Liebe auf den zweiten Blick - Insulaner küssen anders. Mira Schwarz
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Sie hatte das alles total cool gefunden, als sie sich ihren weiteren Lebensweg aufgemalt hatte. Luisa Tanner als Boutique-Chefin, Luisa Tanner als Gourmet-Fachfrau oder doch lieber als Innenarchitektin.
Stattdessen öffnete sich gerade ein tiefes, schwarzes Loch. Ach herrje, so hatte sie sich das alles nicht vorgestellt.
Hey, Luisa, wach auf du kannst nicht gleich erwarten, dass alles rund läuft, redete sie sich ein. Wenigstens das Muttersöhnchen bist du los. Und was hatte Frau Buddenschön eben gesagt: »›Andere Mütter haben auch schöne Söhne‹«.
Wie wahr.
Zwei Menschen waren für eine Weile zusammen gewesen, doch für wahre Liebe hatte es eben nicht gereicht. Schwamm drüber, die Sache war gegessen!
Luisa nahm ihr Handy zur Hand und wählte die Nummer ihrer Schwester, die bereits nach dem dritten Klingeln den Hörer abnahm.
»Hi Schwesterchen, na bist du den Typen endlich los?« Katharina hatte sich ihre Direktheit bewahrt. So war sie damals schon gewesen.
»Hallo Kati, ja bin ich, in der Tat. Jetzt hänge ich allerdings hier ab und weiß nicht recht, wie's weitergehen soll.«
»Ist völlig normal«, meinte ihre Schwester, »du bist gerade frisch geschieden, entweder du gibst dir heute Abend die Kante oder du gehst ins Kino und siehst einen supersüßen Film bei dem du richtig Heulen kannst. Hilft immer, garantiert! Danach bist du wieder die alte Luisa, wirst sehen.«
Katharina war, was Männer und andere Dramen betraf, völlig schmerzfrei. Sie verdiente als Model sehr gut. Probleme mit Männern waren ihr fremd – brauchte sie einen, nahm sie ihn sich einfach, huschte mit ihm ins Bett und gut war es. Keine Eifersuchtsszenen, keine Seelenqualen. Ein Quickie pro Monat reichte ihr aus. Sie sah die Typen nie wieder.
Warum auch?
Doch genau in diesem Punkt waren die beiden Schwestern grundverschieden. Es wäre nicht Luisas Ding gewesen. Sie war immer die Bodenständigere von beiden – Katharina eher der Luftikus, Luisa hinterfragte – Katharina genoss das Leben!
»Hey Süße, schwing dich doch einfach in den Flieger und komm zu mir nach Paris. Ich habe morgen frei, dann kommt die Show bei Gaultier und danach Vivien Westwood – und danach geht es erst nach London und dann nach New York. Also, was ist – sei doch mal spontan, Menschenskind! Du warst doch nie ein Depi, hm?«
»Nee, lass mal stecken, Kati!« Luisa schnaufte hörbar durch. »Ich muss erst mal den Kopf freibekommen. Aber hab Dank für dein zaubersüßes Angebot. Ich werde es im Hinterkopf abspeichern – schließlich habe ich meine Schwester noch nie auf dem Laufsteg gesehen. Asche über mein Haupt!«
»Na ja, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.«
Katharina war es sowieso egal. Sie hatte ihrer Schwester einen Vorschlag unterbreitet – ob sie diesen nun annahm oder nicht, war nicht ihr Problem. Sie hatte wenig Lust Luisas Probleme an sich heranzulassen.
»Augenblick Kati, da kommt ein neues Gespräch rein. Warte mal eben!« Luisa hielt Katharina in der Warteschleife und meldete sich »Ach, hallo, Mama! Ja, nee … warte mal, ich habe Katharina auf der anderen Leitung.«
»Du Kati, ich muss Schluss machen. Mama ist auf der anderen Leitung. Ich habe dich lieb, Schwesterherz!«
»Ich dich auch«
Sie war froh, auch ihre Mutter zu sprechen. So würde sie die Geschichte nicht noch dutzende Male wiederholen müssen.
»Sag mal, war das Katharina? Ihr sprecht wieder miteinander? Das überrascht mich jetzt aber?«, meinte ihre Mutter.
