Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns. Thomas Riedel

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Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns - Thomas Riedel

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… um die Möglichkeiten seiner Kandidatur zu besprechen, wie er sagte. Er wollte das Für und Wider mit seinen besten Freunden erörtern. Das klang vernünftig. Ryan schließt seine Kanzlei im Sommer immer für zwei Wochen. Dadurch waren Robert, Victoria und Nora ebenfalls frei. Brian hat in Aylesbury ein eigenes Geschäft, eine mechanische Werkstatt. Howard erhielt Urlaub von seiner Zeitung, weil Ryans Entschluss Stoff für einen Artikel abgegeben hätte. Rhona hat Zeit in Hülle und Fülle.«

      »Rhona?«, wiederholte Finch.

      »Rhona McDermid«, erklärte Mrs. Greenwood. »Sie sahen sie vorhin im Salon.«

      »Wo sie ihren Rausch ausschläft«, ergänzte Brown spöttisch. »Was mich anbelangt, so finde ich immer Zeit, wenn man mir zu essen und zu trinken gibt.«

      »Wir kamen vor drei Tagen hierher«, fuhr Mrs. Greenwood fort. »Wir alle lieben dieses Haus, das Ryans Vater gebaut hat. Wir waren schon als Kinder immer hier. Es hat inzwischen eine eigene Stromversorgung bekommen und ist mit allem modernen Komfort ausgestattet ...«

      »Außer einem dieser neumodischen Fernsprechapparate«, warf Mrs. Drummond schneidend ein.

      »Es sollte weiterhin ein ungestörter Platz bleiben«, erklärte Mrs. Greenwood. »Außerdem hätte man meilenweit Telefonmasten aufstellen müssen.«

      »Sie kamen also alle hierher, um über die politische Laufbahn Ihres Herrn Gemahls zu sprechen«, fasste Finch kurz zusammen.

      »Ja. Am ersten Abend waren wir sehr fröhlich … Ryan ganz besonders. Manchmal ist er schlechtgelaunt und in sich gekehrt, aber am Samstag war er bis zum Abendessen in seiner besten Stimmung.« Sie holte tief Atem. »Nach dem Essen geschah es dann.«

      »Ich sollte vielleicht erwähnen«, unterbrach Lancaster, »dass Ryan hier draußen eine kleine Waffensammlung hat. Vor dem Essen ging ich durch die Waffenkammer zur Küche, um mir einen Tee zu holen. Dabei fiel mir auf, dass alle Waffen verschwunden waren. Ich fragte ihn deswegen, und er sagte, da jetzt keine Jagdsaison wäre, hätte er die Waffen einem Büchsenmacher zum Instandsetzen und Reinigen geschickt.«

      »Nach dem Essen gingen wir alle in den Salon um Tee zu trinken«, erzählte Mrs. Greenwood weiter. »Wir saßen am Kamin. Dann verschwand mein Mann für einen Augenblick, und als er zurückkam, hatte er ein Jagdgewehr bei sich. Howard erkundigte sich danach, und Ryan sagte, es wäre das letzte Geschenk seines Vaters. Er setzte sich auf den großen Tisch hinter dem Sofa, nahm das Gewehr auf den Schoß und meinte, er wolle eine Rede halten. Wir dachten natürlich, er würde über Politik sprechen.«

      »Er drohte ja auch nicht mit dem Gewehr«, bemerkte Lancaster. »Er hatte es einfach bei sich, als ob er uns die Waffe zeigen wollte.«

      »Dann hielt er seine Rede«, übernahm Mrs. Greenwood wieder. »Er zeigte plötzlich einen in sich gekehrten Ausdruck, und ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Er habe einen besonderen Grund gehabt, uns für diese Zeitspanne hierher einzuladen, sagte er, und es sei sinnlos, die Erklärung weiter aufzuschieben. Wir dachten immer noch, es handle sich um seine Kandidatur für das ›House of Lords‹, und ermunterten ihn, weiterzusprechen. ›Seit sechs Jahren hat sich dieser Augenblick zusammengebraut‹, begann er dunkel. ›Vor sechs Jahren, nach dem Tod meines Vaters, wurde mir unter der Hand ein Richteramt am Old Bailey angeboten. Ich wünschte es mir, bei Gott, wie habe ich es mir gewünscht. Für meine Laufbahn als Jurist hätte es ein großes Prestige bedeutet, und ich fühlte mich auch dazu berufen. Ich bat um ein paar Tage Bedenkzeit, weil ich die Sache mit Kathlyn besprechen wollte. Meine Frau bestärkte mich darin, dass Angebot anzunehmen. Aber am nächsten Tag erhielt ich einen Brief.‹« Sie zögerte und sah Doktor Finch an. »Ich versuche, seine Worte so genau wie möglich wiederzugeben, aber natürlich kann ich seinen Ton nicht nachahmen … Ich meine die schreckliche Bitterkeit, die in seiner Stimme war. Etwas, das ich noch nie zuvor gehört hatte.«

      »Ich verstehe«, gab Finch zurück. Er hatte das Essen, das vor ihm stand, noch nicht berührt und stattdessen aufmerksam zugehört. Jetzt aber hob er sein Glas an die Lippen und nippte wieder an seinem Whisky.

