DAS GRANDHOTEL. Ursula Hass
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„Ich glaube, ich habe einen Schrei gehört“, rief sie ängstlich und fragend zu Rehlein und Bloch, die sie nur verwundert anschauten, weil sie sonst eine toughe Figur machte.
„Ich habe nichts vernommen!“, verriet schon mal Bloch und auch Rehlein verneinte, dass er einen Schrei wahrgenommen hatte.
„Sind Sie taub, meine Herren!“, rief sie schon sehr erregt und ungehalten aus, dass auch die Personen an Tisch Zwei aufschauten und zu ihr blickten.
Kurze Zeit später trat dann auch schon der Hoteldirektor in den Saal und hatte eine Klingel dabei.
„Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass gerade ein Unfall geschehen ist“, entgegnete Monsieur Laurent mit ächzender Stimme und rückte seine goldumrandete Brille zurecht.
„Was, habe ich es richtig vernommen? Sie wollen uns einen Unfall melden, oder war es vielleicht ein Mord bei diesem Schrei?“, schrie dann Ulla Sommer wieder etwas unbeherrscht in den Raum.
„Ja, Madame Sommer, da haben Sie recht, es war kein Unfall, sondern ein Mord, ich wollte sie allerdings nicht gleich mit einem Mord behelligen und beunruhigen, wo sie gerade noch am Nachtisch sitzen!“, antwortete Laurent mit klagender Stimme.
„Wer ist denn ermordet worden?“, wollte sie daraufhin gleich wissen.
„Es muss sich um Axel Lehmann handeln, so zumindest nehme ich es an, denn er trug dieses Namensschild bei sich!“, sprach er und zeigte vorsichtig auf das Schild in seinen Händen.
Ulla Sommer und auch die anderen Gäste hatten gar nicht bemerkt, dass sich Lehmann von Tisch Eins entfernt hatte. Sie waren ja auch mit ihrem Essen beschäftigt.
Den Gästen an den beiden Tischen sah man den Schreck richtig an. Einer sprang zuerst auf und rannte aus dem Saal. Sie konnte gar nicht gleich erkennen, wer zur Tür hinausgerannt war, so aufgeregt war sie.
„Wenn es sich bei dem Toten um Axel Lehmann handelt, dann gehört der Mann ja zu den Gästen an unserem Tisch?“, murmelte sie entsetzt zu Rehlein und Bloch.
Die Gäste von Tisch Eins blickten sich nur entsetzt an und die Gäste vom zweiten Tisch schauten starr in Richtung Ulla Sommer, die unruhig von ihrem Stuhl aufgestanden war und herumhüpfte wie eine Ziege, die eingefangen werden sollte. Keiner sprach ein Wort, alle saßen wie erstarrt an ihrem Tisch und vor ihren Kaffeetassen. Auch ein letzter Schluck Grappa wurde noch schnell genommen.
Es war gespenstig ruhig in diesem Raum. Keiner sprach ein Wort, alle blickten nur zu dieser aufgeregten Ulla Sommer, die sich gar nicht mehr beruhigen wollte.
„Ich bleibe nicht länger, keine Sekunde länger, in diesem Haus!“, rief sie dann ungestüm aus.
„Beruhigen Sie sich, Frau Sommer!“, rief da plötzlich Annette Fischer, die bisher eigentlich nicht viel gesprochen hatte. Doch diese Worte konnte sie sich anscheinend nicht verkneifen.
„Beruhigen Sie sich, Frau Sommer!“, wiederholte sie noch einmal ihre Worte und setzte weiter fort: „Der Hoteldirektor wird sich um alles kümmern, oder nicht?“, sprach sie etwas fragend in die Runde, dabei schaute sie den Hoteldirektor an, gerade so, als würde er ihre Worte gleich bestätigen. Doch dieser reagierte gar nicht und schaute unsicher in den Raum.
„Wieso weiß sie, dass sich der Hoteldirektor um alles kümmern wird?“, ereiferte sich Ulla Sommer, die Annette Fischer immer wieder herausfordernd anstarrte. Doch Annette Fischer hielt ihrem Blick nicht stand und blickte etwas verschämt zu Boden.
