Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns. Thomas Riedel

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Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns - Thomas Riedel

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Sie war dunkelhaarig und von unterdrückter Lebhaftigkeit. Ihr hochroter Mund wirkte herausfordernd.

      »Ihr könnt doch alle nur reden, reden, reden!«, rief sie. »Habt ihr denn keinen Funken Mumm in den Knochen? Was für Männer seid ihr eigentlich? … Wir sollen alle umgebracht werden, und ihr redet nur! Ihr solltet lieber endlich etwas unternehmen!«

      Der Jockeymann richtete sein boshaftes Lächeln auf sie.

      »Warum unternimmst du denn dann nichts, liebe Victoria? Dein Geständnis würde uns alle befreien.«

      Der Mann mit der Hornbrille wandte sich von der fahrbaren Bar ab.

      »Halt den Mund, Nicolas! Ich habe bald genug von dir.«

      »Deine Geduld ist wahrlich bewundernswert«, entgegnete Nicolas trocken. »Ich hatte dich schon vor zwanzig Jahren satt, Robert.«

      »Ich fände es einen guten Gedanken«, fiel Finch ein, »wenn mir jemand erzählen würde, was hier eigentlich los ist.«

      Kathlyn Greenwood, die sich bislang still verhalten hatte, schien sich plötzlich der unmittelbaren Lage zu erinnern.

      »Entschuldigen Sie, Doktor Finch, Ryan hat sicher recht. Sie müssen müde und hungrig sein.«

      »Gewiss, ich bin ein wenig erschöpft«, bekannte Finch, »aber offen gestanden: meine Neugier ist sehr viel größer als mein Appetit.«

      »Unsere Gastfreundschaft muss auf Sie etwas befremdlich wirken, Dr. Finch«, gestand Kathlyn, »aber immerhin können wir Ihren Hunger und Durst stillen. Wenn Sie mit mir kommen wollen …«

      »Wie wäre es mit einem Gläschen zur Begrüßung?«, erkundigte sich Howard Lancaster.

      Finch ließ seinen Blick zur gut sortierten Bar wandern.

      »Wenn ich einen Whisky bekommen könnte …«

      »Bringe den Whisky in die Küche, Howard«, ordnete Kathlyn an. »Folgen Sie mir bitte, Dr. Finch.«

      Die Küche entpuppte sich als fast so groß wie das Wohnzimmer und war so vorzüglich eingerichtet, dass sie ohne weiteres einem Hotel hätte dienen können.

      »Setzen Sie sich, Doktor.« Kathlyn wies auf einen runden, seidenblanken Teakholztisch, um den viele Stühle standen. »Ich kann Ihnen Kaffee oder Tee anbieten. Es ist auch kalter Truthahn da. Oder soll ich Ihnen ein Steak braten? Sie sehen, wir haben hier alles.« Ihr Gesicht bewölkte sich ein wenig. »Alles außer einem Ausweg.«

      »Wenn ich um Kaffee und etwas Truthahn bitten darf, Mrs. Greenwood.«

      Anscheinend wollten alle dabei sein außer dem jungen Mädchen, das beim Kamin saß. Auf dem Weg zur Küche hatte Finch gesehen, dass sie tatsächlich schlief. Howard Lancaster brachte ihm ein Glas und eine Flasche Whisky, und nach ihm kamen der Mann mit der Hornbrille und die dunkle Dame.

      »Ich bin Robert Drummond«, stellte sich der Mann mit der Hornbrille vor, »und das ist meine Frau Victoria. Ich bin Anwalt und der Sozius von Ryan Greenwood.«

      Finch zog die Augenbrauen in die Höhe.