      »Er sagte also: ›Am nächsten Tag erhielt ich einen Brief. Den Inhalt kann ich auswendig.‹ Der Brief lautete ungefähr folgendermaßen: ›Mein armer Ryan, es wird Zeit für Dich, die Schuld zu bezahlen. Man hat Dir das Richteramt angeboten. Das wäre eine große Ehre für Dich. Aber auf Ehrenbezeugungen musst Du verzichten. Jetzt und immerdar. Ich rate Dir, das Angebot abzulehnen, wenn Du nicht willst, dass ich unser Geheimnis der Welt im allgemeinen und der Anwaltschaft der britischen Krone im besonderen verrate.‹« Sie schaute Lancaster an. »So ähnlich war es doch, nicht wahr?«

      »Ja, ungefähr so«, stimmte Lancaster ihr zu. »Du hast es zunächst gar nicht begriffen. Ich habe noch deinen befremdlichen Blick vor Augen. Du hast ihn gefragt, wer ihm diesen Brief geschrieben hätte, und was eigentlich damit gemeint wäre. Und er …«

      »Er sagte zu mir: ›Weißt du es nicht, mein Herz?‹ Natürlich wusste ich es nicht. Er hatte mir von dem Brief nie erzählt. Wir fanden den Wortlaut sinnlos, aber mein Gatte sagte: ›Dieser Brief war nur der Anfang.‹ Er hätte dann noch mehr Briefe erhalten, mit einer dieser neuen Schreibmaschinen geschrieben und einem Poststempel aus Aylesbury. Er sagte: ›Was ich auch werden wollte … Anwalt der Krone, Syndikus der Universität und jetzt Kandidat für das Oberhaus …, jedes Mal meldete sich der Briefeschreiber. Jedes Mal riet er mir, das Amt abzulehnen.‹ Seine Stimme klang immer verzweifelter, Dr. Finch. Dann fügte er hinzu, dass das noch nicht alles wäre, sondern der Erpresser hätte ihn auf jede mögliche Weise gequält. Wenn er an einem bestimmten Tag verreisen wollte, hätte er den Befehl erhalten, seine Pläne zu ändern. Wenn er mit dem Zug fahren wollte, musste er eine Kutsche nehmen. Er meinte, irgendjemand säße im Hintergrund und ließe ihn wie eine Marionette tanzen. Er sagte, er könnte es nicht länger aushalten.«

      »Ich fragte ihn, ob man Geld von ihm gefordert hätte«, warf Lancaster ein. »Er verneinte das.«

      »Und ich wollte von ihm wissen, ob der Briefschreiber irgendwelche Drohungen geäußert hätte«, fügte Drummond hinzu. »Sie müssen wissen, Dr. Finch, Ryan hat den besten Leumund.«

      Finch stellte sein Glas mit leisem Klirren auf den Tisch zurück.

      »Trotzdem konnte er erpresst werden?«

      »Ich meine, es ist nichts Ehrenrühriges über ihn bekannt«, erklärte Drummond. »Ich kenne ihn als ausgezeichneten Rechtsanwalt … Er gilt als Zierde seines Berufs, und über sein Privatleben ist nicht einmal im Flüsterton geklatscht worden.«

      »Das stimmt, Doktor«, ereiferte sich Mrs. Greenwood. »Ich fragte, wodurch ihn der Erpresser in der Gewalt haben könnte.« Sie deutete auf die Anwesenden. »Wir alle fragten ihn. Er sah uns alle reihum mit kaltem Blick an und meinte darauf: ›Wisst ihr es nicht?‹«

      »Wir wussten es nicht! Und wir wissen es auch jetzt nicht!«, platzte Mrs. Drummond heraus.

      »Dann erfuhren wir, warum er uns das alles mitgeteilt hatte«, bemerkte Lancaster.

      »Es fiel mir auf, dass er das Gewehr in Anschlag brachte«, erzählte Mrs. Greenwood weiter. »Er sagte: ›Jetzt werde ich der Sache ein Ende machen. Ich habe keinen Lebensinhalt mehr, solange das weitergeht. Ich gestehe es offen: ich dachte schon an Selbstmord. Aber dann beschloss ich, meinen briefeschreibenden Freund mitzunehmen, wenn ich schon sterben muss. Und darum sind wir hier!‹«

      »Er hält einen von uns für den Briefeschreiber«, ergänzte Lancaster. »Als ich ihn fragte, wie er auf diesen Gedanken käme, erklärte er uns, wir wären die einzigen Menschen, die all das

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