Diez Hermanas. Georg Vetten

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Diez Hermanas - Georg Vetten

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flüsterte sie, als sie die Peitsche auf das Marilyn Monroe-Double alias P-DH richtete.

      2011 - 14.4., 18:00

      Großbritannien, London

      Royal Nurse Hospital

       Szene 27

      fünf Monate später

      Außenaufnahme: Die Parkanlage der psychiatrischen Klinik liegt im dichten Nebel. Die uralten Bäume des Parks zeigen das erste, zarte Grün. Dichtes Laub vom Vorjahr bedeckt die großzügig angelegten Rasenflächen und Wege. Die Backsteingebäude aus dem vorherigen Jahrhundert mit ihren vergitterten Fenstern liegen ruhig im schwindenden Licht des Tages. Sibel, den Mantelkragen hochgeschlagen, zieht ihren Mitarbeiterausweis durch den Scanner der ersten, von drei Schleusen.

      Szene 28

       Innenaufnahme: Sibel passiert dunkle, unwirtliche Flure. Die Wände sind im tristen Grau gehalten. Eine nicht zu definierende Farbe blättert großflächig von Zargen und Türblättern ab. Verblichene Zeichnungen, überquellende Stehaschenbecher und drei verkümmerte Gummibäume dominieren das Ambiente. Sibels Schuhsohlen quietschen auf dm abgelaufenen Linoleumbelag.

      Es riecht nach menschlichen Exkrementen und Desinfektionsmitteln. Durch die verschlossenen Türen dringen die Geräusche laufender Radios, nervtötender Fernsehprogramme und die Klagelaute verlorener Seelen. Die Tür des Pflegerzimmers ist angelehnt.

      »Und? Irgendwelche besonderen Vorkommnisse. Irgendetwas zu beachten?« fragte Sibel mit ausdrucksloser Miene, als sie ihren Mantel in den Spind hängte.

      »Die in Zimmer sieben haben sich vor etwa einer Stunde in den Haaren gehabt. Ich habe ihnen eine kräftige Dosis Haldol verpasst«, antwortete Paul. Paul, ein grauhaariger Pfleger Ende fünfzig, war desinteressiert, desillusioniert und verbittert. »Ansonsten ist soweit alles ruhig. Auf dem Schreibtisch liegen die Nummern der Bereitschaftsärzte. Sollte jemand zicken, lass ihn fixieren und auf die Geschlossene verlegen. Am besten direkt das volle Programm! Elektroschocks haben noch niemandem geschadet! HAHAHA! Gute Nacht, Kleines.«

      »Gute Nacht«, antwortete Sibel und unterdrückte dabei ihre angewiderte Miene.

      Sie hatte den menschenverachtenden, brutalen Macho Paul noch nie ausstehen können. Ekel, murmelte sie, als sie sich einen Filterkaffee einschenkte, der geschätzte drei Stunden auf der Warmhalteplatte vor sich hingeköchelt hatte. Schwarz wie Erdöl seufzte sie. Sibel ließ sich an den Schreibtisch nieder, um das Stationsbuch zu studieren. Im Tagesbericht las Sibel von einer Neuaufnahme: männlich, geschätztes Alter 42. Verwirrt. Klagt über Gedächtnisverlust. Schwere Amnesie, las sie. Es folgte eine Liste von Psychopharmaka, die man ihm verabreicht hatte. Der Patient erklärte bei seiner Einlieferung am frühen Morgen (6:15 Uhr), er sei selbst Arzt, erinnere sich aber nicht an seinen Namen. Es macht den Eindruck, als sei der Patient obdachlos. Eine Anfrage bei den Behörden und der Polizei nach einer vermisst gemeldeten Person blieb bislang erfolglos. Wir empfehlen ... (es folgte eine weitere Liste mit Psychopharmaka). Der Patient verhält sich seit 12.45 Uhr ruhig. Wir haben ihn auf Einzelzimmer drei gelegt. Wir empfehlen eine stündliche Kontrolle.

      

      Als Sibel den Raum betrat, lag der Patient mit der Patientennummer 251011M9 ruhig auf seiner Matratze und starrte an die Decke.

      »Hallo«, flüsterte Sibel, als sie sich auf einen Stuhl neben seinem Bett niederließ. Zu ihrer Verwunderung antwortete der verwahrlost aussehende Mann postwendend.

