Bittersüß - davor & danach. Adele Mann

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Bittersüß - davor & danach - Adele Mann

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wäre er das Einzige, was mich nährt, und egal wie viel ich esse, ich werde nicht satt, sondern immer nur hungriger und hungriger.

      Er keucht auf, presst mich immer wieder an sich. Nie zuvor konnte ich derart deutlich spüren, dass ein Mann mich will. Ich halte mich an seinem Hals fest, weil ich den Boden unter mir nicht mehr richtig spüren kann. Alles an diesem Kuss macht mich benommen und erschreckend lebendig zugleich. Seine Fingerspitzen, die sich immer fester in meine Oberarme bohren, als er mich nochmals an sich zieht, um mich hart auf den Mund zu küssen, fast so, als wolle er etwas klarstellen, senden Schauer über meine Haut. Verdammt. Das ist es. Das ist es, worauf ich immer gehofft hatte. Ich bin verloren. Und es gefällt mir.

      Langsam lässt er mich los. Ich schaffe es kaum, den Mund zu schließen. Meine Lippen brennen und mein ganzer Körper schreit nach mehr. Diese gierige Seite an mir ist mir völlig fremd. Erstaunt sieht er mich an, blickt immer wieder von meinen Augen zu meinen Lippen, bevor er mich endgültig loslässt und verschwindet.

      Was zur Hölle war das denn?

      Wie kann man jemanden so küssen? Ich habe bisher nur mit zwei Männern geschlafen, doch diesen Hunger und dieses Hochgefühl hatte ich bei keinem von ihnen. Dabei hat Jan mich nur geküsst. Doch gerade als ich jede Sekunde des Kusses in meinem Kopf abspule, wird mir klar, dass er nicht anrufen wird, deshalb hat er mich so geküsst. Unverbindlich und ohne jede Scham. Wenn man sich nie wiedersieht, gibt es nichts zu verlieren. Sein Kuss war genau so, ohne jede Reue.

      Noch immer high und ein wenig schwankend gehe ich zur Wohnung zurück. Ich höre schwach, dass mein Handy klingelt, und eile dem Klingeln entgegen. Aber ich bin so durcheinander, dass ich gar nicht weiß, wo ich es liegengelassen habe. Alles, woran ich denken kann, ist dieser Kuss. Wo liegt dieses verdammte Ding?

      Ich stoße mir wieder den Fuß an derselben Stelle wie heute nach dem Aufwachen. Leise fluchend schnappe ich mir das Telefon und hebe ab, ehe noch die Mailbox rangeht.

      „Ella hier“, keuche ich außer Atem.

      „Und …“, höre ich Jans Stimme, die ich sofort erkenne. Sein Männerlachen fährt mir direkt in den Bauch. „… wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen, Ella?“

      Kapitel 3

       Ella - 2014

      Bin ich denn vollkommen wahnsinnig geworden? Nicht nur, dass ich ihm meine Nummer gegeben habe, ich habe ihn auch noch darum gebeten, mich anzurufen, wenn er reden will. Wieso tue ich so etwas? Habe ich vergessen, wie lange es gedauert hat, darüber hinwegzukommen?

      Und jetzt liege ich hier, wach um zwei Uhr morgens, unfähig einzuschlafen, weil ich nur an eines denken kann: Jan Herzog. Ausgerechnet der Mann, der mir das Herz gebrochen hat, bereitet mir nun eine schlaflose Nacht. Inzwischen machen mir schon meine eigenen, verrückten Gedanken Sorgen. Und was für verrückte Gedanken das sind. Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, wie er damals war, und noch mehr quält mich der Gedanke, wie er jetzt ist und wie er mit alledem zurechtkommt, was ihm zugestoßen ist. Unfassbar, dass er wirklich dachte, ich würde mich darüber freuen, ihn so zu sehen. Kennt er mich denn so wenig? Als würde ich Freude empfinden können über seine Narben, seine Verletzungen und die bleibenden Schäden. Egal, wie sehr ich es möchte, ich bekomme diese Bilder nicht aus dem Kopf. Jan, wie er mich dunkel und gequält ansieht, ein Schatten seiner selbst und wie er mich stehen lässt, um mit seinem lahmen Bein von mir wegzugehen. Ich sollte es nicht so an mich heranlassen. Es ist immerhin fast vier Jahre her und doch zerreißt es mich, ihn so zu sehen, zu ahnen, wie verzweifelt und frustriert er sein muss. Ich kenne ihn. Das ist nichts, was er einfach so wegstecken kann. Für Jan war die Welt immer ein Ort, der zu sagen schien: „Komm, nimm dir, was du willst, und genieße es.“ Und das hat er auch getan. Nur jetzt ist alles anders.

