Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Begründet wurde diese Ergänzung mit den im Gesetzgebungsverfahren geltend gemachten Bedenken, dass aus der Personalunion von geschäftsführendem Direktor und der Mitgliedschaft im Verwaltungsrat sich ein Konflikt ergeben könne, wenn es um Beschlüsse des Verwaltungsrats gehe, die Weisungen an die geschäftsführenden Direktoren beinhalten oder diese in sonstiger Weise persönlich oder unmittelbar betreffen. In solchen Fällen sei davon auszugehen, dass nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (§ 34 BGB analog, Verbot des Richtens in eigener Sache) ein Stimmrechtsausschluss für die geschäftsführenden Direktoren bestehe. Die Stimmrechte der geschäftsführenden Direktoren bei Entscheidungen, bei denen sie aus rechtlichen Gründen von der Beschlussfassung ausgeschlossen seien, sollen deshalb kraft Gesetzes auf den (von der Anteilseignerseite bestimmten) Vorsitzenden des Verwaltungsrats übergehen.[127]
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Der von den CDU/CSU- und FDP-Fraktionen eingebrachte Änderungsvorschlag wurde von einigen in der Anhörung des Rechtsausschusses hinzugezogenen Sachverständigen unterstützt. Der Vorschlag sah vor, die Mitbestimmung auf die Gruppe der nicht geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats zu beschränken durch Ergänzungen in §§ 23 Abs. 2, 40 Abs. 1 SEAG und einen neuen § 35 Abs. 3 SEBG. Das fand weder im Rechtsausschuss noch im Bundestag eine Mehrheit.[128] Auch die durch den Bundesrat eingeleitete Einberufung des Vermittlungsausschusses hat keine Veränderungen herbeigeführt. Es ist bei der zitierten Ergänzung des § 35 SEAG um das „Ergänzungsstimmrecht“ des Verwaltungsratsvorsitzenden in Abs. 3 geblieben.[129]
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Durch die Ergänzungsstimme des Vorsitzenden des Verwaltungsrats wird das Problem einer gegenüber dem dualistischen System ausgedehnten Arbeitnehmer-Mitbestimmung auf die Leitungsaufgaben jedoch nicht gelöst. Denn § 35 Abs. 3 SEAG setzt voraus, dass ein Executive Director aus rechtlichen Gründen gehindert ist, an der Beschlussfassung im Verwaltungsrat teilzunehmen. Die Fälle eines solchen Stimmverbots sind im Kapitalgesellschaftsrecht jedoch eher selten und betreffen grundsätzlich die Fälle, in denen Entlastungsbeschlüsse oder Beschlüsse über die Befreiung von einer Verbindlichkeit bzw. der Inanspruchnahme gefasst werden sollen (vgl. § 136 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 4 GmbHG). Auch aus § 34 BGB analog ergibt sich kein generelles Stimmverbot. Ebenso wie § 136 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 4 GmbHG verbietet § 34 BGB nur die Teilnahme an einer Beschlussfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts sowie die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit dem Mitglied. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass jeder Interessenwiderstreit zum Verlust des Stimmrechts führt, kann aus § 34 BGB nicht abgeleitet werden.[130]
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Im Ergebnis kommt es auf die Frage, wann Stimmverbote für die geschäftsführenden Direktoren bestehen, sodass ein Ausgleich der Einflussnahme der Arbeitnehmervertreter herbeigeführt werden muss, nicht an. Die grundsätzlichen Bedenken, die gegen eine uneingeschränkte Übertragung der auf das dualistische System abgestellten deutschen Mitbestimmung in das monistische System sprechen, beruhen nicht allein auf einer eventuellen Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse, die nach der Rechtsprechung des BVerfG[131] wegen Verlustes des Letztentscheidungsrechtes der Anteilseigner verfassungswidrig wäre, sondern auf der Zuweisung von Leitungsaufgaben an die Arbeitnehmervertreter. Die vom dualistischen System geprägte deutsche Mitbestimmung ist aber allein auf Teilhabe an der Kontrolle ausgerichtet. Eine Teilhabe an der Leitung des Unternehmens ist nicht vorgesehen.[132] Diese überschießende und systemwidrige Ausdehnung der Mitbestimmung wird durch § 35 Abs. 3 SEAG nicht beseitigt.
