegenwärtigen Trophäen, und die Metallteile der Geschirre funkeln. Von morgens bis nachts drängte sich hier eine dichte Menge, hemdsärmeliger Stallknechte, Reiter im Reitkostüm, Damen in Schneiderkleidern, Offiziere im Waffenrock, Mitglieder der Jury und Zuschauer, die nach der aktuellsten Mode gekleidet waren.
Durch diese Menge bahnte sich Robert Merrivell seinen Weg. Nach einer Weile erblickte er sein Ziel: die Ställe der Familie Newdale. Schnell hatte er Darlene ausgemacht.
Sie war von lauter Leuten umgeben, die sie beglückwünschten und ihr die Hand drückten. Unvermittelt schüttelte sie ihre Bewunderer ab und schritt auf den Ankleideraum zu.
Robert stellte sich ihr so plötzlich in den Weg, dass sie mit ihm zusammenstieß.
»Oh, Entschuldigung!«, murmelte Darlene. Erst jetzt, wo sie aufblickte, sah sie, mit wem sie zusammengestoßen war. »Ach, Robert, du bist das!« Beschwörend schaute sie ihm ins Gesicht. »Hast du Margaret gefunden?«
»Nein«, erwiderte er, kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Er beobachtete, wie der Glanz aus ihrem Antlitz verschwand. »Zum Teufel mit Margaret!«, meinte er dann. »Sie kann selber auf sich achtgeben. Ich brauche einen Aufpasser, Darlene: Ich! … Ich bin völlig durcheinander. Als ich dich auf ›Lucky Longtail‹ sah, wusste ich …«
Sie schnitt ihm die Rede ab, indem sie ihre gebräunte Hand auf seinen Arm legte. »Wir können hier nicht miteinander sprechen, Robert. Jeden Augenblick wird uns jemand unterbrechen. Ich muss mir die Nase pudern, denn ich soll gleich für das ›Horse and Carriage Journal‹ fotografiert werden.«
»Das freut mich für dich, ganz ehrlich. Aber ich muss mit dir sprechen, Darlene. Noch heute Nacht.«
»Ich bitte dich, Robert. Das hat doch keinen Sinn. Ich verstehe auch so.«
»Du verstehst eben nicht!«
Darlene zögerte. »Komm' morgen zum Essen. Vielleicht ist Margaret bis dahin zurück.«
»Ich muss noch heute Nacht mit dir sprechen!«, beharrte er.
»Nun, wenn es denn sein muss … Broderik und Patrick bringen die Pferde nachher in die Reitschule. Ich fahre also allein mit dem Wagen heim. Wenn du mich gegen ein Uhr am Ausstellereingang treffen willst …«
»Ich werde dort sein«, versicherte er.
*
Dwayne Straightbolt wollte den Gesellschaftsraum gerade verlassen, als ein Mann hereinkam und ihn begrüßte. Er war groß und schlank, hatte ein scharf geschnittenes Gesicht, schwermütige Augen und trug über dem festen Mund einen ordentlich gezwirbelten schwarzen Schnurbart. »Ich dachte mir schon, dass du hier sein würdest, Dwayne«, meinte er und fügte direkt hinzu: »Ich muss etwas trinken. Willst du nicht mithalten?«
»Warum nicht?«, erwiderte Dwayne und begab sich zur Bar zurück. »Darlene hat es ja nun geschafft. Das ist gut für dich, Broderik.«
»Was darf es sein, Captain Turnblower?«, erkundigte sich der Mann hinter dem Tresen.
»Einen Cognac, bitte.«
»Auch für mich«, setzte Dwayne nach.
Turnblower blickte auf seinen blank polierten Reitstiefel nieder. »Das war heute ein höllischer Abend. Ich war ganz nervös wegen Darlene. In Gedanken beschäftigte sie sich doch immerzu mit Margaret ...«
»Wie wir alle«, fiel Dwayne ein.
»Ja, wie wir alle. Du hast recht.« Turnblower nickte. »Ich fürchtete insgeheim, sie würde beim Parcours versagen. Dabei war es so wichtig für uns.«
»Sie lässt so leicht niemand im Stich, auch wenn sie selbst in Bedrängnis ist«, bemerkte Dwayne lächelnd.
»Sie ist ein großartiges Mädchen«, bestätigte Turnblower. Er trank sein Glas in einem Zug leer und setzte es ab. »Was ist mit Margaret, Dwayne? Weißt du inzwischen