Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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»Ei freilich! Es war ein großer Herr; ich war der irdene Topf, der am eisernen zerbricht. Doch in der Steppe gilt kein Rangunterschied mehr, und ich hoffe es ihm morgen früh oder später zu beweisen. Ach, wenn ich doch hier ebenso sicher einen gewissen Alkalden Don Ramon Cochecho und den ihm mit Leib und Seele ergebenen Señor Cayatinta hätte, ich würde sie alle drei eine schlimme Viertelstunde erleben lassen!«
»Wohlan – ich gebe dir recht«, sagte Bois-Rosé, indem er ein Stück Hammelbraten zu sich nahm, das zwei Männer hätte sättigen können; »wir wollen demnach unsere Reise nach Arizpe aufschieben.«
»Es ist, wie du siehst, eine alte Geschichte«, sagte Pepe zum Schluß, »und wenn ich seit zehn Jahren mein Schicksal mit dem deinigen verbunden habe und nach deiner Anleitung Waldläufer geworden bin, nachdem ich Grenzjäger Seiner katholischen Majestät gewesen bin, so verdanke ich es jenem Mann, den wir den Reitertrupp haben befehligen sehen, der die Richtung nach dieser Hacienda einschlug.« Und Pepe zeigte mit dem Finger in der Richtung der Hacienda del Venado.
»Ja, ja«, sagte der Kanadier lachend, »ich erinnere mich noch der Zeit, wo du einen ›Cibolo‹ auf fünfzehn Schritt gefehlt haben würdest, und ich glaube jetzt aus dir einen ziemlich guten Schützen gemacht zu haben, obgleich du noch zuweilen das Auge einer Fischotter mit ihrem Ohr verwechselst, was den Preis ihres Felles immer geringer macht. Aber du brauchst dich nicht darüber zu beklagen, das Garnisonsleben mit dem Waldleben vertauscht zu haben. Ich bin auch nicht immer Otternjäger gewesen. Ich war Matrose, wie du weißt; nun gut, ich finde, daß die Steppe dem Meer gleicht – diejenigen, die darin gelebt haben, können sie nicht wieder verlassen.« Dann nahm er nach einem Augenblick wieder das Wort: »Ich würde indes auf das Meer nicht ohne ein trauriges Ereignis verzichtet haben … Doch warum von dem sprechen, das nicht mehr ist? Vergangen ist vergangen!«
»Das Leben in den Wäldern hat seinen Reiz, ich gebe es zu«, sagte Pepe; »aber ich habe es nicht gern, daß ein Beruf mir aufgenötigt wird! Nicht darum jedoch zürne ich ihm, sondern der Umstände halber, die dem abenteuerlichen Leben, das ich nun seit fünfzehn Jahren führe, vorangingen und mich dazu bestimmt haben.«
»Still!« unterbrach ihn der Kanadier, indem er seinen Finger an die Lippen legte. »Ich glaube das dürre Gestrüpp brechen zu hören; andere Ohren als die meinigen könnten deine vertrauliche Mitteilungen mit anhören. Das ist übrigens kein Mann, der unbemerkt zu bleiben sucht«, fügte er hinzu, indem er seine Büchse nachlässig zur Hand nahm; »der Mond läßt ja im Dickicht den geringsten trockenen Halm erkennen, und er hätte die Zweige sehen können, die er auf seinem Weg zertrat.«
Pepe warf einen raschen Blick nach der Richtung, aus der der Lärm kam. Das Auge des spanischen Jägers hatte bald einen Schatten bemerkt, der sich auf dem grünen Teppich einer Lichtung, ungefähr dreißig Schritt von ihm, immer mehr verlängerte. Unter allen anderen Umständen würde er über diese Erscheinung nicht unruhig geworden sein – besonders nach den Erklärungen, die der Kanadier abgegeben hatte —, aber der Herankommende näherte sich von der Seite der Hacienda her, und allein aus diesem Grund war er ihm verdächtig.
»Wer geht da?« rief er mit einer Stimme, deren Klang durch die schweigende Nacht erscholl.
»Ein Mann, der einen Zufluchtsort bei Eurem Feuer sucht«, antwortete eine andere Stimme, nicht in dem hellen Ton, den diejenige Pepes hatte.
