Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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3.1 Bedürfnis einer Unterbilanzhaftung
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Eine im Wege der Unterbilanzhaftung[14] auszugleichende Differenz zwischen dem Grundkapital der SE und deren tatsächlichem Wert kann bei der Gründung einer SE auf zwei Ursachen beruhen. Zum einen kann sich eine solche Differenz deshalb ergeben, weil der Wert der in die SE eingebrachten Gegenstände[15] hinter dem bilanzierten Wert zurückbleibt, und zum anderen, weil die Vor-SE bereits vor ihrer Eintragung Verbindlichkeiten begründet, die dann automatisch auf die SE übergehen. Differenziert man nach der Art der SE-Gründung, kommen beide Ursachen kumulativ nur bei der SE-Gründung im Wege der Verschmelzung durch Neugründung, bei der Gründung einer Holding-SE sowie bei der Sachgründung einer Tochter-SE oder SE-Tochtergesellschaft in Betracht. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme und bei der Umwandlung kann sich eine solche Differenz nur daraus ergeben, dass die eingebrachten Gegenstände, also insbesondere die eingebrachten AG, hinter dem bilanzierten Wert zurückbleiben, da diese Gründungsformen nicht zum Entstehen einer Vor-SE führen.[16] Bei der Bargründung einer Tochter-SE oder SE-Tochtergesellschaft wiederum kommt eine Differenz nur wegen der Verluste der Vor-SE in Frage, denn es kann sich keine Differenz zwischen eingebrachten Barmitteln und bilanziertem Wert ergeben.
3.2 Unterbilanzhaftung wegen nicht werthaltiger Sacheinlage
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Das Bedürfnis nach einer Sicherung der Kapitalaufbringung steht außer Zweifel, zumal für Dritte nicht ohne weiteres ersichtlich ist, ob die Ausstattung der SE mit Grundkapital durch Barmittel oder Sachmittel erfolgt ist. Gleichwohl lässt sich ein lückenloser Schutz nicht gewährleisten.[17] Soweit es um die Differenz zwischen eingebrachten Gegenständen und deren bilanziellem Wert geht, beschränkt sich der Schutz im Wesentlichen auf die registergerichtliche Kontrolle, welche sich hauptsächlich auf den Prüfungsbericht der externen Prüfer[18] stützt. Da das Registergericht die SE gem. Art. 15 SE-VO, § 38 Abs. 2 S. 2 AktG nicht eintragen wird, wenn es der Ansicht sein sollte, dass der Wert der Sacheinlagen nicht nur unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt, wird gegebenenfalls noch ein Gutachten nachgefordert. Hierzu ist das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) berechtigt.
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Kommt es trotz der Präventivkontrolle zu einer Wertdifferenz, kommt nur teilweise ein Anspruch der SE in Betracht. Im Einzelnen ist wie folgt zu differenzieren:
3.2.1 Verschmelzung und Umwandlung
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Bei der Verschmelzung und bei der Umwandlung stammt das eingelegte Vermögen von den übertragenden Rechtsträgern, welche nach Gründung der SE nicht mehr als solche bestehen und mithin als Anspruchsverpflichtete ausscheiden.[19] Auch Ansprüche gegen die Aktionäre der SE oder einen Teil der Aktionäre[20] scheiden im Ergebnis aus. Zum einen ergeben sich erhebliche praktische bzw. wirtschaftliche Probleme, soweit es sich – dem gesetzlichen Leitbild entspr. – um eine Publikumsgesellschaft als übertragenden bzw. aufnehmenden Rechtsträger handelt. Die einzelnen Kleinaktionäre müssten in diesem Fall derart geringe Beträge zuzahlen, dass der Aufwand für die Geltendmachung den Anspruch auf Unterbilanzhaftung bei weitem übersteigen dürfte. Zum anderen haben die Aktionäre in aller Regel keinen Einfluss auf die Bewertung der übertragenden Rechtsträger.[21] Außerdem ist die Haftung der Aktionäre auf die Leistung der Einlagen beschränkt (§ 54 AktG). Schließlich wird dadurch, dass die übertragenden Rechtsträger bis zur Gründung der SE den strengen Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften unterlegen haben, eine gewisse Sicherung erzielt.[22] Eine Unterbilanzhaftung besteht demnach nicht.
