DAS GRANDHOTEL. Ursula Hass
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Manchmal schreibt das Leben eben auch einfach die echten Krimis, dachte er und blätterte eifrig in seinem Taschenbuch, das er sich ausgesucht hatte und das von einem Schwarzwälder Kommissar Kirsch handelte. Fast sah es für Ulla Sommer so aus, als sollten die Seiten von Ansgar Hoch schnell umgeblättert werden, weil sie ihn vielleicht an Vergangenes erinnerten. Zurückkehren in die Vergangenheit wollte er nicht, die Vergangenheit sollte keine Chance erhalten, diesen Eindruck vermittelte er Ulla Sommer.
Aus ihren grünen Augen beäugte sie diesen merkwürdigen Mann, der mehr wusste, als er sagte, das war ihr sofort aufgefallen.
Doch sie wollte ihm nicht zeigen, dass sie ihn beobachtete, sondern las eifrig weiter, wobei auch sie die Seiten einfach nur überflog. Vertiefen in diesen Krimi konnte sie sich auch nicht, der von diesen menschlichen ‚Wölfen und Schafen‘ handelte. Sie hatte genügend menschliche Wölfe und menschliche Schafe erlebt, wobei ihr die menschlichen Schafe natürlich lieber waren, auch wenn sie etwas naiv waren. Eigentlich hatte sie gar keine Lust mehr auf das Schreiben von Krimis, fiel ihr auch noch ein. Seit diesem Tag, als sie ihren Autounfall hatte und dieser katastrophalen Begegnung, als ihr ein Messer in ihre Brust gerammt wurde, hatte sie das Schreiben von Krimis ad acta gelegt. Auch sie dachte an das schreckliche Erlebnis zurück und an diesen Tag, der Schuld daran hatte, dass sie lange Zeit in diesem Krankenhaus lag und sie ihren Winterschlaf hielt.
Vanessa blickte kurz in die Bibliothek herein und sah die beiden, die ganz alleine dort saßen, und dabei vorgaben, als würden sie lesen. Dabei kreisten doch ihrer beider Gedanken um diesen gestrigen Mord und um den 23. August, an dem schon einmal ein Mord geschehen war.
„Soll ich Ihnen noch einen Kaffee oder Tee bringen?“, hörte Ulla Sommer plötzlich die Stimme von Vanessa.
„Ja, danke!“, hauchte sie nur und hob kurz ihren Kopf, blickte Vanessa freundlich lächelnd an, obwohl es in ihr brodelte.
„Was weiß die Kleine, was weiß dieser Hoteldirektor und was weiß dieser Ansgar Hoch?“, grübelte sie. Er kam ihr alles nicht geheuer vor. Aber vielleicht verdächtigte sie alle auch zu Unrecht, überlegte sie. Doch dann schüttelte sie ihren Kopf, denn ungerecht wollte sie nicht sein. Dann lieber Winterschlaf halten oder wie die meisten Gäste, die Zeit, zwischen dem Frühstück und dem Dinner am Abend, mit Spaziergängen, Lesen oder mit Spielen verbringen.
Doch an Spazierengehen war bei diesem Wetter, diesem Schneetreiben, das da hereingebraust war wie ein Unwetter zur Unzeit, nicht zu denken. Vom Fenster der Bibliothek aus konnte man in den Garten blicken, der jedoch ganz in Weiß gehüllt war und ein eisiger Wind fegte über Bäume und Wiesen. Es war richtig gespenstisch anzusehen, wie dieser Sturm sich zu einem Orkan zusammenbraute. Ulla Sommer erinnerte sich, dass die Natur sich immer wieder alles zurückholt, was ihr genommen wurde.
Dieses Schneeweiß machte sie ganz traurig und diese Naturgewalt auch. Was haben wir verbrochen, dass alles nun über uns zusammenbricht?, dachte sie. Ansgar Hoch blickte nur kurz auf, als hätte er ihre Gedanken lesen können. Auch ihm ging es wie seiner Nachbarin, auch ihn machte dieses Schneeweiß traurig und er musste an seinen ehemaligen Kollegen, Axel Lehmann, denken, der nun in diesem Eiskeller im Hotel lag, während er noch am Leben war. Weshalb wurde er ermordet und nicht ich?, überlegte er kurz. Das Leben ist doch manchmal ungerecht, dachte er und wandte sich dann aber mit all seinen Gedanken wieder seinem Krimi zu.
