Die Zwanzigste Stunde. Thomas Riedel

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Die Zwanzigste Stunde - Thomas Riedel

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      Der Inspector lächelte Robert an. Es war ein freundliches Lächeln. Trotz seiner vielen Runzeln auf der Stirn konnte Flanders nicht älter als vielleicht vierzig oder fünfundvierzig sein. »Die Erfahrung hat mich gelehrt«, sagte er, »dass man unseren Freund nicht zwingen kann zur Sache zu kommen.«

      »Natürlich kann ich zur Sache kommen«, fuhr Bishop auf, der ohne Hörrohr ganz gut zu verstehen schien. »Ich bin hergekommen, um eine Frage an Sie zu richten … eine technische Frage. Machen Sie also keine Flausen, sondern beantworten Sie sie geradeaus.«

      »Ich will mein Bestes tun«, erwiderte Flanders. Er suchte sich eine Pfeife aus und begann sie zu stopfen.

      »Es handelt sich um Folgendes«, begann Bishop. »Durch wen werden Sie im Fall eines Mordes mit der Untersuchung beauftragt?«

      »Durch den Commissioner.«

      »Angenommen, im Stadtteil ›Soho‹ wäre ein Verbrechen verübt worden. Könnten Sie mit diesem Fall beauftragt werden?«

      »Das wäre möglich, wenn der Commissioner der Meinung ist, dass ich der richtige Mann dafür bin. Natürlich hat die Polizei des betreffenden Reviers den Vortritt.«

      »Heiliger Strohsack!«, bellte Bishop. »Ich wünsche eine direkte Antwort zu hören, und was erhalte ich stattdessen? Macht es irgendeinen Unterschied, in welchem Stadtteil der Leichnam gefunden wird? Könnten Sie dennoch mit dem Fall betraut werden?«

      »Ja, wenn der Commissioner …«

      »Hören Sie auf, Inspector!« Bishop wandte sich an Robert. »Ich sagte Ihnen ja, dass er Flausen machen würde. Er ist einfach nicht imstande geradeheraus zu reden.« Er richtete sich wieder an den Scotland Yard-Beamten. »Die Sache ist ganz leicht, Flanders! Wir haben einen Mordfall für Sie und möchten, dass Sie ihn übernehmen. Freunde von mir sind darin verwickelt.« Er legte seinen Kopf ein wenig schief und schaute ihn forschend an. »Wo sollte Ihrer Meinung nach der Leichnam gefunden werden?«

      Flanders hatte ein Streichholz angerissen, um seine Pfeife anzustecken. Die Flamme brannte weiter, bis sie ihm die Finger versengte. Mit einem kurzen unterdrückten Schrei ließ er das Zündholz fallen. »Sie haben einen Mordfall für mich?«, reagierte er gedehnt. »Und Sie fragen mich, wo nach meinem Wunsch die Leiche am besten gefunden werden soll? Ja, … können Sie das denn arrangieren?«

      »Würde ich Sie fragen, wenn ich es nicht könnte?«

      »Angenommen wir kämen überein … Ist dieser Mord bereits geschehen?«

      »Natürlich«, nickte Bishop. »Aber stellen Sie doch keine Fragen! Beantworten Sie meine!«

      »Sie schlagen mir also gerade vor, den Leichnam an eine bestimmte Stelle zu schaffen, sodass auf jeden Fall ich den Fall zu bearbeiten habe?«

      Wieder nickte Bishop. »Wenn nötig, ja.«

      »Ihnen ist aber schon bewusst, dass es ungesetzlich ist, einen Leichnam fortzuschaffen, ehe Scotland Yard dazu die Erlaubnis gegeben hat?«

      »Glauben Sie, dass ein Mann im Laufe von siebzig Jahren überhaupt nichts lernt? … Selbstverständlich würde ich einen Leichnam nicht mal mit einer yardlangen Stange anrühren.« Er blickte ihn herausfordernd an und ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen. »Aber ich habe noch nie von einem Gesetz gehört, dass es verbietet, den Ort zu ändern, an dem ein Leichnam gefunden wird.«

      »Den Ort ändern?« Jetzt war es an Flanders sein Gegenüber argwöhnisch zu mustern, während er tief Atem holte. »Würden Sie so freundlich sein und mir mitteilen, wo sich der Körper des Opfers in diesem Mordfall augenblicklich befindet?«

      »Aber gern«, erwiderte Bishop. »Er befindet sich im Fond auf dem Rücksitz eines Landauers.«

      »Und wo befindet sich diese Kutsche?«

      »Das möchten wir ja gerade von Ihnen wissen«, erwiderte Bishop gereizt.