3.2.2 Holding-SE
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Auch bei der Holding-SE scheidet eine Unterbilanzhaftung aus, die sich darauf stützt, dass der Wert der eingebrachten Anteile hinter den dafür ausgegebenen SE-Anteilen zurückbleibt. Zunächst könnte daran gedacht werden, die Gründungsgesellschaften als Anspruchsverpflichtete heranzuziehen. Da diese aber Tochtergesellschaften der SE sind, würde eine Zahlung der Tochtergesellschaften an die SE letztlich gleichzeitig den Wert der SE mindern. Zudem würden insbesondere auch die Gesellschafter, die in den Tochtergesellschaften verblieben sind,[23] für die Differenz einzustehen haben. Schließlich scheiden auch die Gesellschafter der SE als Anspruchsverpflichtete aus. Insoweit gelten die zur Verschmelzung und zur Umwandlung angestellten Erwägungen entsprechend.[24]
3.2.3 Tochter-SE und SE-Tochtergesellschaft
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Da es sich im Fall der Sachgründung der Tochter-SE und der SE-Tochtergesellschaft um eine nach deutschem Aktienrecht zu beurteilende Sachgründung handelt, besteht bei diesen Gründungsformen ein Anspruch der SE[25] aus Unterbilanzhaftung, die sich darauf stützt, dass der Wert der eingebrachten Gegenstände hinter den dafür ausgegebenen SE-Anteilen zurückbleibt.
3.3 Unterbilanzhaftung wegen Verlusten vor Eintragung
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Eine Unterbilanzhaftung kann sich schließlich daraus ergeben, dass die Vor-SE bereits am Geschäftsverkehr teilnimmt und daraus resultierende Verluste bis zur Eintragung das satzungsmäßige Grundkapital mindern. Die SE hat insoweit einen Anspruch aus Unterbilanzhaftung gegen die Gesellschafter,[26] sofern alle Gesellschafter der Geschäftsaufnahme vor Eintragung zugestimmt haben,[27] oder aus Organhaftung gegen den Vorstand bzw. die geschäftsführenden Direktoren und den Verwaltungsrat, sofern es an einer solchen Zustimmung fehlt. Sollten die Aktionäre ausnahmsweise Anspruchsgegner sein, haften sie der SE nach dem Verhältnis ihrer Anteile, also nicht als Gesamtschuldner. Um auch bei Ausfall von Aktionären über die notwendige Haftungsmasse zu verfügen, haften die übrigen Aktionäre – ebenfalls entsprechend ihrem Anteil – für ausfallende Aktionäre.[28]
3.4 Verjährung der Ansprüche aus Unterbilanzhaftung
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Die Ansprüche aus Unterbilanzhaftung verjähren analog § 54 Abs. 4 AktG in zehn Jahren.[29]
3.5 Verlustdeckungshaftung
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Gelangt die SE nicht zur Eintragung, weil die Eintragung endgültig abgelehnt oder die Eintragungsabsicht aufgegeben wird, kommt nicht der Anspruch auf Unterbilanzhaftung,[30] sondern nur ein Anspruch auf Verlustdeckung in Betracht.[31] Da es nicht zu einer Einbringung der geplanten Sacheinlagen durch die die Gründung anstrebenden Gesellschaften kommt, kann sich dieser Anspruch nur auf Verluste beziehen, die durch ein Tätigwerden der Vor-SE entstanden sind. Folglich kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn die SE-Gründung überhaupt dazu führt, dass eine Vor-SE entsteht.
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Damit kommt eine Verlustdeckungshaftung nur bei der SE-Gründung im Wege der Verschmelzung durch Neugründung sowie bei der Gründung einer Holding-SE, einer Tochter-SE und einer SE-Tochtergesellschaft in Betracht. Da mit der Aufgabe der Eintragungsabsicht die Vor-SE zur einfachen Personengesellschaft wird, hat diese einen Anspruch gegen