Kapitel 5
An diesem Abend wählte Ulla Sommer einen dunkelblauen Hosenanzug und ein smaragdgrünes Oberteil, das sehr gut zum Blazer passte. Irgendwie wollte sie auch mit ihrer dunklen Kleidung, dem toten Axel Lehmann im Eiskeller ihre Reverenz erweisen, obwohl sie ihn eigentlich nicht kannte.
Doch sie hatte schon den ganzen Tag über ein mulmiges Gefühl, denn nicht nur ihre Stimmung war getrübt, auch der Himmel war tagsüber dunkel verhangen und das hieß, dass noch mehr Schnee in dieses Davoser Tal einkehren würde.
Als sie dann nach unten zum Dinner ging, hörte sie nur wie Vanessa zu Vincent sagte, dass das Telefon immer noch nicht gehen würde. Als sie das hörte, wurde ihre Laune auch nicht besser. Doch sie wollte ihre schlechte Laune vor den anderen Gästen nicht zeigen.
Weshalb hat uns dieser Millionär nur in dieses gottverlassene Nest zu dieser Jahreszeit eingeladen?, überlegte sie wieder, kam aber zu keinem Ergebnis.
„Doch die Handys müssten doch funktionieren, da könnte doch die Polizei in Zürich informiert werden“, machte sie sich weitere Gedanken.
Dieser Hoteldirektor, Philippe Laurent, kam ihr auch wie eine Schnecke vor, weil er alles schleifen ließ und sich nicht richtig um den Mordfall kümmerte. Bei Ulla Sommer musste alles schnell gehen und diese behäbige Schweizer Art von diesem Holzklotz eines Hoteldirektors gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie tröstete sich dann aber mit dem Gedanken, dass die anderen Gäste dieser OIL-Gruppe ja auch noch anwesend waren und insofern beruhigte sie sich wieder etwas und harrte, wie alle, der Dinge, die da noch kommen würden.
Im Grand Salon saßen schon Albert Rehlein und Sonja Netter, versunken in den tiefen samtroten Fauteuils. Fast hätte man sie nicht erkennen können in diesen altmodischen Sesseln, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatten. Anscheinend hatten sich die beiden auch schon angefreundet, wie Ulla Sommer feststellte. Als sie hinzutrat, verstummte plötzlich ihr Gespräch. Das fiel ihr gleich auf. Aber sie machte sich darüber keine weiteren Gedanken und dachte wieder an ihren Winterschlaf. Sich einfach nicht einmischen und sich nicht ärgern lassen, das war die Devise, die sie nach ihrem Autounfall beherzigte, obwohl es ihr eigentlich gegen den Strich ging.
Peter Bloch und Norbert Neurer kamen etwas später. Auch Dominik John, Karl Feistel und Claudine Meister sowie Renate und Arnim Hermann standen in Grüppchen wieder zusammen. Annette Fischer und Josef Haas vertraten sich im hinteren Drittel des Raumes ihre Beine. Sie machten auf Ulla Sommer einen etwas verlorenen Eindruck.
Plötzlich kam Philippe Laurent zu den Gästen und führte sie wieder in die Bibliothek. Im Zimmer brannte diesmal das elektrische Kaminfeuer, das magische Schatten an die Wände warf.
Als das grelle Neonlicht anging, war auch schon der riesengroße Fernsehapparat wieder eingeschaltet und der undurchsichtige Millionär zu erkennen, der wieder rückwärts zu den Gästen gewandt saß.
Ulla Sommer lief es eiskalt den Rücken hinunter, denn der bullige Nacken dieses Mannes, der anscheinend alles wusste und nichts verlauten ließ, jagte ihr eine gewisse Angst ein und sie konnte auch die Rücksichtslosigkeit dieses Menschen spüren, obwohl sie ihn noch nie live zu Gesicht bekommen hatte.
„Manchmal kann man von der Gestalt her auch auf das Gemüt eines Menschen schließen“, erinnerte sie sich an die Worte ihres Arztes. Doch an die Klinik wollte sie jetzt nicht denken. Nicht in diesem Augenblick.
Auch die anderen Personen dieser willkürlich zusammengewürfelten Gruppe machten keinen glücklichen Eindruck auf sie.
Dann ertönte wieder die blecherne Stimme dieses Millionärs, der diesmal nur den Namen, Timo, nannte.
„Thilo oder Timo!“, rief Ulla Sommer fragend aus, die den Namen nicht richtig verstanden hatte. Claudine Meister zuckte dabei förmlich zusammen, und sie schaute wieder mit einem verstohlenen Blick zu Ulla Sommer, die diesen Blick aufnahm, aber kein freundliches Lächeln zurückgab.
Dieser Blick gefällt mir gar nicht, dachte sie nur.
Man spürte