Der Bienenkönig. Helene Hammerer
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Ludwig war stocksauer. Einer von den alten Imkern, dessen war er sich sicher, hatte ihm die drei Bienenstöcke umgeworfen. Damit waren die Völker empfindlich gestört und wenn er Pech hatte, erholten sie sich bis zur Waldtracht nicht mehr. Er zog ein sauberes Hemd und eine frische Jeans an, kämmte sich kurz und fuhr ins Dorf zum Polizeiposten. Der Beamte dort hörte ihm aufmerksam zu, und meinte dann: „Wir können eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen Unbekannt erstatten aber die Aussicht, den Täter zu finden, ist gering. Ich kann mir das Ganze einmal ansehen und schauen, ob wir irgendwelche Spuren finden.“ Als Ludwig ihm berichtete, dass er die Bienenstöcke bereits wieder aufgestellt und den Schaden so gut wie möglich behoben hatte, sah der Polizist noch weniger Chancen auf Aufklärung. „Wenn man Polizeiarbeit machen will, muss der Schauplatz des Verbrechens möglichst im Originalzustand bleiben“, erklärte er.
Also ging Ludwig unverrichteter Dinge wieder, stockte im Laden noch seine Lebensmittelvorräte auf und fuhr zu seinem anderen Stand. Ambros hatte ihm einen guten Platz am Rand seiner Wiese überlassen. Dort ging ein Forstweg vorbei und so konnte er seine Bienen mit dem Bus gut erreichen. Zum Glück war hier alles in Ordnung. Ludwig holte seine Kiste mit der Rauchmaschine und dem Stockmeißel aus dem Bus und entfernte den Blechdeckel vom ersten Volk. Mit der Rauchmaschine blies er von oben Rauch ins Volk, lockerte mit dem Stockmeißel eine Wabe am Rand und zog sie dann mit ruhiger Hand heraus. Sie war schwer und mit Honig gefüllt, der mit einer dünnen Wachsschicht verdeckelt war. Das bedeutete, dass der Honig dick genug und bereit zum Schleudern war. Ludwig machte das Volk wieder zu. Er musste Ersatzwaben holen und leere Zargen, um die Honigwaben einzuhängen und mitzunehmen.
Gott sei Dank war der Schleuderraum fertig und vor zwei Tagen waren auch die neue elektrische Schleuder und die Entdeckelungswanne aus Edelstahl geliefert worden. Die Honigernte konnte beginnen. Vorher stattete er aber noch Ambros einen Besuch ab. Der alte Bauer kam gerade aus dem Stall und hörte Ludwig schweigend zu. „Die Imker bei uns im Dorf sind ein eigenes Volk“, meinte er dann. „Ich werde mich ein bisschen umhören. Wenn jemand etwas darüber weiß, macht die Geschichte bald die Runde.“ Seine Einladung zum „z' Nünnor“, einer Vormittagsjause, schlug Ludwig dankend aus und machte sich auf den Weg.
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Rosina hängte Wäsche auf, als Ludwig mit dem Bus zurückkam. Sie goss noch die Blumen vor dem Haus und sah ihn bald darauf mit Zargen aus der Tenne kommen und sie in den Bus laden. Hoffentlich hat man ihm nicht noch mehr Schaden zugefügt, dachte sie beklommen. Sie hatte noch nicht den Mut gefunden, bei Xaver anzurufen und wich Kilians prüfenden Blicken aus. Es schien, als ob sich sogar ihre Familie gegen sie wandte. Valli verbrachte jede freie Minute bei Ludwig und erzählte ganz begeistert vom neuen Badezimmer und dem Schleuderraum, dass die neue Einbauküche „voll schön“ war und dass am Wochenende Ludwigs Familie kommen wollte, um sich das Haus anzuschauen. Rosina fühlte sich ausgeschlossen. Bisher waren sie und Kilian der Mittelpunkt von Valerias Welt gewesen, nun schien sie nur noch eine Nebenrolle zu spielen. Na ja, kein Wunder, Valli kam im Herbst in die Hauptschule, sie war nicht mehr das herzige kleine Mädchen, das seine Mama ständig brauchte.
Rosina goss die Setzlinge im Garten und verscheuchte ihre trüben Gedanken. Dann ging sie in die Küche, um Mandeltaler zu backen. Sie würde Ludwig einige vorbeischicken, als Zeichen ihres guten Willens, dachte sie und ihre Stimmung hob sich merklich. Valli ging nach dem Mittagessen zum Nachmittagsunterricht und Kilian wurde von Hansjok zum Seniorenjassen abgeholt. Einmal im Monat trafen sich die älteren Leute zu dem beliebten Kartenspiel. Rosina füllte ihre Kekse in kleine Beutel und band Schleifen darum. Einige legte sie für Ludwig auf einen Teller und deckte sie mit Frischhaltefolie ab. Sie würde ihm den Teller vors Haus stellen, beschloss sie, schlüpfte in ihre Holzschuhe und ging zum Nachbarhaus. Als Mariele noch gelebt hatte, war sie oft hier gewesen, aber Ludwig hatte sie noch nie besucht, im Gegensatz zu ihrer Tochter, die fast jeden Tag hier war.