      »Unser Gastgeber ist Jurist?«

      »Ja.« Drummond setzte seine Hornbrille ab und begann sie mit einem weißen Taschentuch zu putzen. »Wir sind, soviel kann ich voller Stolz sagen, die beste Anwaltsfirma in Aylesbury.«

      »Wenn Sie alles so dramatisch behandeln«, bemerkte Finch spöttisch, »sollte man Ihre Kanzlei auch über die Grenzen von Aylesbury kennen.«

      »Sie sagten, Sie wären Psychiater«, fiel Mrs. Drummond ein, ehe ihr Mann etwas erwidern konnte. »Ist Ihnen klar, dass Ryan geisteskrank ist?«

      »Unter Geisteskrankheiten oder Geistesstörungen werden unterschiedliche Verhaltensbilder und Krankheiten zusammengefasst, die sich durch Verhaltensformen ausdrücken, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Der Ausdruck selbst, besagt zunächst einmal gar nichts, Madam«, erwiderte Finch ernst. »Darf ich Sie höflichst daran erinnern, dass ich noch gar nichts weiß?«

      In diesem Augenblick erschien Brian Chandler mit dem jungen Mädchen, um das er sich so schützend bemüht hatte. Sie war blond und trug eine Brille. Sie war ziemlich nachlässig mit einem blauen Kleid, einer weißen Bluse und einer kurzen Jacke bekleidet. Sie gehörte zu den Frauen, bei deren Anblick Finch augenblicklich dachte, dass sie in richtiger Aufmachung und ohne Brille bezaubernd aussehen könnte.

      »Das ist Miss Burdett, Nora Burdett«, stellte Chandler sie vor. »Sie ist Ryans Privatsekretärin.«

      »Und ich bin Nicolas Brown«, sagte der Jockeymann, der die Nachhut bildete. Wenn er aufrecht stand, war er nur knapp fünfeinhalb Fuß groß. Im Gegensatz zu den anderen Herren, trug er einen schlecht sitzenden grauen Anzug, billige schwarze Halbschuhe und eine Fliege, deren Farbe in den Augen wehtat. In der Hand hielt er eine Zigarette mit einer langen schwarzen Spitze.

      Kathlyn brachte eine Tasse Kaffee, einen Teller mit kaltem Fleisch, Tomatenscheiben und Käsewürfeln sowie Butter und einige Scheiben Weißbrot. Finch schenkte sich Whisky ein, trank davon und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück.

      »Wenn ich jetzt freundlicherweise hören dürfte, was hier los ist …?«

      Lancaster, Drummond und Mrs. Greenwood begannen alle gleichzeitig.

      »Bitte nur einer!«, wehrte Finch ab.

      Mrs. Greenwood verständigte sich durch einen kurzen Blick mit Lancaster.

      »Mein Mann will sich bei der nächsten Wahl als Kandidat für das ›House of Lords‹ aufstellen lassen.«

      »Wollte, meine Liebe«, verbesserte Brown direkt. »Er wollte!«

      »Sei still, Nicolas«, verwies ihn Lancaster.

      »Mein Freund mit dem Jagdgewehr?«, fragte Finch ungläubig.

      »Ryans Vater war der ehrenwerte Richter Sir Terence Greenwood«, erklärte Howard Lancaster, »vielleicht der beste Jurist, den es im Commonwealth jemals gegeben hat. Ryan sollte sich bei der Neuwahl für das Parlament aufstellen lassen.«

      »Er hat die Nominierung durch die Partei aber noch nicht angenommen«, führte Mrs. Greenwood aus.

      »Deshalb kamen wir hierher«, ergänzte Robert Drummond.

      »Bitte immer nur einer!«, seufzte Finch.

      »Am besten erzählst du alles, Kathlyn«, forderte Lancaster kategorisch.

      Sie holte tief Atem.

      »Gern. Mein Mann ist ein Kandidat der ›Whigs‹, der ›Liberal Party‹, die ihm die Ernennung angeboten hat. Er erbat sich zehn Tage Bedenkzeit, die ihm auch zugebilligt wurde. Dann fasste er den Plan, uns alle hier zu versammeln. Sie müssen wissen, Dr. Finch, wir sind alle zusammen aufgewachsen – wir lebten immer in Aylesbury –, gingen zusammen zur Schule und ins College. Ich heiratete Ryan. Die anderen hier sind unsere engsten Freunde.«

      »Was für ein Privileg!«, murmelte Nicolas abfällig.

      »Sei still«, tadelte Lancaster.

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