Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Wie bereits einleitend dargestellt[1] gewährt die SE-VO im Bereich der Unternehmensverfassung die größte Gestaltungsfreiheit. Die SE kann gem. Art. 38b SE-VO zwischen dem monistischen und dualistischen System wählen. Es wurde bereits dargelegt,[2] dass der deutsche Gesetzgeber im SEAG die Freiräume der SE-VO mit dem vorrangigen Ziel ausgefüllt hat, einen möglichst weitgehenden Gleichlauf mit dem nationalen Aktienrecht herbeizuführen.[3] Da das deutsche Aktienrecht das monistische System nicht kennt, hat der deutsche Gesetzgeber durch Art. 43 Abs. 4 SE-VO die Möglichkeit, das monistische System umfassend in Form einer eigenständigen deutschen Regelung auszugestalten.[4] Von dieser Ermächtigung hat der deutsche Gesetzgeber in den §§ 20–49 SEAG ausgiebig Gebrauch gemacht. § 20 SEAG stellt dabei klar, dass diese Vorschriften die Regelungen der §§ 76–116 AktG verdrängen.
5 › III › 1. Monistische Leitungsstruktur
1. Monistische Leitungsstruktur
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Eine SE mit monistischem System verfügt nach der SE-VO lediglich über ein Verwaltungsorgan (Art. 38b SE-VO). In Deutschland heißt das Verwaltungsorgan Verwaltungsrat (§ 20 SEAG). Weshalb die Terminologie der SE-VO nicht eingehalten wurde, wird in der Gesetzesbegründung nicht weiter erläutert. Das monistische System entspricht dem anglo-amerikanischen Board-System. Die Leitung und die Aufsicht wird durch ein Organ erbracht. Die Verwaltung ist relativ frei und unabhängig von ihren Aktionären. Es fehlt ein eigenes unternehmensinternes Kontrollorgan. Das Board ist gemeinsam verantwortlich für die Führung und Überwachung der Gesellschaft. Eine funktionale Teilung der einzelnen Aufgaben des Board wird, soweit sie nicht durch gesetzliche, börsenrechtliche oder satzungsgemäße Vorgaben gefordert wird, durch die interne Geschäftsverteilung geregelt. Die Funktionstrennung erfolgt vornehmlich durch die Unterteilung in geschäftsführende oder nicht geschäftsführende Direktoren.[5]
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Da es das monistische System in Deutschland nicht gibt, ist auf die anglo-amerikanische Ursprünge zurückzugreifen. Das monistische Board-Modell ist im Ansatz ein Modell für kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Die relative Unabhängigkeit der Verwaltung von ihren Aktionären und das Fehlen eines unternehmensinternen Kontrollorgans, das von den Aktionären bestellt wird, werden deshalb als akzeptabel angesehen, weil der Kapitalmarkt als wirkungsvolle Kontrollinstanz fungiert. Dem klassischen deutschen Aktienrecht ist dieser Ansatz bereits deshalb fremd, weil der Kapitalmarkt und das Kapitalmarktrecht in Deutschland lange unterentwickelt waren. Die Kontrolle der Verwaltung wird deshalb durch den Aufsichtsrat als von den Aktionären eingesetzte unabhängige Kontrollinstanz und der Grundlagenzuständigkeit der Hauptversammlung[6] ermöglicht.[7]
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Vor diesem Hintergrund trifft es zu, die Einführung des monistischen Systems über die SE in Deutschland als revolutionär und größte Innovation der Einführung der SE für das deutsche Recht zu bezeichnen.[8] Die Versuche der Deutsche Bank AG und der DaimlerChrysler AG, monistische Systeme bereits im Rahmen der Geltung des deutschen AktG einzuführen, zeigen, dass es zumindest in deutschen Großunternehmen, insbesondere wenn sie multinational tätig sind, einen Bedarf für die Einführung des monistischen System gibt.[9]
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Da sich mit Einführung der SE für den deutschen Gesetzgeber die Frage, ob er das monistische System einführen will, nicht mehr stellt,[10] musste der deutsche Gesetzgeber sich die Frage stellen, wie er das monistische System mit Blick auf die umfassende Verweisung der SE-VO auf das nationale Recht in das deutsche AktG unter Berücksichtigung der Corporate Governance-Diskussion integrieren wollte.[11] Gesetzessystematisch konnte die Integration durch die Vornahme aller notwendigen Anpassungen im SEAG oder durch eine durch den DCGK flankierte flexible und knappe Regelung, die der Gesellschaft die Möglichkeit eröffnet, den Verwaltungsrat nach den individuellen Bedürfnissen auszugestalten, umgesetzt werden.[12]
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Das SEAG verfolgt den Ansatz einer umfassenden gesetzlichen Regelung des monistischen Systems, indem es in 29 Bestimmungen (§§ 20–49 SEAG) das monistische System regelt. Dem liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass eine Kompatibilität des monistischen Systems mit dem deutschen AktG nur durch eine umfassende Neuregelung herzustellen ist. Begründet wird dies damit, dass das dualistische System nicht nur den §§ 76–116 AktG, die gem. § 20 SEAG durch die Vorschriften des SEAG ersetzt werden sollen, innewohnt, sondern sich wie ein roter Faden durch das gesamte Aktienrecht zieht. Der Gesetzgeber hat es daher für erforderlich gehalten, die dem deutschen Aktienrecht innewohnende Kompetenzverteilung auf zwei Leitungsorgane durch ausführliche gesetzliche Regelungen auf das monistische System zu übertragen. Dabei soll gleichzeitig eine Flexibilisierung des monistischen Systems erreicht werden, die die SE auch für kleinere und mittlere Unternehmen zu einer interessanten Rechtsform macht. Deshalb enthält das SEAG selbst auch keine Regelungen zur Mitbestimmung. Die Mitbestimmung wird im SEBG gesondert geregelt.[13]
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Die Umsetzung der Leitungsstruktur im monistischen System hat der Gesetzgeber in §§ 22 Abs. 1, 40 Abs. 2 S. 1 SEAG geregelt. Nach § 22 Abs. 1 SEAG leitet der Verwaltungsrat die SE, bestimmt die Grundlagen ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Der Verwaltungsrat und die gem. § 40 Abs. 1 SEAG zu bestellenden geschäftsführenden Direktoren führen gem. § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG die Geschäfte der SE.
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Diese Kompetenzverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Direktoren weicht von Art. 43 Abs. 1 SE-VO ab. Dort ist vorgesehen, dass das Verwaltungsorgan die Geschäfte der SE führt und ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung entsprechend den aktienrechtlichen Bestimmungen der nationalen Gesetze führen können. Teilweise wird aufgrund dieser Abweichung die SE-VO-Vereinbarkeit des SEAG bezweifelt, weil die Unternehmensleitung von der Geschäftsführung als dem weiteren Begriff mitumfasst sei und daher das Abstellen auf die Unternehmensleitung in § 22 Abs. 1 SEAG für die Kompetenzabgrenzung nicht geeignet sei.[14]
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Die Formulierung in § 22 Abs. 1 SEAG ist dem französischen Code de Commerce (Art. L. 225–235) entlehnt. Es soll durch die Bezugnahme auf die Unternehmensleitung deutlich gemacht werden, dass die Aufgaben des Verwaltungsrats weiter reichen als die Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats im dualistischen Modell. Wesentliches Merkmal des monistischen Modells soll ungeachtet der Bestellung der geschäftsführenden Direktoren gem. § 40 SEAG die Selbstverantwortung für die Unternehmenspolitik durch den Verwaltungsrat sein. Die originäre Eigenverantwortung, die