Das Zwillingsparadoxon. Ron Müller

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Das Zwillingsparadoxon - Ron Müller

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Steiner zu diesem Termin gebeten.«

      »Ach ja?« Steve behielt die Beherrschung nur mit Mühe. »Sie können ja auch noch einen Kurzvortrag über den Spreewald halten. Geht’s ihnen eigentlich noch gut?! Ich dachte, der Kern einer Erbschaft wäre, etwas zu erben. Stattdessen verschwenden Sie nur unsere Zeit.«

      »Herr Geiger! Es lässt sich nicht ändern.«

      »Stimmt. Doch es steht nirgendwo im Testament, dass wir uns das hier weiter anhören müssen.«

      »Sie sollten aber.« Steiner verzog keine Miene.

      »Sagen Sie mir einen Grund.«

      »Ihre Familie wird in den nächsten Wochen das Haus verlieren.«

      »Was?« Fassungslos ließ sich Steve zurück in den Stuhl fallen.

      »Mit dem Versterben meines Mandanten«, begann Steiner, »wurde ich beauftragt, Sie nach der Eröffnung des Testaments über Folgendes zu informieren. Am 4. Juli jährt sich zum zweiten Mal das Gründungsdatum der Stiftung meines Mandanten. Bislang ruhte diese. Das soll sich mit seinem Tod ändern. In diese Institution flossen sämtliche finanziellen Mittel, die er vor seiner Eheschließung mit Ingeborg Geiger gebildet hatte. Hierzu zählt eben auch das Haus, in welchem Doktor Geiger bis zuletzt wohnte. Mit Kaufdatum aus dem Jahr 2002 ist es dem Stiftungsvermögen zuzuordnen und wurde mit einem Wert von fünfhundertfünfzigtausend Euro veranschlagt.«

      »Mutter, warum sagst du nichts?!« Steves Wut rieb sich an seiner Hilflosigkeit auf. »Was ist mit den Pflichtteilen? Die stehen uns doch zu.«

      Ingeborg reagierte nicht.

      »Das ist richtig. Aber die Masse des Vermögens ist vor der Ehe entstanden und bei Ihrem Teil der Erbschaft nicht zu berücksichtigen, da diese Mittel bereits vorletztes Jahr in das Stiftungskapital geflossen sind. Sie sind erst spät die Ehe eingegangen. Die zwei Jahrzehnte, in denen Sie vor der Heirat zusammenlebten, wirken sich an dieser Stelle leider zu Ihren Ungunsten aus.«

      »Wie kann mein Vater ohne Mutters Wissen einfach das Testament ändern? Dagegen muss es doch Gesetze geben!«

      »Der unterzeichnete Ehevertrag regelt ausdrücklich, dass mein Mandant über das Vermögen, das sich vor der Eheschließung angesammelt hatte, zu jedem Zeitpunkt frei verfügen konnte.«

      »Mein Mandant? Hören Sie auf mit dem Gerede. Hier geht es um keinen Mandanten. Hier geht’s um unseren Vater!«

      »Von welcher Summe sprechen wir?«, fragte Ingeborg zaghaft, aus Angst, von der Antwort erschlagen zu werden.

      »Achthunderttausend.«

      »Achthunderttausend«, wiederholte sie.

      »Ihr Mann war vor der Ehe rund zwanzig Jahre Inhaber einer gut gehenden Praxis.«

      »Ich weiß.« Sie wirkte nicht vollständig anwesend. »Was ist das für eine Stiftung? Wem gehört sie?«

      »Sie ist eine juristische Person. Damit gehört sie niemandem. Sie ist nur ihrem Zweck und somit dem Stiftungsvertrag verpflichtet.«

      »Und wie sieht der Zweck aus?«

      »Darüber wurde Stillschweigen vereinbart.«

      »Was machen Sie dann hier, wenn Sie uns nichts zu sagen haben?«, fragte Ingeborg.

      »Sie sollten stolz auf ihren Mann sein! Bald wird sein Name und damit auch Ihrer in aller Munde sein«, antwortete Steiner.

