Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns. Thomas Riedel

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Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns - Thomas Riedel

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eine Zigarette – das Jagdgewehr lag auf seinem Schoß. Ich ging zu ihm hinunter. Drei Yards von sich entfernt ließ er mich stehenbleiben. Ich sagte ihm, der Spaß wäre nun weit genug gegangen, die Frauen würden sonst bald hysterisch. Darauf versicherte er mir, es wäre kein Spaß, und um es mir zu beweisen, gab er einen Schuss auf ein altes Holzfass ab, dass zum Auffangen von Regen genutzt wird.«

      »Wir erschraken hier oben zu Tode, als der Schuss fiel«, warf Brian Chandler ein. »Wir dachten natürlich, er hätte Howard erschossen.«

      »Es war jedenfalls überzeugend«, fügte Lancaster säuerlich lächelnd hinzu. »Er sagte mir, wir hätten sechs Tage Zeit, um ihm den Erpresser zu übergeben.«

      »Die beiden Kutschen, die ich gesehen habe … sind die wirklich gebrauchsunfähig?«

      Brian Chandler nickte.

      »Ich bin ein recht geschickter Handwerker, aber ohne vernünftiges Werkzeug ist da nichts zu machen. Aber selbst wenn ich die Reparaturen ausführen könnte, was sollte uns das nutzen? Er hat ja die Pferde davongejagt.«

      Finch bedankte sich, als Mrs. Greenwood ihm noch einmal Kaffee nachschenkte.

      »Die Erpressungsgeschichte könnte durchaus wahr sein … Immerhin sprechen die Tatsachen dafür, und es lässt sich nicht abstreiten, dass Mr. Greenwood unter einem unerträglichen Druck steht. Nehmen wir also an, es ist so, wie er erklärt hat, dann bleiben uns nur drei Möglichkeiten. Wenn der Erpresser tatsächlich in Ihrer Gruppe zu suchen ist, stehen uns noch vier Tage zu seiner Entlarvung zur Verfügung. Oder aber wir überreden Mr. Greenwood, seinen Entschluss aufzugeben, indem wir ihn überzeugen, dass der Gesuchte nicht hier zu finden ist. Die dritte und letzte Möglichkeit: Wir entwerfen einen Fluchtplan und führen ihn aus.« Er blickte in die Runde. »Eine Flucht haben Sie wohl noch nicht versucht?«

      »Ich bin fest davon überzeugt, dass er seine Drohung wahr machen wird, Dr. Finch«, erwiderte Mrs. Greenwood. »Ich glaube, wenn einer von uns ausbräche, würde er alle übrigen umbringen.«

      »Wir meinten, dass eine Flucht nur der letzte Ausweg sein könne«, ergänzte Lancaster. »Und wenn wir es noch so geschickt anstellen, es bliebe ein unkalkulierbares Restrisiko.«

      »Das Restrisiko ist das Risiko, das einem den Rest gibt«, versuchte es Nicolas Brown mit Humor.

      »Risiko …« Mrs. Drummond schüttelte ob Browns Bemerkung missbilligend den Kopf. »… ein Begriff, über den sich die Tierwelt totlachen würde!«

      »Wo schläft Mr. Greenwood eigentlich?«, erkundigte sich Finch, das Geplänkel unterbrechend.

      »Das mag der Himmel wissen«, antwortete Lancaster. »Wir haben ihn seitdem kaum zu Gesicht bekommen. Er war bereits drei Tage hier, bevor wir eintrafen. Er wird sich vermutlich außerhalb des Hauses irgendeine Schlafgelegenheit geschaffen haben.«

      »Er beobachtete mich heute Nachmittag die ganze Zeit, während ich herumirrte«, betonte Finch.

      »Wie hätten wir das erahnen können?«, versetzte Brian Chandler. »Wir sind davon ausgegangen, dass er sich irgendwo versteckt hält und nur auf einen Ausbruch wartet, um uns niederzuschießen. Außerdem glauben wir, dass er überall Fallen aufgestellt hat.«

      »Fallen?«

      Chandler zuckte die breiten Schultern.