      »Oh, mein Gott: Barmherzigkeit!«, rief Flanders aus, imaginär zum Himmel blickend. »Sie wollen von mir wissen, wo sich der Landauer befindet?«

      »Nein! Ich weiß ja nicht, ob es an der frühen Morgenstunde liegt, aber Sie scheinen mir schwer von Begriff zu sein, Inspector! Wir möchten wissen, wo sich die Kutsche befinden muss, damit Sie den Fall bearbeiten! Der Leichnam ist genau dort, wo Robert Merrivell ihn gefunden hat. Auf dem Rücksitz des Landauers.«

      »Und wo ist dieser Landauer jetzt?«, wiederholte Flanders. Dabei betonte er jedes einzelne Wort, als spräche er mit einem kleinen Kind.

      »Der steht vor Ihrer Haustür, Inspector«, gab Robert mit leiser Stimme Auskunft. »Mr. Bishop und ich haben sie hergefahren.«

       *

      Ungefähr eine Stunde nach Roberts und Bishop' Besuch bei Inspector Flanders fuhr ein ›Hansom Cab‹ vor ein Gebäude in der ›Newland Road‹, etwas südlich vom Park, vor. Früher war dieses Gebäude ein Warenhauslager gewesen, doch dann hatte man das zweite und dritte Stockwerk in Wohnungen verwandelt, in die man von der ›Boyton Road‹ aus gelangte. An der ›Newland Road‹ war ein weiter Torweg, in dessen Hintergrund ein Pferdewagen stand. Zur Rechten des Tores kündigte ein schwarzgoldenes Schild an, dass sich hier die Reitschule von Captain Broderik Turnblower und Darlene Newdale befand.

      Darlene Newdale kletterte aus dem ›Hansom‹ und händigte dem Kutscher die Zwanzig-Shilling-Münze aus. »Behalten Sie das Wechselgeld. Es ist nicht meines«, erklärte sie trocken.

      Sie begab sich an dem Einspänner vorbei auf die Reitbahn. Mächtige Lampen, die bereits elektrisch gespeist wurden, hingen von der Decke herab, deren Licht von den weißgetünchten Wänden zurückgeworfen wurde. Jenseits der Bahn, an der Rampe zu den Ställen, standen zwei Männer: Patrick Chambers, der erste Stallknecht und Captain Broderik Turnblower.

      Turnblower gewahrte Darlene und kam auf sie zu. »Du willst wohl, dass der Landauer hereingeschafft wird und die Pferde abgerieben werden? Sie wird gleich entfernt.«

      Darlene lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Die Kutsche und Pferde können nicht hereingeschafft werden, denn die habe ich nicht. Ich bin auf die schönste Art und Weise versetzt worden.«

      Turnblowers kluge Augen sahen, dass sie allem Lachen zum Trotz den Tränen nahe war. »Was ist los?«, fragte er besorgt.

      »Robert!«, erklärte sie. »Es ist wirklich komisch, Broderik. Er kam zu mir und sagte, er müsse noch heute Nacht mit mir sprechen. Ich … ich dachte schon, er sei vielleicht eines anderen Sinnes geworden. Ich schlug ihm vor, auf mich zu warten und nachher mit mir heimzufahren. Als ich dann zurückkam, war er mitsamt dem Landauer fort.«

      »Der dumme Junge!«, reagierte Turnblower ärgerlich.

      »Aber er war sehr fürsorglich, Broderik! Er übergab einem Bobby Geld für mich, damit ich mit einem ›Hansom‹ heimfahren konnte.«

      »Und warum …?«

      »Er ließ mir durch den Polizisten ausrichten, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, länger zu warten.«

      »Wenn ich den Burschen erwische dann, …«

      »Lass'

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