Promise. Sarah L. R. Schneiter
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Sven atmete tief durch, überwältigt von der eigenen Unbedeutsamkeit, ehe er sich erneut seiner Arbeit zuwandte, die er für die Aussicht unterbrochen hatte. Als das Laserschweißgerät, ohne das in der Atmosphäre typische Funkenstieben, die alte Naht verband, hing er weiter seinen Gedanken nach. Die Promise war ein langsam sterbendes Schiff, ständig musste er irgendwo Hand anlegen, um etwas auszubessern, neu zusammenzuflicken oder auch nur notdürftig zu reparieren und jedes Mal schenkte er dem alten Frachter wieder einige Monate neues Leben. Längst war sie ihm ans Herz gewachsen, das legendäre, für ihn beinahe symbolische Gefährt, das ihn im letzten Jahr schon durch manches Abenteuer getragen hatte. Sie mochte ihre Marotten haben, doch nach einiger Zeit, wenn man sich daran gewöhnt hatte, begriff man ziemlich rasch, was sie von einem wollte, damit sie weiterhin treue Dienste leistete. Selbst, wenn sie wie alles Materielle letztendlich dem Untergang geweiht sein würde, so war Sven bereit, alles daran zu setzen, ihr mit seiner Arbeit noch einige Jahre, vielleicht gar Jahrzehnte, mehr zu erkaufen, sie vor ihrer letzten Landung noch auf viele Reisen zu schicken. Raumfahrer entwickelten oft eine nahezu animistische Bindung zu ihren Schiffen und Sven war es mit der Promise nicht anders ergangen. Wie wohl alle seine Freunde fragte auch er sich insgeheim, was sie ihm versprechen, was verheißen mochte, sie, der Grund, dass sie alle überhaupt erst zusammengekommen waren. Ihre künstliche Intelligenz war zu primitiv, um ein Bewusstsein zu haben, aber als Schiff hatte sie Charakter, war von den vielen Jahren gezeichnet, in denen sie kreuz und quer durch eine Galaxis gereist war, die sich in dieser langen Zeit verändert und weiterentwickelt hatte.
Mit der behandschuhten Hand fuhr Sven über die Schweißnaht, welche die beiden Platten der Außenhülle wieder absolut dicht verband und nickte zufrieden; seine Arbeit war getan, die Promise bereit für ihren nächsten Hyperraumsprung. Nachdem er das Werkzeug eingepackt und sich umgehängt hatte, ergriff Sven die an seinem Gürtel eingehakte Leine und zog sich daran in Richtung der Luftschleuse, die auf der gegenüberliegenden Seite lag. Als er zuoberst auf dem Schiff angelangt war, schaute er durch das wie ein Dach aufstehende Oberlicht des Frachtraumes. Einige Meter unter sich, im heimischen und warm beleuchteten Inneren schritt Stanley gemächlich über den Steg, ein Databook in der Hand, während Anaata auf einem Stapel Frachtboxen saß, gedankenverloren mit einer Orange spielend. Diese Leute, wenn auch planlos und scheinbar ohne ersichtliches Muster zusammengewürfelt, waren in der letzten Zeit immer mehr zu seiner Zweitfamilie geworden. Er, der mehr durch Zufall und Notwendigkeit denn gezielt auf diesem Frachter gelandet war, gehörte nun genauso zu der Gruppe.
Dies war der Stoff, aus dem seine Country-Songs gewoben waren, die er oft am Abend auf seiner Gitarre spielte, manchmal auch sang, ja ab und an gar selbst schrieb. Eine Existenz fernab aller gängigen Hyperraumstraßen auf den alten, verlassenen Schmugglerrouten, wo man wirklich auf sich allein gestellt war. Man war darauf angewiesen, Differenzen stets aufs Neue zu überkommen und sich zusammenzuraufen, wenn man überleben wollte. Dazu kamen die Abenteuer und das ständige Risiko, eines Tages erwischt zu werden, egal wie schnell das eigene Schiff war. Ein Leben hart am Rand, und damit meinte er nicht bloß den Rand der Galaxis, nicht einmal nur den Rand der Legalität, sondern den Rand jener Welten und Realitäten, welche man als normaler Bürger kannte. Hier draußen waren die Regeln anders, dachte sich Sven, wobei er einen letzten Blick Blick in die unendlichen Abgründe vor, über und neben ihm warf. Wie jedes Mal, wenn er einen Spacewalk machen musste, kehre er entspannter zu der Luftschleuse zurück, dazu mit unzähligen Ideen für neue Songs. Vielleicht war dies das Versprechen, welches die Promise ihm immer von neuem erfüllte?
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