      »Hallo, junge Frau.«

      »Was ist mit Ihnen passiert?«, fragte Sibel vorsichtig.

      »Pssst!«

      »Wie heißen Sie? Kennen Sie ihren Namen?«, versuchte sie es erneut.

      »Nenn mich Löwenherz«, antwortete der sich gewählt ausdrückende Mann Anfang 50. Er trug einen weißen Oberlippenbart und weißes, halb langes und leicht gelocktes Haar.

      »Richard? Sie heißen Richard?«

      »Pssst! Löwenherz!« Der Atem von Patient 251011M9 roch unangenehm und streng nach Medikamenten. Sibel wurde von einer leichten Übelkeit erfasst, als er sich näher zu ihr beugte.

      »Sie können sich an nichts erinnern?«

      »Pssst! Ich bin nicht blöde!« Löwenherz rollte die Augen und setzte sich auf. Sibel zuckte automatisch zurück. Ein Reflex.

      »Pssst! Ich bin harmlos. ICH bin harmlos!!! Die denken, sie haben es geschafft. MICH geschafft! Doch ich bin noch nicht ganz meschugge!«

      »Was meinen Sie?«, fragte Sibel mit angespanntem Unterton in der Stimme.

      »Ich habe Dinge gesehen, die glauben Sie nie. NIE! NIEMALS!«

      »Was ist geschehen?«

      »Die haben mich vollgepumpt. Mit Psychopharmaka abgeschossen, den totalen Gedächtnisverlust provoziert. Dann haben sie mich ausgesetzt, auf die Straße. Wollten einen Penner aus mir machen. Doch bevor sie dazu kamen, habe ich meine eigene Gegentherapie eingeleitet! Weißt du, ich bin selbst Arzt. Ein Professor! Jedes Mittel hat sein Gegenmittel! Auf diese Weise habe ich mich gerettet«, antwortete er, indem er die Augen nach oben drehte und die Stirn krauszog. Irre, dachte Sibel.

      »Was ist passiert, Richard?«

      »Psst! Löwenherz«, keuchte Nummer 251011M9.

      »Ich habe zwei, drei Tage auf der Straße gelebt. Ich weiß nicht mehr genau! Weiß gar nichts mehr! So hat es sich jedenfalls angefühlt – und so habe ich auch gestunken.«

      »Hmm ...«, antworte Sibel leise und bot ihm einen Plastikbecher mit Wasser an.

      »Doch schau dir meine Hände an. Sind das die Hände eines Mannes, der auf der Straße lebt?«

      »Was ist passiert?«, fragte Sibel geduldig weiter.

      »Ich weiß selbst nicht so genau. Ich habe Lücken. Bilder kommen hoch. Sie bedrohen mich! Ich erinnere mich an meinen Beruf. Ich bin Arzt. Ich weiß allerdings nicht mehr, wo ich wohne. Ob ich verheiratet bin. Ob ich am Wochenende zu Chelsea oder Arsenal gehe! Doch ich bin guter Dinge, dass mein Gedächtnis zurückkehrt.«

      »Löwenherz, sie sprachen davon, dass sie bedroht werden. Wer sind SIE?« »Psst! Um Gottes willen!!! Wenn die wissen, dass ich mein Gedächtnis zurückgewinne, bin ich verloren!!! Und jedem, dem ich erzähle, was ich weiß, muss auf der Hut sein!«

      »Und?« Sibel ließ Löwenherz Zeit. Sie fühlte, dass er sich einiges von der Seele reden wollte.

      »Sie sind gefährlich. SIE kontrollieren alles. Unsere Gedanken ... die Börsen ...«

      »Wer sind SIE?« Sibel ließ nicht locker. Sie wusste, dass sie Löwenherz nur helfen konnte, wenn der Erinnerungsprozess wieder in Gang gesetzt wurde.

      »Ich weiß es nicht! Man wollte mich in Italien engagieren, eine Testreihe an Kindern durchzuführen – mit nicht freigegebenen Pharmazeutika. Medikamente zur Gehirnmanipulation: Die Bezahlung war zu verführerisch! In einem Monat, ein komplettes Jahresgehalt! Wer kommt da nicht in Versuchung?

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