Luisa nervte das. Wieder die alte Leier, nur weil ein einziges Mal Knatsch zwischen den beiden Schwestern geherrscht hatte. Wieso mussten immer wieder die alten Kamellen hergeholt werden.
»Guten Morgen, Mutter. Ja, meine Scheidung ist durch. Ja, sie ist gut verlaufen. Ja ich bin traurig. Nein, ich heirate nicht wieder (jedenfalls nicht sofort, fügte Luisa im Stillen hinzu).« Sie seufzte leise. »Aber zu deiner Frage - ja, natürlich reden Katharina und ich miteinander, wieso auch nicht?«
Ihre Mutter schnüffelte. »Also, da will man seine Tochter unterstützen in ihrer Trauer, in ihrer Machtlosigkeit … und wird beschimpft … also Luisa wirklich … ich schreibe das jetzt mal dem Stress des heutigen Tages zu«
Luisa, die mittlerweile leicht ihre Stimme erhoben hatte, wurde das viele Geplänkel langsam lästig. Sie liebte ihre Mutter, ohne Frage, aber gerade in diesem Moment schaffte sie es nicht auch nur einen einzigen Vorwurf auszuhalten. Es war einfach nur … im Augenblick verbreitete ihre Mutter ganz schlechtes Karma und Luisa beeilte sich, sie aus der Leitung zu schmeißen.
»Mutter, gibt es noch etwas Wichtiges? Wenn dem nicht so ist würde ich dich gern heute Abend zurückzurufen, ehrlich gesagt bin ich ein bisschen platt von dem Tag. War ja nicht gerade ein Kaffeekränzchen.«
»Ach, mein armes Kind!«
»Sorry, Mom, aber ich …«
»Nein, schon gut, leg dich hin und versuch einen klaren Kopf zu bekommen. Solche Tage hat man manchmal, aber auch die gehen vorbei. Vielleicht solltest du einfach mal etwas Dampf ablassen.«
»Danke, Mum.«
Puh! Erst mal durchatmen, dann warf Luisa mit voller Wucht die Kaffeetasse gegen die Wand.
Scheiße! Die ganze Welt hatte sich gegen sie verschworen. Luisa tat sich selbst unglaublich leid. Reichte es denn nicht, dass sie gerade einen Rosenkrieg überstanden hatte. Was hatte ihre Mutter ihr empfohlen? Dampf ablassen. Klang gar nicht schlecht.
Mist! Sie begann zu weinen. Ja, vielleicht hätte sie nicht auf den Unterhalt verzichten sollen. Doch was hätte sie machen sollen, immerhin ging es so schneller.
Immerhin hatte sie sich diese Entscheidung mehr als einmal überlegt – sie wollte einfach keine Bittstellerin mehr sein! Sie hatte Rückgrat beweisen wollen, zeigen wollen, dass sie eine selbstbewusste Frau war die mitten im Leben stand! Sie brauchte das Geld dieses verzogenen Muttersöhnchens von Ehemann nicht.
Luisa hatte vor ihr Leben ab jetzt selbst auf die Reihe zu kriegen. Jawohl! Wie das funktionieren sollte, war Luisa noch ein Rätsel – doch Rätsel waren dazu da, gelöst zu werden. Manchmal neigte Luisa zu Reaktionen, die ihr binnen Sekunden leid taten – diese könnte dazugehören. Luisa hatte viele sogenannte Freunde besessen. Wo waren die plötzlich alle, als es darum ging ihr zu helfen?
Ja, als sie noch die Yuppie-Tante aus dem vornehmen Blankeneser Stadtteil war, da hatten natürlich alle ihr »Sugar-Girl« gern gehabt. Doch jetzt zog die »Clique« einfach weiter – immer dahin, wo jemand einen auf dicke Hose machte. Und da waren sie garantiert richtig bei Mark und weitaus besser aufgehoben als bei Luisa die irgendwo im Stadtteil St. Pauli hauste.
Luisa musste sich eingestehen, dass die Menschheit einfach nicht mehr berechenbar war und selbstredend den einfachsten Weg nahm. Warum sich auch belasten mit den Problemen anderer Leute? Dieser ganze Schickimicki-Mist hing ihr sowas von zum Halse raus. Wie hielt Mark das aus – jeden Abend auf der Piste?
Luisa legte sich auf das Bett und ließ den Tag noch einmal