Der Trotzkopf. Emmy von Rhoden

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Der Trotzkopf - Emmy von Rhoden

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da? Zu Hause brauchte ich solche Dinge nie zu tun.«

      »Ist gleich, mein Kind, hier mußt du solche Dinge tun; wir machen es alle.«

      Richtig, da lagen sämtliche Servietten sauber zusammengewickelt. Ilses Serviette war die einzige, die zu einem Knäuel zusammengeballt neben ihrem Teller lag. Mit einer unwilligen Bewegung nahm sie das Tuch, schlug es flüchtig zusammen und zog den Ring darüber.

      »So nicht«, meinte Nellie, »das ist ungeschickt!« Und sie faltete es noch einmal schnell und geschickt mit ihren kleinen Händen. Die junge Engländerin zeigte in allen ihren Bewegungen große Anmut; es war ein Vergnügen, ihr zuzusehen.

      »Nun schnell in den Garten!« rief sie, nahm Ilses Arm und führte sie hinaus.

      Der Garten war sehr schön, nicht so groß und natürlich wie der heimatliche, aber gut gepflegt. Bäume standen darin, auch fehlte es nicht an lauschigen Plätzen. Von überall her sah man die grünbewaldeten Berge.

      »Ist es nicht nett hier?« fragte Nellie. »Habt ihr bei dich auch so schöne Berge?«

      »Nein, Berge haben wir nicht«, entgegnete Ilse, »aber es gefällt mir doch besser bei uns. Es ist alles so frei, ich kann alle Felder übersehen. Eine Mauer haben wir auch nicht um unseren Park, nur eine grüne Hecke; das ist viel hübscher.«

      Nellie führte sie zu einer alten Linde, die mit ihren breiten Zweigen und Ästen einen großen, runden Raum beschattete. »Oh, es ist süß hier! Nicht wahr?« fragte sie entzückt und sah mit leuchtenden Augen hinauf in das grüne Blätterdach. »Hier halten wir unsere Ruhe zu Mittag. Dieser alte Baum kann viel erzählen, wenn er sprechen will. Er weiß soviel Geheimnisse, die hier verraten sind.«

      Bei Nellies Geplauder verging die Zeit schnell. Ilse, die am Morgen so unglücklich gewesen war wie nie und noch zu Mittag geglaubt hatte, die Trennung von ihrem Vater nicht überleben zu können, mußte immer wieder herzlich über Nellie lachen, die sie in ihrer drolligen Art auf die verschiedenen Pensionärinnen aufmerksam machte.

      »Wie heißt das junge Mädchen, das bei Tisch neben mir sitzt?« fragte Ilse.

      »Die mit die kurze Haar und der Brille auf die Nase? Das ist Orla Sassuwitsch. Oh, sie ist klug! Wir haben alle eine kleine wenig Furcht vor sie, weil sie immer die Wahrheit gerade in die Gesicht sagt.«

      »Das soll man doch immer tun!« meinte Ilse.

      »O ja, wenn sie angenehm ist! Aber zuweilen tut die Wahrheit weh; das hört keiner Mensch gern. Wenn ich zu sie sagen würde: ›Orla, du hast geraucht‹, das würde sie gar nicht gefallen, und es ist doch die Wahrheit. Ich habe durch ihr Schlüsselloch geluxt und habe große, rauchige Wolken gesehen.«

      Beide waren jetzt bei der Trauerweide angelangt, die ihre grünen Zweige bis auf den Boden senkte. Nellie blieb stehen und bog einige Zweige auseinander. »Hier, Ilse, stell‘ ich dich unsre Dichterin vor«, sagte sie lachend.

      Die Angeredete blickte zwischen die Zweige und sah ein junges Mädchen auf einer kleinen Bank sitzen. Sie war hoch aufgeschossen, blond und blaß, ihr Gesicht mit zahllosen Sommersprossen bedeckt. Auf ihrem Schoß lag ein dickes blaues Heft, in das sie eifrig schrieb.

      Mit neugieriger Scheu blickte sie Ilse an; sie hatte bis jetzt nicht gewußt, daß siebzehnjährige Mädchen schon dichten konnten.

      »Sie schreibt Romane«, fuhr Nellie fort, »aber wie! Es kommen immer zerbrochene Herzen drin vor. – Du dir die Augen schaden wirst, du hast kein Licht genug zu deine Romane!«

      Bis dahin hatte sich Flora Hopfstange in ihrer Arbeit nicht stören lassen, jetzt aber wurde sie ärgerlich. »Ich bitte dich, laß mich in Ruhe, Nellie!« rief sie und schlug ihre hellblauen Augen schwärmerisch auf. »Eben fiel mir ein so wundervoller Gedanke ein, nun habe ich ihn verloren.«

      »Oh, ich will ihn suchen!« neckte Nellie und bückte sich zur Erde nieder, als wollte sie ihn dort finden.