      Ich fühle mich schuldig, wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie oft mich die Unterschiede zwischen uns geärgert haben. Ich war im Vergleich mit ihm nur Durchschnitt, während er das Leben aus der Perspektive der Gewinner betrachten konnte. In meinem Fall sagte man Dinge wie: Sie kommt gut zurecht. Während er erfolgreich war. Denn als das mit uns anfing, war ich zweiundzwanzig, ging noch auf die Hochschule für Hotelfachmanagement, die für meine Familie fast schon zu teuer war, und musste mir meinen Lebensunterhalt mit Jobs bei Cateringfirmen und als Garderobiere verdienen. Jan dagegen hatte damals sein Architekturstudium gerade hinter sich und konnte durch Beziehungen eine Traineestelle in einem sehr angesehenen Architekturbüro bekommen. Ich komme aus einer stinknormalen, wundervollen Familie. Jan kommt aus sogenanntem gutem Haus und musste sich um so etwas wie Geld nie Sorgen machen, auch wenn die Beziehung zu seinen Eltern nicht vergleichbar war mit dem Band, das mich mit meiner Familie verbindet. Meine wenigen Freunde waren damals so gut wie allesamt vom Land – wie ich – und arbeiteten nebenher, um in ihrem Beruf oder im Studium weiterzukommen. Jans Freunde kamen aus der Stadt, hatten ererbte oder geschenkte Eigentumswohnungen – vorzugsweise im ersten Bezirk – oder kamen aus der näheren Umgebung Wiens. Sie schwänzten ihre Vorlesungen, wechselten ihre Ausbildungs- und Jobgelegenheiten wie ich Sommer- und Wintergarderobe und gingen drei- bis viermal die Woche auf Partys oder in die besten Clubs der Stadt. Jan war viele Dinge, die ich nie sein würde. Das wusste ich von Anfang an. Oft hatte ich damit zu kämpfen, vor allem mit seinen versnobten Freunden oder mit seiner lockeren und sehr selbstbewussten Einstellung zu vielen Dingen, die ich sehr ernst nahm. Doch wenn wir alleine waren, wenn es nur um uns ging, war Jan der wundervollste Liebhaber, der beste Freund und der Mensch, der mir gezeigt hat, dass man Freude im Leben haben soll, auch wenn unsere Schwächen letzten Endes dazu geführt haben, dass wir es als Paar nicht geschafft hatten. Mit diesem Mann hatte ich die schönsten und schlimmsten Monate meines Lebens. Kaum zu glauben, dass er jetzt nicht mehr dieser Mann sein soll und vielleicht sogar nie wieder sein wird. Der Gedanke bereitet mir Magenschmerzen. Ich ertrage das nicht. Ich muss mich aufsetzen und die Decke wegschlagen. Heute Nacht werde ich ohnehin kein Auge zutun.

      Gefährliche Gedanken beginnen sich in meinem Kopf zu formen. Schon die bloße Vorstellung ist total verrückt, aber es ist genau das, was ich will. Ich will, dass Jan wieder so ist, wie er einmal war. Ich kann nicht zulassen, dass Jan so weitermacht und der bleibt, den er mir heute Abend gezeigt hat. Eigentlich sollte ich das nicht wollen. Doch wenn es um ihn geht, war ich immer schon unvernünftig. Dabei bin ich für meine Vernunft und meine Kontrolle, besonders in meinem Job als Veranstaltungsmanagerin eines Hotels, bekannt. Der Geschäftsführer, Herr Peters, hat mir in unserem letzten Jahresgespräch versichert, dass er noch nie eine so junge Angestellte in dieser Position – mit gerade mal sechsundzwanzig Jahren – hatte, die ihren Job mit so viel Professionalität und Können bewältigt hat. Ich bin froh, dass niemand bei der Arbeit meine Gedanken lesen kann, denn wenn sie wüssten, wie absolut unvernünftig und gefährlich meine Gedanken gerade sind, würden sie mich nicht wiedererkennen. Und doch sind sie da und hämmern gegen meinen Schädel. Ich möchte für Jan das tun, was er, ohne sein Wissen, für mich getan hat. Jan hat mich vor vier Jahren aus meinem schüchternen Schneckenhaus befreit, mir gezeigt, wie ich mit jemandem sein kann, dem ich vertraue und der mich Vergnügen auf eine ganz neue, aufregende Art erfahren hat lassen. Jan hat mir beigebracht, was Intimität ist und wie sich guter Sex anfühlt. Fast alles, was ich an weiblichem Selbstbewusstsein besitze, geht trotz allem auf Jans Konto. Und nun ist er von Narben gezeichnet, er, bei dessen Anblick die Frauen schwache Knie und feuchte Höschen bekamen – selbst die schönsten. Ausgerechnet er ist gezwungen, mit einem kaputten Bein zu leben, er, der immer so stark und sportlich war. Der beim Marathon seine Spitzenzeit mit einer Sektdusche gefeiert hat. Ich kenne ihn. Gut genug. Ich weiß, dass er sich so nicht akzeptieren kann, dass es ihn umbringt, so angesehen zu werden und nicht die Leistung bringen zu können, die ihm immer so mühelos gelang. Seine Aggressivität mir gegenüber hat es gezeigt. Jan erträgt es nicht, so zu sein, wie ihn der Unfall hat werden lassen, und er schlägt um sich, weil er sich nicht selbst akzeptieren kann. Ich weiß nicht genau, seit wann er sich auf dieser Abwärtsspirale aus Selbsthass und Ablehnung befindet, aber ich weiß aus

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