Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Aus alledem ergibt sich, dass der Richter von einem Sachverständigengutachten abweichen kann, wenn er von dessen Richtigkeit nicht überzeugt ist. Ergeben sich beispielsweise aus dem Gutachten genügend Anknüpfungstatsachen für eine abweichende Bewertung der Frage der freien Willensbestimmung, ist das Gericht nicht an einer abweichenden Bewertung gehindert.[11] Allerdings berechtigt die dem Amtsrichter obliegende sorgfältige und kritische Überprüfung des Sachverständigengutachtens im Umkehrschluss nicht, die Äußerungen des Sachverständigen einfach sang- und klanglos beiseite zu schieben. Sofern das Gericht einem Gutachten nicht zu folgen beabsichtigt, muss es seine abweichende Überzeugung ausreichend begründen und hierbei erkennen lassen, dass die eigene Beurteilung nicht von mangelnder Sachkunde beeinflusst ist.[12] Der BGH führte hierzu in der obengenannten Entscheidung das Nachstehende aus:
Das Gericht ist zwar nicht gehindert, eine vom Ergebnis des Gutachtens abweichende Bewertung auch zur Frage der freien Willensbestimmung vorzunehmen, wenn sich aus dem Gutachten genügend Anknüpfungstatsachen für eine abweichende Bewertung ergeben (vgl. OLG München FGPrax 2007, 267, 268). Will der Tatrichter allerdings einem Sachverständigengutachten nicht folgen, muss er eine von dem eingeholten Sachverständigengutachten abweichende Beurteilung in seiner Entscheidung sachkundig und ausführlich begründen.“
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Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die sorgfältige und kritische Würdigung des Sachverständigengutachtens ein Kernstück richterlicher Tätigkeit im Rahmen eines anhängigen Betreuungsverfahrens ist.
Anmerkungen
BayObLG BtPrax 1994, 59; KG FamRZ 1995, aaO, 1379, 1381; BayObLG BtPrax 2002, 121; BtPrax 2001, 166; FamRZ 2001, 1403; OLG Brandenburg FamRZ 2001, 38; BGH BtPrax 2011, 129 = FamRZ 2011, 637
BayObLG FamRZ 1994, 720; FamRZ, 1403, 1404; BtPrax 2002, 121.
BayObLG BtPrax 1993,
Nedopil/Müller S. 406 ff.
Nedopil/Müller S. 410.
Nedopil/Müller S. 411; Jurgeleit/Bucic Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 675.
OLG Köln OLG Report 2005, 680
BGH NJW 1989, 2948, 2949.
BayOblG BtPrax 2002, 121
LG München I FamRZ 2007, 2008.
BGH FamRZ 2016, 452 Rn. 9.
BayObLG FamRZ 1994, 720, 721; OLG München FamRZ 2009, 2033.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VII. Das Sachverständigengutachten › 9. Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens
9. Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens
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Sachverständigengutachten sind der betroffenen Person vor der richterlichen Anhörung kostenfrei, vollständig, schriftlich und rechtzeitig zugänglich zu machen.[1] Dies folgt bereits aus Art. 103 Abs. 1 GG.[2] Die Übersendung des Gutachtens an den Verfahrenspfleger allein genügt nicht.[3] Ein rechtsstaatliches Verfahren verlangt, dass keine wesentlichen Entscheidungen hinter dem Rücken der betroffenen Person gefällt werden. Der Zweck der vorherigen Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens an den Betroffenen besteht darin, diesen vor gerichtlichen Überraschungsentscheidungen zu schützen.
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Beispiel
Die für Doris Z. zuständige Amtsrichterin führt im Rahmen eines anhängigen Betreuungsverfahrens im Krankenhaus einen Anhörungstermin durch. Bei dieser Gelegenheit erläutert sie Frau Z. im Groben den Inhalt des bereits seit längerem vorliegenden Sachverständigengutachtens, welches Frau Z. nicht übersandt wurde. Die Vorgehensweise der Amtsrichterin ist verfahrensfehlerhaft. Eine mündliche Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des Gutachtens oder aber eine Zusammenfassung reicht nicht.
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Von einer Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens kann nur dann abgesehen werden, wenn zu befürchten steht, es könne hierdurch zu einer Gesundheitsgefährdung des Betroffenen kommen oder wenn dieser nach dem unmittelbaren Eindruck des Gerichtes offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun, § 288 Abs. 2 FamFG.[4] In einem solchen Fall ist dann jedoch stets erforderlich, einen Verfahrenspfleger zu Gunsten des Betroffenen zu bestellen, worauf im Weiteren noch einzugehen sein wird.[5]
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Checkliste Überprüfung einer Sachverständigengutachtens
Für die Überprüfung eines Sachverständigengutachtens empfiehlt sich folgende Checkliste:
1. | Hat der ernannte Sachverständige verantwortlich unterzeichnet? |
2. | Sind alle Fragen aus der Beweisanordnung beantwortet worden? – Soweit keine ausdrückliche Beantwortung erfolgt ist: Ist dies aus der Beantwortung der anderen Beweisfragen begründet? |
3. | Sind die persönlichen Daten des Betroffenen richtig wiedergegeben? |
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