      »Du bist unausstehlich!« entgegnete Flora aufgebracht. »Du freilich hast keine Ahnung von meiner Poesie, du kannst nicht einmal richtig deutsch sprechen!«

      »Das ist wahr«, meinte Nellie lachend und verließ mit Ilse die schwerbeleidigte Dichterin.

      Melanie und Grete kamen ihnen entgegen. Sie führten in ihrer Mitte ein junges Mädchen; es mochte in Melanies Alter sein, mit lieben, sanften Gesichtszügen. Das braune Haar trug es einfach und glatt gescheitelt, kein Härchen sprang widerspenstig hervor. Freundlich lächelte es Ilse und Nellie an, die beiden Schwestern dagegen musterten im Vorübergehen die Neuangekommene mit spöttischen Blicken.

      »Die Schwestern kennst du«, bemerkte Nellie, »sie sitzen dich geradeüber bei Tisch, aber unsre ›Artige‹ ist dich noch unbekannt. Oh, ich sage dich, Ilse, sie ist so artig wie eines ganz wohlgezogenes Kind! Sie ist immer der erste in alle Stunden und macht nie eine dummer Streich, kurz, Rosi Möller ist ein Musterkind.«

      »Was sagst du von unserem Musterkind?« rief plötzlich eine fröhliche Mädchenstimme. »Nellie, Nellie, dein böses Zünglein geht sicher mit dir durch!«

      »Du irrst dir, liebes Lachtaube«, entgegnete Nellie. »Ilse ist noch fremd, ich mache ihr bekannt.«

      »Wer war das?« fragte Ilse, als die kleine, runde Mädchengestalt, die an Orlas Arm hing, vorüber war.

      »Das ist Annemie von Bosse, genannt Lachtaube. Sie lacht sehr viel, eigentlich immer, und sie kann kein Ende davon finden. Man muß mitlachen, sie steckt an. – Nun habe ich dich aber alle Mädchen gezeigt, die in unser Alter sind; die andern sind zu jung, oder es sind Engländerinnen. Von die ist nicht viel zu sage; sie sind alle langweilig, und sie sprechen noch viel weniger gut deutsch als ich.«

      Schlag neun begaben sich sämtliche Pensionärinnen zurück in das Haus. Bevor sie zur Ruhe gingen, war es Sitte, daß sich alle in das Zimmer der Vorsteherin begaben, um ihr gute Nacht zu wünschen. Dabei ermahnte, lobte oder tadelte sie die Mädchen, je nachdem, ob sie den Tag über etwas gut oder schlecht gemacht hatten; alles geschah in liebevoller Weise.

      »Ich möchte dir noch etwas sagen, liebe Ilse«, sagte Fräulein Raimar, als ihr Ilse gute Nacht wünschte. »Bleibe noch einen Augenblick hier!«

      Als alle Mädchen aus dem Zimmer gegangen waren, ermahnte sie Ilse, sich bei Tisch gesitteter zu benehmen. »Du darfst nicht die Tasse mit beiden Händen fassen und die Ellbogen dabei aufstützen, Kind; du glaubst nicht, wie unschön das aussieht! Achte auf deine Mitschülerinnen! Du wirst sehen, daß keine einzige es so macht wie du. Und stecke nicht wieder so große Bissen in den Mund! Das tun nur kleine Kinder, aber dann nennt die Mutter sie ›Nimmersatt‹.«

      Ilse wurde dunkelrot vor Ärger über die Ermahnung. Trotzig biß sie die Lippen aufeinander und unterdrückte eine Antwort.

      »Geh nun zu Bett, mein Kind, und schlafe gut!«

      Sie wollte Ilse einen Kuß auf die Stirn drücken, aber das Mädchen bog mit einer heftigen Bewegung den Kopf zurück. Fräulein Raimar wandte sich unwillig von dem Trotzkopf ab, ohne ein Wort zu sagen, und Ilse verließ das Zimmer.

      Sie lief die Treppe hinauf und trat atemlos zu Nellie in das Zimmer. Sie warf die Tür heftig in das Schloß und schob auch noch den Riegel vor, was in der Pension streng untersagt war.

      »Mach nicht den Riegel zu!« rief Nellie. »Wir dürfen das nicht tun. Wenn wir in die Bett liegen, kommt Fräulein Güssow bei uns nachsehen.«

      Ilse rührte sich natürlich nicht,

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