Der Trotzkopf. Emmy von Rhoden

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Der Trotzkopf - Emmy von Rhoden

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style="font-size:15px;">      »Hier bleibe ich nicht! Ich reise morgen fort! Wenn das mein Papa wüßte, wie sie mich behandelt hat!« rief Ilse aufgeregt.

      Durch viele Fragen erfuhr Nellie langsam in einzelnen abgerissenen Sätzen, was Fräulein Raimar gerügt hatte.

      »Ich esse ungeschickt – ich nehme zu große Bissen – ich sei ein Nimmersatt! Zu Hause darf ich essen, wie und was ich will. Ich will wieder fort! Morgen reise ich!«

      »Du mußt dir nicht so viel grämen um so kleine Sach‘!« bemerkte Nellie sanft und strich liebkosend über Ilses lockiges Haar. »Fräulein Raimar ist sehr gerecht; sie meint es gut und will dir nicht beleidigen. Mit uns alle macht sie es so. Wir sind doch jung und dumm und müssen noch lernen. – Nun komm, wir legen uns jetzt ins Bett, und später, wenn Fräulein Güssow bei uns eingesehen hat, stehen wir ganz leise wie die Mäuschen wieder auf und packen deiner kleine Koffer leer!«

      Aber so leicht war Ilse nicht zu beruhigen. »Nein«, rief sie und sprang auf, »der kleine Koffer bleibt verschlossen! Ich reise wieder fort!«

      Hastig zog sie sich aus, ließ ihre Kleidungsstücke liegen, wohin sie fielen, und legte sich schluchzend in ihr Bett. Schweigend ordnete Nellie die zerstreuten Sachen; sie hing das schöne Kleid, das zerknüllt auf einem Stuhl lag, über einen Bügel und legte alles übrige ordentlich zusammen. Dann ging auch sie zur Ruhe.

      Bevor sie ihr Lager aufsuchte, kniete sie nieder, faltete die Hände und betete leise ein kurzes Gebet. »Gute Nacht, Ilse!« sagte sie dann und gab ihr einen Kuß. »Du mußt nun nicht mehr weinen – alle Anfang ist schwer.«

      Am andern Morgen um sechs Uhr hieß es: Aufgestanden! Da galt kein langes Besinnen, und wenn die jungen Glieder noch so sehr vom Schlaf befangen waren, es gab keine Ausnahme. Ilse pflegte daheim bald früh, bald spät aufzustehen, wie es ihr gerade einfiel. Einer bestimmten Ordnung, wie sie die Mama so sehr wünschte, wollte sie sich niemals fügen.

      Nellie stand schon da und wusch sich. Mit einem Sprung war sie Schlag sechs Uhr aus dem Bett gewesen. »Wach auf, Ilse!« sagte sie. »Um halb sieben trinken wir Kaffee.«

      »Schon aufstehen?« antwortete die Verschlafene. »Aber ich bin noch so müde!«

      »Tut nix, du darfst nicht mehr schläfrig sein!«

      Aber Ilse zögerte noch. Nellie war schon fertig angezogen, und alles, was sie zur Nacht- und Morgentoilette benötigte, war beiseite geräumt, als Ilse sich langsam erhob.

      »O Ilse, eile dir, du hast nur zehn Minuten Zeit. Schnell, schnell, ich will dich helfen! Wo ist dein Kamm?«

      Ilse zeigte auf ein Papier, das im Fenster lag. »Dort liegen sie eingewickelt«, gab sie zur Antwort.

      »Das ist nicht nett, das gefallt mir nicht«, meinte Nellie und rümpfte das Näschen. »Du mußt dich ein Taschen nähen von grauer Stoff und rote Band, sieh, wie dies da!« Nellie zeigte ihre Kammtasche. »Siehst du, so ist‘s fein!«

      Ilse machte nicht viel Umstände mit ihrem Haar. Sie kämmte und bürstete es, damit war alles geschehen; die natürlichen Locken ringelten sich von selbst ohne weitere Bemühung. Nellie schlang ihr ein hellblaues Band durch und band es mit einer Schleife seitwärts zu.

      »Nun noch die Schürze«, sagte sie, als Ilse soweit fertig war, »die darf nicht fehlen.« Sie lachte, als sich Ilse dagegen sträubte. »Du bist ein klein, albern Ding«, schalt sie und band ihr die Schürze vor, trotz Ilses heftigem Widerstand. »Gleich haltst du still! Ohn ein Schürzen gibt es kein Kaffee.«

      Die lustige Nellie setzte es wirklich durch, daß Ilse sich ihrem Willen fügte. »So«, sagte sie, »nun bist du schön. Die blau gestickter Schürze ist sehr nett, und du bekommst ein süßer Kuß.«

      Nellie und Ilse waren die letzten am Frühstückstisch. Fräulein Raimar war des Morgens niemals zugegen, nur Fräulein Güssow führte die Aufsicht. Ilse mußte sich zu ihr setzen. Als ihr der Kaffee gereicht wurde, nahm sie die Tasse ganz sittsam beim Henkel in die Hand, aß auch, wie es sich gehört, nicht mit großen Bissen wie am Abend zuvor; aber nun zeigte sich eine andere Unart, die ebenfalls zu tadeln war: Sie schlürfte den Kaffee so laut, daß sie allgemeine Heiterkeit erregte.