In Ulla Sommers Kopf rührte es sich mächtig, denn diese Worte: „Beruhigen Sie sich, wir kümmern uns um alles!“, diese Worte hatte sie schon einmal gehört, aber nur wo und wer hatte sie ausgesprochen? Ihre Gedanken kreisten immer wieder um diese Worte, als würde endlich das Licht in ihrem Kopf angeknipst und die Erinnerung wäre wieder da.
Peter Bloch und Albert Rehlein sprangen ebenfalls beide von ihren Stühlen auf und eilten zum Hoteldirektor, der im Grand Salon wie ein Tiger hin- und herlief.
„Haben Sie schon die Polizei verständigt?“, wollten die beiden wissen.
Auch die anderen Gäste fragten diesbezüglich nach.
Doch der Hoteldirektor gab darauf keine Antwort.
„Unser Telefon ist defekt. Es funktioniert nicht. Im Tal weiter vorne ist eine Gerölllawine heruntergegangen und hat alles verschüttet. Der Eingang zu Davos ist mit Geröll zu. Diese Moräne war riesig“, erzählte er nur kurz.
Ulla Sommer blickte entsetzt von einem zum anderen. Dass sie jetzt noch in diesem Tal festsaßen, das gefiel ihr gar nicht. Nicht mal die Polizei konnte kommen und das Telefon war auch ausgeschaltet. Sie wurde hypernervös, denn eingesperrt sein, das konnte sie nicht ertragen. Da ging direkt die Sicherung bei ihr durch.
Die meisten Gäste saßen teilnahmslos auf ihren Stühlen, schwiegen einfach, manche aßen noch die Reste des Nachtischs auf oder schauten sich nur stumm an. Das war für Ulla Sommer unerträglich, denn sie spürte, dass sich was zusammenbraute. Sie konnte manchmal Dinge voraussehen und auch bei den Lottozahlen konnte sie öfters eine Zahl hervorsagen, mehr aber leider nicht, sonst wäre sie vielleicht schon Lottokönigin geworden.
Für sie spielte sich dieser Mord an Axel Lehmann wie in einem Science-Fiction-Film ab. War sie eigentlich die einzige klardenkende Person in diesem Raum? Irgendwie dachte sie, da alle so ohne Regung reagiert hatten, dass sie wohl hier in einer Psychiatrie gelandet waren und das GRANDHOTEL ein verkapptes Krankenhaus war. Nur stumm und träge wurden die Mahlzeiten eingenommen. Nicht mal für dieses kostbare Menü und die exzellenten Weine konnten sich diese Leute begeistern.
„Sie sitzen wie Walfische am Tisch und schlingen alles hinunter“, höhnte sie. Gleichzeitig schämte sie sich aber auch für ihre Gedanken und ihren Ausspruch und entschuldigte sich für ihre Worte, die aber keiner verstanden hatte, wie sie bemerkte und das kam ihr auch gerade recht.
„Wo befindet sich denn Herr Lehmann im Augenblick?“, meldeten sich dann Bloch und Rehlein wieder zu Wort, die sie beide auch noch als einzig klardenkend im Kopf einschätzte.
„Wir müssen doch diesen Axel Lehmann erstmal sehen, ob er auch tatsächlich tot ist, dieser Hoteldirektor kann uns ja viel erzählen!“, fingen nun auch Bloch und Rehlein zu meckern an.
„Kommen Sie mit, meine Herren, wenn Sie mir keinen Glauben schenken!“, wandte sich der Hoteldirektor höflich an die beiden. Gleich wollten auch Arnim Hermann, Josef Haas und Karl Feistel sowie Dominik John den beiden folgen.
Allerdings widersprach da der Hoteldirektor ganz energisch.
„So viele Leute haben keinen Platz im Fahrstuhl, denn wir müssen den Toten in den Eiskeller befördern bis die Polizei eintrifft“, ordnete Philippe Laurent kurzerhand an.
„Wir wollen doch nur mal nach dem Toten sehen und uns überzeugen, dass er auch tot ist bzw. wir wollen auch wissen, wie er gestorben ist“, sprachen die Herren, die gleichzeitig auch argumentierten, dass man auch sicher gehen wollte, dass es sich bei dem Toten um Axel Lehmann handeln würde.
„Immerhin war auch noch Ansgar Hoch im Raum, der doch diesen Axel Lehmann kannte?“, rief Ulla Sommer dazwischen. Doch im Augenblick konnte sie