      »Wir wissen selbst nicht, wie die aussehen könnten, und … schließlich ist der Kerl ja verrückt, nicht wahr?«

      »Die dritte Möglichkeit wäre also die letzte verzweifelte Chance«, konstatierte Finch. »Dennoch sollten wir diesbezüglich Pläne schmieden.«

      »Einen Erpresser entlarven, der gar nicht vorhanden ist, erscheint mir auch etwas schwierig«, bemerkte Nicolas Brown spitz. »Und was die Frage betrifft, Ryan gut zuzureden … Haben Sie schon einmal versucht, mit einem Wahnsinnigen vernünftig zu reden?«

      »Jawohl, Mr. Brown«, erwiderte Finch. »Beim Zureden braucht es vor allem eines: gut zuhören. Und davon verstehe ich einiges, denn das ist zufällig mein Beruf.«

      ***

      Kapitel 3

      Es dunkelte, als Finch auf die breite, gedeckte Veranda hinaustrat. Noch konnte er gut die Umrisse des Bootshauses, der Anlagestelle und der Remise erkennen. In der Ferne hoben sich die Wipfel der großen Tannen am Seeufer vom schiefergrauen Himmel über der Schwärze ab.

      Im Haus hatte er acht Menschen zurückgelassen, die sich um den Kamin im Salon scharten. Finch wusste, dass seine Gegenwart ihnen in gewisser Weise neue Hoffnung verliehen hatte – nicht weil sie seine Tüchtigkeit kannten, sondern weil er als Fremder dem Problem eine neue Einstellung entgegenbrachte und noch nicht ganz entmutigt war.

      Hätten sie daran gedacht, in der Bibliothek einen Blick in den Band ›Who is Who‹ der ›Encyclopedia Britannica‹ zu werfen, so hätten sie schnell herausfinden können, dass der verirrte Fischer auf seinem Gebiet eine recht bedeutende Persönlichkeit war:

      FINCH, CHARLES, Dr. med., geb. 1824 in Cardiff (Wales). Mitglied der ›Royal Medical and Chirurgical Society of London‹; Gutachter bei vielen berühmten Mordprozessen. Verfasser von: ›Die Geheimgänge der Seele. Der Mensch im Kampf zwischen Tod und Leben‹, ›Der schlafende Vulkan. Studie über die Angst‹, ›Psychiatrie und Verbrecher‹; zahlreiche Beiträge in medizinischen Fachjournalen.

      Das war der Mann, der in die Nacht hinausging und eine Begegnung mit einem hochintelligenten, gefährlich aufgewühlten Menschen suchte. Sofern er Furcht kannte, wurde sie von seiner unersättlichen Neugier in Bezug auf menschliche Verhaltensweisen übertrumpft. Während er nach Ryan Greenwood Ausschau hielt, erinnerte sein Gemütszustand an den eines Schachspielers, der plötzlich vor einer ganz neuen Serie von Eröffnungszügen steht, gegen die es keine Standardverteidigung gibt.

      Am Ufer des Sees blinkten Glühwürmchen. Während er das Leuchten betrachtete fiel ihm auf, dass eines der Fünkchen nicht im gleichen Rhythmus wie das der fliegenden Insekten blinkte. Als sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, wurde ihm bewusst, dass dieses Glühen von einer Zigarette herrührte. Langsam schritt er auf die Stelle zu. Der Funke kam vom Ende des Anlagesteges. Als Finch die Planken unter den Füßen fühlte, zögerte er.

      »Sind Sie das, Mr. Greenwood?«, rief er fragend.

      Die Zigarette bewegte sich ein wenig.

      »Ja«, antwortete eine heisere, müde Stimme.

      »Hier ist Doktor Finch.«

      »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie zu mir kommen würden«, erwiderte Greenwood. »Im Gegensatz zu den anderen weiß ich nämlich sehr gut, wer Sie sind.«

      »So?«, reagierte Finch gedehnt.

      »Sie kamen mir bereits heute Nachmittag irgendwie bekannt vor, aber ich konnte Sie zunächst nicht unterbringen. Später wurde es mir dann klar. Sie sind der Mann, der im vorigen Jahr in Oxford den Mordfall Francis Murdock gelöst hat. Für einen Juristen war es ein interessanter Fall. Ich fuhr eigens hin, um Ihr Gutachten vor Gericht zu hören.«

      »Dann dürften Sie wissen, dass ich Ihnen vielleicht helfen könnte«, entgegnete Finch ruhig und machte auf dem Steg ein paar weitere Schritte auf ihn zu.

      »Kommen

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