Examens-Repetitorium Familienrecht. Martin Lipp
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Auch in der Abwandlung von Fall 2 kann sich A auf den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG berufen, weil er für sein Kind maßgebliche Familienfunktionen wahrnimmt, nämlich das Umgangsrecht des Kindes (§ 1684 Abs. 1) als grundlegende Aufgabe im Kernbereich der Familie (Erziehungsgemeinschaft für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes). Dass er mit seinem Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, schließt den Familienschutz des Art. 6 Abs. 1 GG für ihn nicht aus.[108]
Erster Teil Grundlagen › § 2 Verfassungsrechtliche Implikationen › III. „Eltern“ und „Elternrecht“
III. „Eltern“ und „Elternrecht“
Erster Teil Grundlagen › § 2 Verfassungsrechtliche Implikationen › III. „Eltern“ und „Elternrecht“ › 1. Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und elterliche Sorge (§§ 1626 ff.)
1. Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und elterliche Sorge (§§ 1626 ff.)
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Die elterliche Sorge (§ 1626) ist der bedeutendste Bestandteil des durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG anerkannten Elternrechts. Aber dieses beschränkt sich nicht auf die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und ist deshalb von ihr streng zu trennen. Ein Elternteil, dem das Sorgerecht teilweise oder ganz entzogen wurde (§§ 1666 Abs. 3 Nr. 6, 1666a Abs. 2), bleibt dennoch Inhaber und Adressat des Elternrechts i.S.d. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Das zeigt sich etwa darin, dass auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt bleibt (§ 1684 Abs. 1 Hs. 2), dass ihm unter bestimmten Voraussetzungen Entscheidungsbefugnisse gegenüber dem Kind zustehen (§ 1687a) oder dass zur Adoption seines Kindes auch seine Einwilligung erforderlich ist (§ 1747 Abs. 1). Insoweit verbleibt es unabhängig von der Sorgeberechtigung und über die Volljährigkeit von Kindern hinaus bei einer grundsätzlich unentziehbaren und unaufgebbaren Verantwortung, die bleibend an den Status der Elternschaft i.S.d. Art. 6 Abs. 2 GG anknüpft. Dieses Elternrecht erkennt Art. 6 Abs. 2 GG als das „natürliche Recht“ der Eltern an. Grundrechtsdogmatisch bedeutet dies, dass das Elternrecht nicht vom Staat verliehen ist, sondern von diesem als ein ihm vorgegebenes Recht in Art. 6 Abs. 2 GG anerkannt wird.[109] Das Elternrecht wirkt auf die (verfassungskonforme) Auslegung der familienrechtlichen Sorgerechtsvorschriften zurück. Dies hat zu einer grundlegenden Änderung der Regelungen zur gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern geführt: während es das BVerfG zunächst noch für angemessen erklärt hat, dass der Vater bei nicht miteinander verheirateten Eltern nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erlangen konnte,[110] hat der EGMR in dieser Regelung einen Verstoß gegen Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 8 EMRK gesehen.[111] Darauf änderte das BVerfG seine Auffassung und erklärte §§ 1626a Abs. 2, 1672 a.F. für verfassungswidrig.[112] Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern[113] zum 19.5.2013 (vgl. nunmehr §§ 1626a, 1671) waren die Gerichte infolge der Entscheidung des BVerfG übergangsweise verpflichtet, dem Vater die Alleinsorge zu übertragen, wenn eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kam und zu erwarten war, dass die Übertragung der Alleinsorge auf den Kindesvater dem Kindeswohl am besten entspricht.[114]
Erster Teil Grundlagen › § 2 Verfassungsrechtliche Implikationen › III. „Eltern“ und „Elternrecht“ › 2. „Eltern“
2. „Eltern“
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„Eltern“ i.S.d. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und damit Träger des Elternrechts sind grundsätzlich die Eltern im Rechtssinne (§§ 1589, 1591, 1592; §§ 1741, 1754, 1755). Das Elternrecht steht also den Eltern eines ehelichen wie nichtehelichen Kindes – ohne Rücksicht auf die Sorgeberechtigung – in gleicher Weise zu.[115] Eltern im Rechtssinne und damit Träger des Elternrechts sind auch gleichgeschlechtliche Ehegatten oder Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, wenn sie durch Abstammung oder Adoption (Stiefkindadoption, § 1741 Abs. 2 S. 3, 1749 Abs. 1, § 9 Abs. 7 LPartG; Sukzessivadoption) die Elternstellung erlangt haben.[116] Das Elternrecht steht dagegen weder einem Stiefelternteil, Großeltern noch Pflegeeltern oder sonstigen Dritten zu, die sich um das Kind kümmern.[117] Auch dem biologischen Vater eines Kindes steht neben dem Vater im Rechtssinne, der eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind pflegt, das Elternrecht nicht zu; für ihn ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG aber die Gewährleistung eines verfahrensrechtlichen Zugangs zum Elternrecht.[118] Die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität des Verfahrens zur Erlangung der rechtlichen Vaterstellung setzt voraus, dass der leibliche Vater, der bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hat, durch die rechtzeitige Einleitung eines gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens auch tatsächlich in die rechtliche Vaterstellung einrücken kann, auch wenn zwischenzeitlich ein anderer Mann die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter wirksam anerkannt hat.[119]
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Im Übrigen hält das BVerfG allerdings an dem Grundsatz fest, dass eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu einem rechtlichen Vater einer rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater entgegensteht.
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Früher hat das BVerfG außerdem ein Umgangsrecht des biologischen Vaters verneint, selbst wenn dieser tatsächliche Verantwortung übernehmen wollte, ihm dies aber von den rechtlichen Eltern verwehrt wurde: begründet hat das BVerfG dies damit, dass ihm mangels rechtlicher Zuordnung kein Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG und deshalb auch kein Umgangsrecht nach § 1684 zustehe und ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 2 nur dann in Betracht komme, wenn die „enge Bezugsperson“ für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat.[120]
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Diese Rechtsprechung des BVerfG wurde vom EGMR erschüttert:[121] Der Fall betraf das Recht auf Umgang des biologischen, aber nicht rechtlichen Vaters mit seinen Kindern (Zwillinge), die nach einer etwa zweijährigen Beziehung mit einer verheirateten Frau in die bestehende Ehe dieser Frau hinein geboren wurden. Rechtlicher Vater der Kinder war der Ehemann der Kindesmutter (§ 1592 Nr. 1). Eine Kontaktaufnahme mit dem biologischen Vater wurde von den Eltern strikt abgelehnt; bis zur gerichtlichen Entscheidung bestand zwischen dem biologischen Vater und seinen Kindern keinerlei persönlich-familiäre Beziehung. Der EGMR hat diese Position als Verstoß gegen Art. 8 EMRK gewertet, weil diese Vorschrift auch ein beabsichtigtes Familienleben ausnahmsweise schütze und der Schutzbereich des Art. 8 EMRK – falls nicht unter dem Gesichtspunkt des „Familienlebens“ – jedenfalls unter dem des „Privatlebens“ (persönliche Identität) eröffnet sei.
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Ob sich hieraus Konsequenzen für die Zuordnung des Elternrechts i.S.d. Art. 6 Abs. 2 GG ableiten lassen, erscheint allerdings fraglich. Denn Kern der Beanstandung war nicht die Verweigerung einer solchen Rechtsposition,