Beim Bienenstand blieb sie stehen und schaute dem emsigen Treiben zu. Ludwigs Völker mussten viel stärker sein, als ihre eigenen, denn während bei ihr nur wenige Bienen an den Fluglöchern zu sehen waren, wimmelte es hier nur so von ihnen. Vielleicht hatte Kilian Recht und sie sollte sich wirklich an Ludwig um Rat wenden. Wenn er von der Imkerei leben wollte, kannte er sich bestimmt gut aus. Die junge Frau stellte den Teller mit den Keksen auf die Bank vor dem Haus und wandte sich schon zum Gehen, als ihr auffiel, dass die Tür zur Tenne offen stand. Plötzlich war die Versuchung zu groß und ihre lange unterdrückte Neugier gewann die Oberhand. Sie würde sich schnell den neuen Schleuderraum ansehen, dachte Rosina, Valli hatte so viel davon erzählt.
Flink ging sie in die Tenne und sah den Zubau. Er war größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie öffnete die Tür und stand in einem hellen Raum, dessen Wände mit hellgrauem Linoleum ausgekleidet waren. Am Boden lag ein dunklerer Belag in Grau und Blau. An der Wand neben der Tür befand sich ein großes Waschbecken aus Edelstahl, darüber war ein Holzbord angebracht, auf dem sich eine Bürste und eine Flasche mit Spülmittel befanden. In der Ecke stand eine neue elektrische Honigschleuder und daneben befand sich die Entdeckelungswanne aus Edelstahl. An der anderen Wand standen ganze Stapel mit gelben Hobbocks, den dicht schließenden Honigeimern. Ludwig hatte alles gut durchdacht und war bereit für die Honigernte. Während Rosina alles betrachtete, hörte sie plötzlich ein Auto vorfahren. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und wollte flüchten, doch da kam schon Ludwig mit einer Beute voll Honigwaben in die Tenne.
Als er die unerwartete Besucherin sah, runzelte er die Stirn. „Was machst du hier?“, wollte er wissen. „Ich hab dir ein paar Kekse vorbeigebracht“, stammelte Rosina und errötete, „sie stehen draußen auf der Bank.“ Als Ludwig sie nur weiterhin finster anblickte, fügte sie hinzu: „Die Türe war offen und da hab ich mir deinen Schleuderraum angeschaut. Valli hat immer davon erzählt und er ist wirklich schön geworden.“ Als sie ihre Tochter erwähnte, wurde sein Blick freundlicher, dann nickte er kurz. „Danke für die Kekse.“ „Oh, bitte, ich wollte dir sagen, dass mir die Sache mit den Bienenvölkern wirklich leid tut.“ „Dann könntest du mir helfen, anstatt dich dumm zu stellen. Denn, dass du gar nichts weißt, glaube ich dir nicht“, erwiderte Ludwig und schaute sie offen an. Rosina wusste nicht, was sie sagen sollte. Deshalb murmelte sie nur einen Gruß und ergriff die Flucht. Fast rannte sie den Weg zurück zu ihrem Haus. Ludwig stellte die Zarge ab und ging hinaus zum Bus. Kopfschüttelnd schaute er seiner Nachbarin nach. Dann sah er den Teller mit den Mandeltalern und beschloss, zuerst Kaffee zu trinken. So seltsam sich die junge Frau auch sonst verhielt, backen konnte sie ausgezeichnet.
Rosina stürmte ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Dann ging sie zum Telefon und rief Xaver an. Er selbst sei beim Jassen sagte seine Frau, ob sie ihm etwas ausrichten solle. „Ja, du kannst ihm ausrichten, dass es nicht in Ordnung ist, anderen Imkern ihre Völker zu zerstören und dass ich mit solchen Methoden nichts zu tun haben will.“ „Das war nicht Xaver, das war Willi“, entrüstete sich Xavers Frau und damit hatte Rosina Gewissheit. „Er als Vereinsobmann ist mitverantwortlich“, entgegnete sie bestimmt, verabschiedete sich und hängte auf, um sich die Tirade der dorfbekannten Klatschbase nicht anhören zu müssen. Jetzt konnte sie wenigstens Kilian sagen, dass sie angerufen hatte. Trotz des peinlichen Zwischenfalls fühlte sie sich erleichtert. In der Küche kochte sie sich eine Kanne Tee und ließ sich einen Mandeltaler schmecken. Dann ging sie ins Arbeitszimmer, um alles für den Markt herzurichten.
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Nach der Stärkung mit Keksen und Kaffee war Ludwig wesentlich besser gelaunt. Die Episode mit seiner neugierigen Nachbarin konnte er inzwischen von ihrer komischen Seite sehen und so ging er schmunzelnd an