Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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4 › VI › 2. Nachträgliche Änderung der Organisationsverfassung
2. Nachträgliche Änderung der Organisationsverfassung
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Obwohl der Wechsel vom einen zum anderen Leitungssystem in der SE-VO nicht ausdrücklich geregelt ist, muss ein solcher Wechsel ohne weiteres zulässig sein.[5] Bei einem solchen Wechsel des Verwaltungssystems handelt es sich um eine einfache Satzungsänderung, für die über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO die §§ 179 ff. AktG gelten.
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Ein nachträglicher Wechsel des Leitungssystems führt auch nicht zu einem Anspruch der Aktionäre auf Abfindung, wenn diese gegen den satzungsändernden Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklären.[6] Für eine Analogie zu Art. 8 Abs. 5 SE-VO, § 12 SEAG oder zu § 207 Abs. 1 UmwG fehlt es an der Interessengleichheit. Die zuvor genannten, gesetzlich normierten Fälle weisen eine deutlich höhere Eingriffsintensität auf als der Wechsel vom monistischen zum dualistischen System bzw. umgekehrt. So ist ein solcher Wechsel von vorne herein nicht mit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung vergleichbar (Art. 8 Abs. 5 SE-VO, § 12 SEAG). Der Wechsel ändert lediglich die Leitungsstruktur. Dies wirkt sich zwar mittelbar auch auf die Rechte des einzelnen Aktionärs aus – der Aktionär einer monistischen SE kann unmittelbar das die Gesellschaft leitende Verwaltungsgremium bestellen, während er im dualistischen System lediglich Einfluss auf die Bestellung des Aufsichtsorgans hat –, aber die Wechselmöglichkeit zwischen den Leitungssystemen ist ein integraler Bestandteil der Rechtsform der SE und damit hinzunehmen. Demgegenüber muss sich der Aktionär bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung auf eine völlig neue Rechtsordnung einlassen, was die Rechtsstellung des Aktionärs deutlich stärker verändern kann. Ähnliches gilt für das Austrittsrecht des Gesellschafters im Falle des Formwechsels (§ 207 UmwG). Auch im letztgenannten Fall ändert sich die komplette Rechtsstellung des Gesellschafters, was dieser nicht hinzunehmen braucht.[7]
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Der Wechsel des Leitungssystems löst – entgegen verbreiteter Ansicht[8] – keine Verhandlungspflicht über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer nach § 18 Abs. 3 SEBG aus. Der Wechsel vom einem in das andere Leitungssystem stellt gerade keine strukturelle Änderung dar, die geeignet ist, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern, wie dies § 18 Abs. 3 SEBG fordert. Für den Wechsel vom dualistischen ins monistische Leitungssystem liegt dieser Befund auf der Hand: Soweit Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sind, wären diese nach dem Wechsel Mitglieder des Verwaltungsorgans und dementsprechend an einem Gremium beteiligt, das nicht nur die Überwachung der Gesellschaft, sondern zusätzlich noch die Leitung verantwortet. Von einer Minderung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, wie diese in § 18 Abs. 3 SEBG vorausgesetzt wird, kann dementsprechend keine Rede sein.[9]
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Aber auch für den Wechsel vom monistischen zum dualistischen System gilt nichts anderes. Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem Wechsel des Leitungssystems überhaupt um eine strukturelle Änderung i. S. d. § 18 SEBG handelt.[10] § 18 SEBG soll das Mitbestimmungsregime für die Fälle, in denen sich das Unternehmen strukturell verändert, anpassungsfähig halten. Es geht folglich um Konstellationen, bei denen sich für die Arbeitnehmer im Unternehmen strukturell etwas ändert. Die Gesetzesbegründung zu § 18 SEBG nennt insoweit exemplarisch die Aufnahme einer mitbestimmten Gesellschaft durch eine nicht mitbestimmte SE.[11] Diese Änderung ist mit dem Wechsel des Leitungssystems nicht vergleichbar. Für den normalen Arbeitnehmer ändert sich durch den Wechsel des Leitungssystems nichts. Lediglich etwaige Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsorgan der SE wären nach dem Wechsel des Leitungssystems Mitglieder des Aufsichtsgremiums. Dies ist keine strukturelle Änderung im Sinne des § 18 SEBG.[12]
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Da der Wechsel des Leitungssystems erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam wird (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 181 Abs. 3 AktG), ist die entsprechende Satzungsänderung von den „alten“ Vertretern der SE anzumelden. Die Anmeldung setzt allerdings voraus, dass bereits die neuen Organmitglieder bestellt und ihre Vertretungsverhältnisse geregelt worden sind.[13]
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Mit der Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung enden die „alten“ Organverhältnisse (Aufsichtsorgan, Leitungsorgan, Verwaltungsorgan) automatisch. Im Falle des Wechsels vom monistischen ins dualistische System endet auch die Amtszeit der geschäftsführenden Direktoren. Ein gesonderter Widerruf ist nicht erforderlich. Soweit neben dem Organverhältnis – wie beim Leitungsorgan – noch Dienstverhältnisse bestehen, sind diese gesondert aufzuheben. Entsprechendes gilt für das Dienstverhältnis der geschäftsführenden Direktoren.
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Soweit satzungsmäßige Entsenderechte für das neue Organ vorgesehen werden (Entsenderechte zum Aufsichtsorgan werden Entsenderechte zum Verwaltungsorgan und Entsenderechte zum Verwaltungsorgan werden Entsenderechte zum Aufsichtsrat), ist eine Zustimmung der Entsendeberechtigten zu dem Wechsel nicht erforderlich.[14]
Anmerkungen
Zu Recht wurde diese Wahlmöglichkeit von Hommelhoff AG 2001, 279, 282 als revolutionär bezeichnet. Zur Tendenz, dass europaweit verhältnismäßig mehr SE in Ländern gegründet werden, deren nationales Recht lediglich die dualistische Struktur zulässt vgl. Schubert/von der Höh AG 2014, 439, 442.
Vgl. 15. Kap. zu Island Rn. 1350 ff.; 15. Kap. zu Luxemburg Rn. 2179; 15. Kap. zu Schweden Rn. 3311 ff.
KölnKomm AktG/Paefgen Art. 38 SE-VO Rn. 5.
KölnKomm AktG/Paefgen Art. 38 SE-VO Rn. 10; zu den Rechtsfolgen bei dennoch erfolgter Eintragung vgl. Rn. 16 ff.
KölnKomm AktG/Paefgen