Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Allerdings begegnet eine Auslegung nach europäischen Maßstäben der Schwierigkeit, dass bislang keine einheitlichen europäischen Maßstäbe zur Auslegung von Satzungsbestimmungen supranationaler Rechtsformen entwickelt, geschweige denn durch Rechtsprechung abgesichert wurden.[19] Hinzu kommt, dass die Heranziehung unterschiedlicher Auslegungsmethoden die Rechtsanwendung erheblich verkomplizieren würde. Schließlich stellt sich das Problem, dass die Satzung als einheitliches Regelungswerk bei der Heranziehung unterschiedlicher Auslegungsgrundsätze keiner einheitlichen systematischen Auslegung zugänglich wäre.[20] Denn soweit es um die Auslegung von Satzungsbestimmungen geht, die auf der SE-VO beruhen (Art. 9 Abs. 1 b SE-VO), könnte man schwerlich für die systematische Auslegung auf Satzungsbestimmungen zurückgreifen, die auf nationales Recht zurückgehen (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO).[21]
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Für die Praxis ist von Folgendem auszugehen: Satzungen von SE können – unabhängig davon, ob europäische oder nationale Auslegungsgrundsätze eingreifen – nur anhand objektiver Maßstäbe ausgelegt werden.[22] Denn dem Gründerwillen oder dem Willen der jeweiligen Aktionäre kann bei Gesellschaften, die darauf ausgelegt sind, dass sich eine unbestimmte Zahl von Aktionären an diesen beteiligen, keine Bedeutung zukommen. Dementsprechend verbleibt es bei SE-Satzungen bei der Wortlautauslegung, der systematischen Auslegung und der Auslegung nach dem Sinn und Zweck der entsprechenden Satzungsregelung.
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6. Folgen bei Satzungsmängeln
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Die SE-VO enthält keine Regelungen zu den Rechtsfolgen von Satzungsmängeln.[23] Dementsprechend greift über die Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO nationales Aktienrecht ein.[24]
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Nach diesem ist bei Mängeln der Satzung danach zu unterscheiden, ob der Mangel vor oder nach Eintragung entdeckt wird. Das Registergericht hat nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 38 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. im Fall der Verschmelzung nach Art. 26 Abs. 1 SE-VO vor der Eintragung die ordnungsgemäße Errichtung bzw. die Rechtmäßigkeit der Verschmelzung zu prüfen.[25] Liegt ein Mangel in der Satzung vor, hat es die Eintragung abzulehnen. Handelt es sich um einen heilbaren Mangel, hat das Registergericht die Möglichkeit einer Zwischenverfügung.[26]
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Bei Mängeln, die erst erkannt werden, nachdem die Gesellschaft bereits eingetragen wurde, ist nach der Art des Mangels zu unterscheiden: Die in § 275 AktG genannten Mängel (keine Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens bzw. unwirksame Bestimmungen über den Gegenstand) können über das Klageverfahren nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 275 AktG geltend gemacht werden und können zur Abwicklung der SE nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 277 AktG führen. Klagebefugt sind allerdings nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 275 AktG lediglich Organmitglieder (Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgan und wohl auch die geschäftsführenden Direktoren[27]) oder Aktionäre. Außerdem gilt die Ausschlussfrist von drei Jahren seit Eintragung der SE bzw. der entsprechenden Satzungsbestimmung. In den Fällen des § 275 AktG kommt alternativ auch eine Löschung von Amts wegen nach § 397 Abs. 1 FamFG in Betracht.
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Soweit die Satzung der SE keine Regelung zur Firma und zum Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG), keine wesentlichen Angaben zur Zerlegung des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG), keine Bestimmung zu der Frage, ob es sich um Inhaber oder Namensaktien handelt (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG), oder keine Angaben über die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG), enthalten sollte, kann das Amtslöschungsverfahren nach § 399 FamFG eingeleitet werden.[28]
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Für sämtliche anderen Verstöße sieht das deutsche Recht nur die präventive Registerkontrolle vor. Wurde die Gesellschaft eingetragen, genießt sie insoweit Bestandsschutz.[29] Da es sich bei den vorgenannten Verfahren nach dem FamFG um hoheitliche Eingriffsrechte handelt, fehlt es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Zum Teil wird zwar im Zusammenhang mit der Nichtdurchführung der erforderlichen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und der Leitung anderes vertreten.[30] Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
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Noch ungeklärt ist das Verhältnis von §§ 275 AktG, 397, 399 FamFG und Art. 30 S. 1 SE-VO. Art. 30 S. 1 SE-VO gewährt der Verschmelzung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 SE-VO einen gewissen Bestandstandschutz. Nach dieser Vorschrift kann eine Verschmelzung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 SE-VO nach der Eintragung nicht mehr für nichtig erklärt werden. Ob diese Heilungswirkung sämtliche Satzungsmängel erfasst, ist aber zweifelhaft, da nur die Verschmelzung an sich und nicht der Bestand der Gesellschaft von der Nichtigkeitsfolge ausgenommen sind.[31]
Anmerkungen
ABlEG Nr. C 124 v. 10.10.1970, Bulletin der EG, Beilage 4/1975, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:1970:124:FULL&from=DE.
MünchKomm AktG/Schäfer Art. 9 SE-VO Rn. 1; Habersack/Drinhausen/Schürnbrand Art. 9 SE-VO Rn. 3; Manz/Mayer/Schröder/Schröder Art. 9 SE-VO Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff/Teichmann Art. 9 SE-VO Rn. 12; KölnKomm AktG/Veil Art. 9 SE-VO Rn. 5.
Zum Teil wird auch davon ausgegangen, dass es sich lediglich um eine vierstufige Normenhierarchie handeln würde. Nach dieser Betrachtungsweise wäre Art. 9 Abs. 1 b SE-VO keine eigene Hierarchiestufe, sondern Ausfluss des Primats der SE-VO. Letztlich kann diese Frage allerdings dahinstehen, da auch die Vertreter der vierstufigen Normenhierarchie den Vorrang der Satzung in den in Art. 9 Abs. 1 b SE-VO genannten Fällen nicht in Abrede stellen. Vgl. zum Ganzen MünchKomm AktG/Schäfer Art. 9 SE-VO Rn. 21 ff. mwN.
Vgl. EuGH 5.2.1963 – Rs. 26/62, Slg. 1963, 1 ff., NJW 1963, 974; EuGH 15.7.1964 – Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 ff., NJW 1964, 2371.
Z. B. Rn. 93.
Vgl.