Examens-Repetitorium Familienrecht. Martin Lipp
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Aus der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie folgt notwendig die rechtliche Abgrenzung der Ehe zu anderen Formen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften (Abstandsgebot). Die Ausdehnung statusrechtlich begründeter Schutz- und Förderungsregelungen auf nichteheliche Gemeinschaften ist ausgeschlossen. Eine analoge Anwendung eherechtlicher Vorschriften auf solche Lebensformen kommt nur dort in Betracht, wo der Anknüpfungspunkt der einzelnen Vorschriften nicht gerade das eherechtliche Band (und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen, vgl. z.B. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 2) ist, sondern etwa das Faktum eines räumlichen Zusammenlebens oder das aus einer persönlich-häuslichen Lebensgemeinschaft herrührende Vertrauen auf die Beibehaltung des bisherigen Mittelpunktes der Lebens- und Wirtschaftsführung. Es berührt deshalb nicht die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Ehe, wenn dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Eintritt in ein Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 2 S. 3 möglich ist (vgl. oben Fall 1),[50] oder wenn der BGH den Regressausschluss des Versicherers gegen Familienangehörige des Versicherungsnehmers gemäß § 67 Abs. 2 VVG a.F. analog auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft angewandt hat.[51] Eine Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG ist nichtehelichen Partnerschaften dagegen versagt. Eine mit Art. 6 Abs. 1 GG inhaltlich übereinstimmende andere (einfach-rechtliche) Form einer statusrechtlichen Verfestigung lässt sich für sie auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG oder aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt zwar auch die von der Ehe abweichenden Formen des Zusammenlebens. Es folgt daraus aber keine Pflicht des Gesetzgebers, hierfür eigene, quasi-eherechtliche Bestimmungen zur Verfügung zu stellen, zumal nichteheliche Lebensgefährten gerade (noch) keine Ehe eingehen wollen.
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Wenn sich A und B deshalb (vgl. oben Fall 1) gegen die Steuerprivilegierung von Ehegatten (Ehegattensplitting) wenden, so können sie sich jedenfalls für ihre Lebensgemeinschaft nicht auf den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Denn ihre Lebensgemeinschaft ist keine „Ehe“. In Betracht kommt allenfalls ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und eine unzulässige Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), wobei dann zu fragen ist, an welchen Tatbestand die strittige Regelung ihrem Sinn und Zweck nach anknüpft. Ist dieser Tatbestand die „Ehe“ gerade als statusrechtlich verfasste Gemeinschaft – so bei der ehemals steuerlichen Zusammenveranlagung von Ehegatten[52] – und nicht die Ehe als eine (bloß) tatsächlich gelebte Gemeinschaft, so handelt es sich nicht um „Gleiches“, das nach Art. 3 Abs. 1 GG gleich behandelt werden müsste.[53]
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Ob die künftige Rechtsentwicklung diesen heute noch ganz herrschenden Standpunkt bestätigen wird, ist unsicher. Grund dafür ist die Rechtsprechung des EGMR, der seine Judikatur zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften teilweise geändert hat. Er nimmt (bislang nur insoweit) an, dass auch eine stabile de-facto-Partnerschaft den Schutz des Art. 8 EMRK („Familienleben“) genieße (Rn. 26); es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass Gleiches irgendwann für Art. 6 Abs. 1 GG vertreten wird.
c) Eingetragene Lebenspartnerschaften
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Vor bzw. bis zur Einführung der „Ehe für alle“ hatte der Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Paaren mit dem LPartG[54] die Möglichkeit eröffnet, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft war keine Ehe i.S.v. Art. 6 Abs. 1 GG; sie stellte ihr gegenüber ein „aliud“ dar. Für die Betroffenen ging es um die Konkretisierung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG im Sinne eines eigenständigen familienrechtlichen Status.[55] Das BVerfG hatte das LPartG als verfassungsmäßig erachtet.[56] Durch die Regelungen des LPartG wurde die eherechtliche Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG nicht berührt,[57] denn die Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten wurden nicht geändert, und aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich kein Benachteiligungsgebot für andere Partnerschaften ableiten.[58] Ehegatten dürfen nur in vergleichbaren Situationen nicht schlechter gestellt werden als andere Partner einer Lebensgemeinschaft.[59]
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Gemessen daran entscheidet sich auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs[60] (Fall 1), der nur Ehegatten trifft. Der Versorgungsausgleich ist verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich, weil er die (nur) mit der Ehe verbundene, grundsätzlich lebenslängliche (auch rechtliche) Mitverantwortung für den Partner im Hinblick auf dessen Altersversorgung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise näher konkretisiert.[61]
Erster Teil Grundlagen › § 2 Verfassungsrechtliche Implikationen › I. „Ehe“ › 3. Art. 6 Abs. 1 GG als „klassisches“ Grundrecht – Abwehr staatlicher Eingriffe
3. Art. 6 Abs. 1 GG als „klassisches“ Grundrecht – Abwehr staatlicher Eingriffe
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Art. 6 Abs. 1 GG gewährt Ehegatten ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Maßnahmen, die unzulässig in die „Ehe“ eingreifen.[62] Gewährleistet wird insbesondere die Freiheit der Entscheidung zur Eheschließung, die freie Wahl des Partners,[63] und die Freiheit der Ehegestaltung. Schutzgut ist nicht nur die Ehe als statusrechtliches Institut (dazu Rn. 127), sondern die konkrete, im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Strukturen gelebte und autonom gestaltete Lebensgemeinschaft.[64] Seinen spezifischen Eigenwert erlangt das Grundrecht durch die Möglichkeit der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft bzw. in wechselseitiger Selbstbindung durch gegenseitige Verantwortungsübernahme.[65]
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Liegt der mögliche staatliche Eingriff in die eheliche Lebensgemeinschaft in einer Ausweisung eines ausländischen Ehegatten (Fall 1), so ist Prüfungsgegenstand für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Ausländerbehörden (vgl. Rn. 19) deshalb nicht, ob die Ehegatten ihre Ehe „schlechthin und irgendwo“ fortzuführen in der Lage sind (Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Ehe außerhalb Deutschlands), sondern die Frage, ob durch die Ausweisung des Partners die in Deutschland konkret gelebte Ehegemeinschaft in unzulässiger Weise (Art. 6 Abs. 1 GG) beeinträchtigt wird. Eine Gefährdung des Bestands der Ehe kann deshalb nicht schon deshalb verneint werden, weil es dem Ehegatten des Auszuweisenden regelmäßig zuzumuten sei, seinem Partner zu folgen.[66] Gegen den in der Ausweisung liegenden grundgesetzwidrigen Eingriff (Art. 6 Abs. 1 GG) kann sich sowohl der betroffene (ausländische) Ehegatte (Menschenrecht[67]) wie sein Partner als in eigenen Rechten verletzt (Art. 6 Abs. 1 GG) wenden.[68] Die Ausrichtung des Grundrechtsschutzes an der konkreten Lebensgemeinschaft bedeutet andererseits, dass ein aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitetes Aufenthaltsrecht nur so lange Bestand haben kann wie die