      Ilse wußte nicht, daß das Gelächter ihr galt. Orla machte sie darauf aufmerksam. »Du führst ja ein wahres Konzert auf!« sagte sie. »Machst du das immer so? Schön hört sich diese Tafelmusik nicht an, das kann ich dir versichern!«

      Ilse fühlte sich schwer beleidigt über diese Zurechtweisung. Hastig setzte sie die Tasse nieder, erhob sich und eilte hinaus.

      »Du durftest sie nicht vor allen andern so beschämen, Orla!« tadelte Fräulein Güssow, indem sie ebenfalls aufstand, um Ilse zu folgen. »Das kränkt sehr.«

      Ilse wollte in den Garten eilen, als die junge Lehrerin sie zurückrief. »Wo willst du hin, Ilse?« fragte sie. »Was fällt dir ein, mein Kind, einfach davonzulaufen! Es gehört sich nicht, eine Mahlzeit zu verlassen, bevor sie beendet ist. Komm gleich zurück und trinke deinen Kaffee.«

      »Ich mag nicht mehr frühstücken«, entgegnete Ilse, »und ich gehe nicht wieder hinein! Es geht niemand etwas an, wie ich esse und trinke, ich mache es, wie ich will! Vorschriften lasse ich mir nicht machen, nein!«

      »Ehe ich weiter mit dir spreche, bitte ich dich, erst ruhig und vernünftig zu sein, liebe Ilse. Ich kann nicht dulden, daß du in einem so unartigen Ton zu mir sprichst.« Fräulein Güssow sprach sehr ernst und nachdrücklich, aber durch die Strenge der Worte hindurch vernahm man deutlich den warmen Klang der Liebe. Ihre wohlklingende Stimme verfehlte selten den Weg zu den Herzen, das lernte auch Ilse in diesem Augenblick kennen. Sie blickte zu Boden, und etwas wie Beschämung stieg in ihr auf.

      Die Lehrerin las in Ilses Zügen und wußte, was in ihr vorging. »Gib mir deine Hand, du kleiner Brausekopf«, sagte sie freundlich, »und versprich mir, nicht wieder so stürmisch zu sein und deiner augenblicklichen Laune zu folgen, selbst wenn du glaubst, im Recht zu sein! Heute warst du es nicht einmal, du hast wirklich unappetitlich getrunken. Orla hat es gut gemeint, als sie dich darauf aufmerksam machte; du darfst ihr darum nicht böse sein. Es ist doch besser, jetzt als Kind zurechtgewiesen zu werden als später, wenn aus den schlechten Gewohnheiten bereits Fehler geworden sind, die bei einem Erwachsenen nicht mehr entschuldigt werden können. Siehst du das ein, Ilse?«

      Vielleicht tat sie es, aber sie würde ein Ja nicht über die Lippen gebracht haben. Fräulein Güssow begnügte sich mit ihrem Stillschweigen und nahm es für eine Zustimmung.

      »Nun wollen wir zurück in den Speisesaal gehen«, sagte sie, und Ilse wagte keine Widerrede. Sie folgte der Lehrerin mit niedergeschlagenen Augen, aus Furcht vor den vielen peinlichen Blicken, die sich alle auf sie, richten würden.

      Als sie eintraten, war das Zimmer leer und die Frühstückszeit vorüber. Niemand war froher als Ilse, die sich wie erlöst vorkam.

      »Ich habe noch einen Auftrag für dich, Ilse«, sagte die Lehrerin. »Fräulein Raimar wünscht deine Arbeitshefte zu sehen, du sollst auch gleich mündlich geprüft werden. Finde dich in einer Stunde in dem Konferenzzimmer ein! Du wirst dort einige deiner zukünftigen Lehrer und Lehrerinnen kennenlernen.«

      »Wollen sie mich alle prüfen?« fragte Ilse etwas besorgt.

      »Nein«, entgegnete das Fräulein, »aber sie werden zuhören, wenn Fräulein Raimar dich prüft. Später wirst du dann erfahren, in welche Klasse du kommst, und morgen nimmst du zum erstenmal am Unterricht teil.«

      Ilse ging in ihr Zimmer und

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