Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Dies führt zu zwei unterschiedlichen Geschäftsführungsmodellen innerhalb des monistischen Systems. Nach dem ersten Modell (geschäftsführende Direktoren sind gleichzeitig Verwaltungsratsmitglieder) erhalten die geschäftsführenden Direktoren einen stärkeren Einfluss auf die Entscheidungsfindung im Konzern als der Vorstand im dualistischen System, weil sie an den Beratungen und Beschlüssen des Verwaltungsrats mitwirken und damit erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats ausüben können. Gleichzeitig überwachen sich die Direktoren in diesem Modell aber selbst. Ein vollständiger Zusammenfall von Geschäftsführung und Überwachung wird nur dadurch verhindert, dass gem. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG die Zahl der nicht geschäftsführenden Mitglieder im Verwaltungsrat höher sein muss als die der geschäftsführenden Mitglieder. Diese Sicherung ist jedoch eher fragwürdig. Bei bestehender Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrats können Mitglieder des Verwaltungsrats, die nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren sind, fehlen, sodass die geschäftsführenden Direktoren sich dann tatsächlich selbst kontrollieren. Die geschäftsführenden Direktoren müssen gegebenenfalls auch bei voller Besetzung des Verwaltungsrats nur ein nicht geschäftsführendes Mitglied auf ihre Seite ziehen. Ob eine solche Konstellation nach modernen Corporate Governance-Kriterien akzeptabel ist, ist stark zweifelhaft.[72]
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Eine Lösung könnte sein, eine Zweidrittelmehrheit der nicht geschäftsführenden Mitglieder im Verwaltungsrat in § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG vorzusehen. Denkbar wäre auch eine Regelung, wonach die Beschlussfähigkeit im Verwaltungsrat nur gegeben ist, wenn eine Mehrheit der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder anwesend ist. Es ist jedoch klarzustellen, dass diese Überlegungen de lege ferenda erfolgen. De lege lata ist klar, dass die Eigenüberwachung in dem beschriebenen Sinne zulässig ist, da Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO den Mitgliedstaaten Gestaltungsfreiheit einräumt, die der nationale Gesetzgeber wie beschrieben wahrgenommen hat.
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Das oben beschriebene zweite Modell, die Wahrnehmung der laufenden Geschäftsführung durch externe Geschäftsführer, die nicht gleichzeitig Verwaltungsratsmitglieder sind, nähert sich dem dualistischen System an. Die Überwachungsmöglichkeit ist noch weitergehend gegeben als im dualistischen System. Denn der Verwaltungsrat kann eigene Geschäftsführungsmaßnahmen ergreifen und den geschäftsführenden Direktoren Weisungen erteilen (§§ 22 Abs. 1, 44 Abs. 2 SEAG). Diese Möglichkeit der „aktiven Überwachung“ durch mitunternehmerisches Zusammenwirken wird als vorteilhafte Gestaltungsmöglichkeit im monistischen System und als Beitrag zur verbesserten Corporate Governance angesehen.[73] Sofern der Verwaltungsrat diese Aufgabe professionell wahrnimmt und nicht das Tagesgeschäft zu steuern versucht, ist dem zuzustimmen. Eine solche Maximierung der Überwachung ermöglicht eine Abschwächung des Prinzipal-Agenten-Konflikts, der insbesondere bei fremdgeführten Familienunternehmen existiert.[74]
2.5.2 Regelungsprobleme
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Die dargestellte Kompetenzverteilung im Verwaltungsrat des monistischen Systems, die dem deutschen Recht bisher unbekannt war, wirft im Bereich des Konzernrechts und des Mitbestimmungsrechts ganz neue Fragestellungen auf.
