Der Trotzkopf. Emmy von Rhoden

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Der Trotzkopf - Emmy von Rhoden

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und sie sah so schelmisch aus, daß Ilse sich sofort von ihr angezogen fühlte. Sie hätte noch gern ein Weilchen dem drolligen Geplauder Nellies zugehört, aber sie mußte Fräulein Güssow folgen, die ihr einige Schulräume zu zeigen wünschte. Dort eingeklemmt sollte sie von jetzt an sitzen, nicht aufstehen dürfen, wenn es ihr beliebte – oh, es war entsetzlich! Ein Grauen überkam sie plötzlich, ihr war, als würde ihr die Brust zusammengeschnürt.

      »In welche Klasse meinst du, daß du kommen wirst?« fragte das Fräulein. »Deinem Alter nach müßtest du wohl in die erste versetzt werden. Hast du deine Arbeitsbücher mitgebracht? Wie steht es mit den Sprachen? Französisch und Englisch sind dir wohl geläufig, da du stets, wie dein Vater schrieb, eine englische oder französische Erzieherin hattest.«

      Von unten herauf tönte eine Glocke. Dies war für Ilse eine sehr gelegene Unterbrechung. Die Fragen nach ihren Kenntnissen wurden ihr langsam unbehaglich. Sie sagte, daß sie nicht wisse, wie weit sie sei; Französisch glaube sie sprechen zu können.

      »Nun laß nur, mein Kind!« meinte das Fräulein »Heute wollen wir noch nicht an das Lernen denken; bei deiner Prüfung morgen werden wir sehen, welch kleine Gelehrte du bist. Wir wollen jetzt in den Speisesaal hinuntergehen, die Glocke hat uns zu Tisch gerufen.«

      Als Ilse und Fräulein Güssow eintraten, fanden sie bereits die Vorsteherin mit dem Oberamtmann vor. Fräulein Raimar machte ihren Gast mit der Hausordnung während des Essens bekannt und erklärte, daß die zuletzt angekommene Pensionärin stets ihren Platz neben der Vorsteherin angewiesen erhielt; dann, daß zwei junge Mädchen wöchentlich den Tisch besorgten. Sie mußten ihn decken und darauf achten, daß nichts fehlte und sämtliche Gegenstände sauber waren. Die jüngste der Pensionärinnen sprach stets das Tischgebet.

      Dem Oberamtmann gefielen die Anordnungen vortrefflich, und als er seinen Blick über die junge Mädchenschar hingleiten ließ, stellte er voll Freude fest, wie gesund und fröhlich alle aussahen.

      Ilse sah auch umher, aber es waren nicht die fröhlichen und gesunden Gesichter, die sie interessierten, sondern die Schürzen. Jedes Mädchen trug ein solches von ihr verachtetes Ding, und Fräulein Raimar sah nicht aus, als würde sie eine Ausnahme bei ihr gelten lassen.

      Nach dem Gebet wurden die Speisen aufgetragen. Diese waren kräftig und gut gekocht, und Herr Macket konnte sich überzeugen, daß sein Kind auch in dieser Hinsicht auf das beste versorgt sein würde.

      Nach dem Essen verabschiedete er sich bald, und Ilse durfte ihn begleiten. Kaum hörte Nellie davon, als sie wie der Wind die Treppe hinaufflog, um gleich darauf mit Ilses Hut und Handschuhen zurückzukommen.

      Ilse dankte ihr überrascht, und Herr Macket reichte ihr die Hand. »Leben Sie wohl, mein Fräulein«, sagte er herzlich, denn Nellies kleine Aufmerksamkeit nahm ihn sofort für sie ein, »und haben Sie Geduld mit meinem kleinen Wildfang!«

      »O ja«, entgegnete Nellie, »ich werde mir schon gern von sie annehmen!«

      »Nun, Ilse, wie gefällt dir das Institut?« fragte der Oberamtmann, als sie langsam dem Hotel zugingen. »Ich gestehe, daß ich sehr befriedigt von hier abreise; ich weiß, ich lasse dich in guten Händen.«

      »Mir gefällt es gar nicht hier!« erklärte Ilse höchst verstimmt. »Es ist mir alles fremd, und vor dem Fräulein Raimar mit dem blonden, glatten Scheitel fürchte ich mich. Sie ist hart und unfreundlich. Du sollst sehen, Papa, sie ist nicht gut gegen mich. Warum soll ich Bob nicht behalten?«

      »Du hast gehört, weshalb nicht, nun sollst du auch nicht mehr so hartnäckig auf deinem Wunsch bestehen«, verwies Herr Macket die Tochter.

      »Nun fängst auch du an, mit mir zu zanken! Niemals hast du so böse mit mir gesprochen«, rief Ilse schmerzlich. Sie fühlte sich in dem Gedanken, daß kein Mensch sie leiden mochte, selbst der Papa nicht, so unglücklich, daß sie auf offener Straße zu weinen begann.