      11

      Neben Martin schlug etwas splitternd gegen die Garagenwand, an deren Ende er sich versteckte. Erschrocken duckte er sich noch tiefer hinter den Zaun. Erst jetzt erkannte er, dass es eine Flasche war.

      Das war knapp.

      Nur einen Moment hatte er nicht achtgegeben und auf das Handy gesehen. Eine Nachricht aus der Redaktion mit der Adresse des Besitzers der KTM, die nun aus der Ausfahrt donnerte. Das ersparte Martin ein ungleiches Rennen mit seinem Passat in einem verwinkelten Viertel.

      Seit er Henning verfolgte, schien dieser zu angespannt für ein Interview. Er sollte ihm etwas Zeit lassen.

      Zwei Stunden später drückte er auf die Klingel.

      Martin war ein gut aussehender Mann Ende zwanzig. Dezent zu große und damit insgesamt lässig wirkende Jeans in Verbindung mit einem Sechzig-Euro-Hemd, plus passendem Pullunder. Früher ganz erfolgreich bei den Frauen.

      »Herr Geiger?«

      »Herr Geiger war mein Vater. Sagen Sie Henning

      »Sie haben mich womöglich bei der Beerdigung gesehen.« Er hielt einen ramponierten Presseausweis in den Fingern.

      Henning schüttelte den Kopf.

      »Macht nichts. Wir sollten uns trotzdem unterhalten.«

      »Kein Interesse.«

      »Wir bringen einen längeren Beitrag über Ihren Vater. Wenn Sie uns helfen, könnten Sie auf den Text Einfluss nehmen.«

      »Ist mir egal.« Henning war im Begriff, dem ungebetenen Gast die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

      »Ich mache Sie aber auch zum Thema«, warf Martin durch den verbleibenden Türspalt ein.

      »Sie kennen mich doch gar nicht.«

      »Ja, aber irgendetwas muss gedruckt werden. Und sobald mein Chef sagt, schreib was über Geigers Sohn, dann schreibe ich etwas über Geigers Sohn. Halten Sie es da nicht für vernünftiger, wenn wir kurz reden, bevor ich einen x-beliebigen Nachbarn befrage und Unsinn verfasse?«

      Könnte es sein, dass der Tod Ihres Vaters kein Unfall war?«

      Henning zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.« In der Hand hielt er einen langen dünnen Stab mit einer in Plastik eingefassten Rasierklinge am unteren Ende. Ruhig schabte er damit die Algen von den Innenseiten seines Aquariums. Grünalgen, ein überschaubares Problem für das Biotop. Nicht zu vergleichen mit den Kieselalgen, die angeblich völlig unproblematisch von allein verschwinden sollten, deren Auswirkung letztendlich aber doch im Juni die halbe Belegschaft des Beckens dahingerafft hatte.

      »Vielleicht hab ich mich falsch ausgedrückt. Wir glauben nicht, dass er umgebracht wurde. Es steht eher im Raum, ob es Suizid war. Hatte er sich in der letzten Zeit merkwürdig verhalten? Wie nah standen Sie ihm denn?«

      »Sie halten mich wohl für bescheuert. Wenn ich jetzt sagen würde, dass mir der Alte am Arsch vorbei ging, dann finde ich das morgen in der Zeitung wieder. Also behalte ich meine Gedanken besser für mich und mache einen trauernden Gesichtsausdruck. Haben Sie gesehen? Zwei Honigguramis. Vergangenen Monat hat das Männchen ein Schaumnest gebaut, aber irgendwie stellt es sich beim Aufreißen des Weibchens immer zu blöde an. Tja, er bekommt die PS einfach nicht auf die Straße.«

      »Wir haben nicht vor, jede Info gleich abzudrucken. Ehrlich gesagt fehlt uns der rote Faden bei dem, was am Abend in der Pflegeeinrichtung passiert ist. Wir wissen kaum etwas über den Unfall und wir kennen Ihren Vater nicht. Und die Sache mit den Patienten, die mit ihm gestorben

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