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Es fragt sich deshalb, ob die erforderliche Einschränkung der Rechte der Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat bei der Anpassung des monistischen Systems auf die paritätische Mitbestimmung auf der Grundlage der SE-VO und des SEEG durch Gestaltungsmaßnahmen erfolgen kann. Zur Sicherstellung der Trennung von Unternehmensleitung und Überwachung empfiehlt es sich, im Rahmen des monistischen Systems von der Möglichkeit, Verwaltungsratsmitglieder zu geschäftsführenden Direktoren zu bestellen (§ 40 Abs. 1 S. 2 SEAG), keinen Gebrauch zu machen. Die Geschäftsführung würde dann nur von externen geschäftsführenden Direktoren wahrgenommen, die einem GmbH-Geschäftsführer vergleichbar wären.[133] Bei der Wahl eines monistischen Systems mit Non-Executive Directors wäre sichergestellt, dass nicht die überwiegende Zahl der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder bei der paritätischen Mitbestimmung Arbeitnehmervertreter wären.
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Grundsätzlich ändert sich auch bei der Bestellung von Executive Directors nichts an den Mehrheitsverhältnissen im Verwaltungsrat. Denn auch diese – von den bereits dargestellten Ausnahmen, die durch § 35 Abs. 3 SEAG ausgeglichen werden sollen, abgesehen – haben ein Teilnahme- und Stimmrecht im Verwaltungsrat.[134] Da die Executive Directors im Verwaltungsrat ihre eigenen Geschäftsführungsmaßnahmen erklären und rechtfertigen müssen und dadurch eine Differenzierung zwischen überwachenden und geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern entsteht, ist ein mit Executive Directors besetzter Verwaltungsrat im System der paritätischen Mitbestimmung jedoch zumindest problematisch. Es ist daher zu empfehlen, in einer paritätisch mitbestimmten SE keine Executive Directors zu bestellen, um eine klare Trennung zwischen Geschäftsführung und Überwachung sicherzustellen.[135]
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Auch bei einem Verwaltungsrat mit Non-Executive Directors stehen den Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsrat noch deutlich weitergehende Rechte zu, als die paritätische Mitbestimmung im dualistischen System gewährt. Das ist so wegen des Rechts des Verwaltungsrats, selbst Geschäftsführungsaufgaben durchzuführen, die geschäftsführenden Direktoren anzuweisen (§ 22 Abs. 1, 6 SEAG), der Möglichkeit, die geschäftsführenden Direktoren jederzeit abzuberufen (§ 40 Abs. 5 SEAG), sowie des umfassenden Informationsrechts des einzelnen Mitglieds des Verwaltungsrats (Art. 44 Abs. 2 SE-VO). Die Arbeitnehmervertreter bleiben außerdem unabhängig von der internen Aufgabenverteilung und der Teilnahme an den Tagesgeschäften für die Leitung der Gesellschaft mitverantwortlich (§ 22 Abs. 1 SEAG).[136]
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Deshalb ist zu überlegen, wie die paritätische Mitbestimmung, die für das dualistische System entwickelt wurde, auf das monistische System ohne weitgehende Leitungsaufgaben der Arbeitsnehmervertreter übertragen werden kann. Hier bietet sich die Einrichtung von Ausschüssen zur Wahrnehmung bestimmter Arten von Geschäften an. Es ist allgemein anerkannt, dass die Vorbereitung bestimmter Entscheidungen, teilweise auch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen, auf Ausschüsse, die je nach Funktion paritätisch oder nicht paritätisch besetzt sein müssen, delegiert werden kann. Die Zulässigkeit der Delegation auf Ausschüsse wird bei paritätisch mitbestimmten Gesellschaften auch im dualistischen System kontrovers diskutiert.[137]
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Grundsätzlich entscheidet der Aufsichtsrat über die Ausschussbesetzung nach pflichtgemäßem Ermessen. Er hat sein Ermessen dabei am Unternehmensinteresse auszurichten und die Ausschussmitglieder nach Eignung sowie einer sinnvollen Organisation der Ausschussarbeit auszusuchen.[138]