      Der Oberamtmann nahm ihren Arm und legte ihn in den seinen. Die Tränen seines Töchterchens machten ihn immer weich. Er führte Ilse in das Hotel zurück, wo sie bereits Bob vorfanden, der freudig bellend sein Frauchen begrüßte. Ilse nahm ihn auf den Arm und liebkoste ihn unter lautem Schluchzen.

      Um fünf Uhr reiste der Gutsbesitzer wieder in die Heimat zurück. Die wenigen Stunden bis dahin vergingen schnell und stürmisch.

      »Sei doch verständig!« Immer wieder bat er seine Tochter inständig, wenn sie in leidenschaftlicher Erregung allerhand Drohungen ausstieß, wie: »Ich laufe heimlich davon!« oder »Ich werde so ungezogen sein, daß mich das böse Fräulein wieder fortschickt!« Herr Macket wußte, Ilse würde keines von beiden tun, aber es machte ihm Kummer, seinen Liebling so trostlos zu sehen.

      Ilse wollte den Vater zur Bahn begleiten, aber auch das litt Herr Macket nicht. »Ich bringe dich zurück in das Institut und fahre dann allein zur Bahn. So ist es am besten. Nun komm, Ilschen!« fuhr er fort, als der Wagen unten vorfuhr, und nahm sie zärtlich in den Arm. »Versprich mir, ein gutes, folgsames Kind zu sein! Du sollst sehen, wie bald du dich eingewöhnen wirst!«

      Als der Wagen vor der Anstalt hielt, trennte sich Ilse laut schluchzend von ihrem Vater, und als sie ihn davonfahren sah war es ihr zumute, als ob sie auf einer wüsten Insel allein zurückgelassen worden wäre und elendiglich untergehen müsse.

      Noch eine Weile stand Ilse vor der verschlossenen Pforte; sie konnte sich nicht entschließen, an der Klingel zu ziehen. Da wurde die Tür von selbst geöffnet, und Fräulein Güssow stand vor Ilse. Sie hatte von einem Fenster im oberen Stockwerk den Wagen kommen sehen und war hinuntergeeilt, um Ilse zu empfangen. »Jetzt gehörst du zu uns, liebes Kind«, sagte sie herzlich und nahm sie in den Arm. »Weine nicht mehr. Wir werden dich alle liebhaben.«

      Ilse gab keine Antwort; sie fühlte sich so unglücklich, daß selbst der liebevolle Empfang der jungen Lehrerin kein Echo in ihrem Herzen fand.

      »Möchtest du auf dein Zimmer gehen?« fragte Fräulein Güssow.

      Ilse nickte stumm; sie hielt noch immer das Tuch gegen die Augen gedrückt.

      »Nellie!« rief Fräulein Güssow, »geh mit Ilse hinauf und hilf ihr beim Auspacken ihrer Sachen! – Du möchtest doch wohl gern deine Sachen in Ordnung haben, liebe Ilse.«

      Sie wußte wohl, daß Ilses Gedanken in einer ganz anderen Richtung liefen, aber sie dachte, daß Tätigkeit das beste Heilmittel gegen Kummer und Herzeleid ist.

      Die beiden Mädchen begaben sich in ihr Zimmer. Ilse setzte sich auf einen Stuhl, behielt den Hut auf dem Kopf und starrte zum Fenster hinaus. Es fiel ihr nicht ein, ihre Sachen auszupacken.

      Nellie öffnete schweigend den Schrank und zog die Schubladen auf. Dann sah sie Ilse abwartend an. »Gib mich deinen Schlüssel! Ich werde aufschließen die Koffers«, sagte sie; »wir müssen auspacken.«

      Ilse verließ widerwillig ihren Platz, und da sie an irgend etwas ihren augenblicklichen Unmut auslassen mußte, nahm sie den Hut vom Kopf und warf ihn mitten in das Zimmer. »Warum soll ich alles auspacken? Ich weiß gar nicht, ob ich hierbleiben werde«, rief sie. »Mir gefällt es hier nicht.«

      Nellie nahm den Hut auf und legte ihn auf ein Bett. »Oh«, sagte sie sanft, »du gewöhnst dir schon! Es geht uns alle wie dich, wenn wir kommen. Du mußt nur deinen Kopf nicht hängen lassen! Nun gib die Schlüssels, daß ich öffnen kann!«

      Ilses Trotz konnte durch keine Waffe besser geschlagen werden als durch Nellies Sanftmut. Sie gab ihr den Schlüssel, und Nellie schloß auf und begann auszuräumen. Ilse stand dabei und sah zu.

      »Du mußt dich deine Sachen selbst aufräumen in dein

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