2.5.2.1 Konzernrecht
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Die SE ist gründungsbedingt Teil eines Konzerns oder anders ausgedrückt ein genuiner Konzernbaustein.[75] Die SE-VO enthält keine konzernrechtlichen Vorschriften. Dies beruht sicher auch darauf, dass ein einheitliches Konzernrecht in Europa nicht existiert.[76]
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Der nationale Gesetzgeber geht in § 49 SEAG jedoch davon aus, dass die SE ein abhängiges Unternehmen in einem Konzernverbund oder in einem eingegliederten Unternehmen sein kann, indem er bestimmt, dass die besonderen konzernrechtlichen Pflichten des Vorstands einer abhängigen oder eingegliederten Gesellschaft von den geschäftsführenden Direktoren wahrzunehmen sind.[77] Mit dieser Maßgabe unterliegt die SE gem. Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO den deutschen konzernrechtlichen Bestimmungen.[78]
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Ob und inwieweit auf eine SE das deutsche Konzernrecht anwendbar ist, ist umstritten.[79] Teilweise wird vertreten, dass eine SE weder im faktischen noch im Vertragskonzern Konzerntochter sein könne und zwar sowohl im dualistischen als auch im monistischen System.[80] Da das Konzernrecht an anderer Stelle ausführlich behandelt wird,[81] soll an dieser Stelle nur die Auswirkung der Geschäftsführungsverteilung im monistischen System auf Konzernsachverhalte kurz skizziert werden.
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Bei einer SE im dualistischen System ergeben sich keine Unterschiede zur AG. Denn das System der §§ 291 ff. AktG ist auf eine Gesellschaft mit einem zur Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft verpflichteten Vorstand und einem zur Überwachung berufenen Aufsichtsrat zugeschnitten.[82]
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Bei einer SE mit monistischem System im Vertragskonzern stellt sich die Frage, wer Adressat der Weisung der Obergesellschaft ist. Gem. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG ist der Vorstand Adressat der Weisung. Bei der SE sind dies gem. § 46 S. 1 SEAG der oder die geschäftsführenden Direktoren.
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Problematisch kann hier sein, ob sich das Weisungsrecht der Obergesellschaft auch auf Angelegenheiten erstrecken darf, die in die Zuständigkeit des Verwaltungsrats fallen. Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages bedeutet gem. § 291 Abs. 1 AktG, dass die abhängige Gesellschaft sich der Leitung der herrschenden Gesellschaft unterstellt. Die herrschende Gesellschaft ist demnach berechtigt, nachteilige Rechtsgeschäfte durchzusetzen. Doch die durch die Beherrschung vermittelte Unterstellung betrifft sowohl die Geschäftsführung als auch die Leitung der SE. Durch den Beherrschungsvertrag wird somit auch die Leitungszuständigkeit des Verwaltungsrats beschnitten. Die interne Kompetenzverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Direktoren wird durch die Weisung des herrschenden Unternehmens überlagert.[83] Auch das Verfahren der Ersetzung der Zustimmung gem. § 308 Abs. 3 AktG kann eingehalten werden. Anstelle des Aufsichtsrats entscheidet der Verwaltungsrat über die Zustimmung. Wenn er die Zustimmung verweigert, greift das Ersetzungsrecht des herrschenden Unternehmens ein.[84]
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Bei einer SE mit monistischem System als abhängiger Gesellschaft in einem faktischen Konzern fragt es sich, ob die Konzeption der §§ 311 ff. AktG, die dem herrschenden Unternehmen nachteiligen Einfluss auf die Tochtergesellschaft erlaubt, sofern es die nachteiligen Einflussnahmen bis zum Ende des Geschäftsjahres ausgleicht, umsetzbar ist. Wenn der Nachteilsausgleich nicht möglich ist, sind Unternehmen und seine Organe gem. § 317 AktG zum Ersatz des Schadens verpflichtet.[85] Um den durch die Nachteilszufügung entstandenen Schaden feststellen zu können, hat der Vorstand einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen (§ 312 AktG), der durch den Abschlussprüfer (§ 313 AktG) und den Aufsichtsrat (§ 314 AktG) zu prüfen ist. Bei einer SE im monistischen System stellen die geschäftsführenden Direktoren gem. Art. 46 Abs. 1 SEAG den Abhängigkeitsbericht auf. Geprüft wird der Abhängigkeitsbericht aufgrund des Generalverweises in § 22 Abs. 6 SEAG durch den Verwaltungsrat.[86]
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