»Soll ich ihn herankommen lassen oder soll ich ihn ersuchen, seinen Weg fortzusetzen?« fragte dieser den Kanadier.
»Wolle Gott nicht, daß wir ihn zurückwiesen«, antwortete der. »Vielleicht hat man ihm dort unten die Gastfreundschaft verweigert; er ist allein, und seine Stimme, die ich, wie mir scheint, nicht zum erstenmal höre, beweist, daß er ermüdet oder vielleicht krank ist.«
»Wohlan, Ihr seid willkommen am Feuer und beim Essen.«
Gleichzeitig erschien Tiburcios Gesicht, noch bleich von der Aufregung der letzten Ereignisse und auch vom Blutverlust, den er erlitten hatte.
Obgleich seine Züge schon beiden Jägern bekannt waren, so schien doch Pepe davon betroffen zu sein, so daß er eine kaum bemerkbare Gebärde des Erstaunens machte, während das Gesicht des Kanadiers nur jenes natürliche Wohlwollen des Alters für die Jugend ausdrückte.
»Seid Ihr weit von den Reitern verirrt, bei denen Ihr Euch befandet?« fragte Pepe Tiburcio, der sich mehr auf den Rasen fallen ließ, als daß er sich setzte. »Und wißt Ihr nicht, daß Ihr eine Viertelstunde von hier eine bessere Gastfreundschaft als die unsere hättet finden können? Ich kenne den Besitzer des Hauses da unten nicht, aber ich denke nicht, daß er sie Euch verweigert hat. Oder kommt Ihr vielmehr nicht von der Hacienda selbst her?«
»Ich komme von ihr«, antwortete Tiburcio. »Ich kann Don Agustin nicht den Vorwurf machen, mir die Gastfreundschaft verweigert zu haben; aber sein Dach beherbergt Gäste, mit denen ich meiner Sicherheit halber nicht weiter zusammenwohnen kann.«
»Wie denn?« erwiderte Pepe mit mißtrauischer Miene, denn diese Ähnlichkeit mit seinen eigenen Gedanken schien ihm zu offenbar, um nicht einen Hinterhalt zu verdecken. »Ist etwa da unten etwas Außerordentliches vorgefallen?«
Tiburcio schlug seinen Zarapa auseinander und zeigte seinen rechten Arm, dessen Ärmel von Cuchillos Messer zerrissen und mit Blut befleckt war. Dieser Anblick zerstreute Pepes Argwohn vollständig.
»Hier ist meine Hand«, sagte er mit mehr Hingabe, als er zu zeigen glaubte; »wenn mein Verdacht betreffend die Behandlung, die Ihr in der Hacienda erduldet habt, begründet ist, so könnten wir uns, glaube ich, noch verständigen.« Bei diesen Worten warf er einen Blick des Einverständnisses auf Bois-Rosé und streckte Tiburcio die Hand hin, der ihm seine linke Hand reichte.
Der Kanadier setzte seine gastronomischen Verrichtungen aus, um die Wunde seines neuen Gastes zu untersuchen, und tat dies mit einer seltenen Geschicklichkeit und ungeachtet seiner rauhen Gesichtszüge mit einer fast zärtlichen Teilnahme. Teufel«, sagte er, »Ihr habt es mit einem Schelm zu tun gehabt, der eine feste Hand hatte! Einige Zoll seitwärts hätten Eure Abenteuer beendet. Doch es wird nichts zu bedeuten haben, mein Junge, beruhigt Euch!« fügte er hinzu, indem er die auf die Wunde geklebten Kleidungsstücke abnahm, nachdem er sie mit Wasser angefeuchtet hatte. »Ein Verband von gequetschten Kräutern darauf, und man wird keine Spur davon sehen. Pepe, sieh doch zu, ob du dir nicht eine Handvoll Oregano verschaffen kannst; quetsche es zwischen zwei Steinen, und bring es mir her.«
Pepe kam bald mit einem Bündel jenes Krauts zurück, dessen Heilkräfte im ganzen Land so bekannt sind, und befolgte sorgsam die Befehle Bois-Rosés. Dieser legte diese Art von Pflaster auf die Wunde und verband sie mit Tiburcios Gürtel aus chinesischem Flor. »Ihr müßt Euch schon leichter fühlen«, sagte er. »Es gibt nichts Besseres als den Oregano, um Wunden vor Entzündung zu bewahren, und Ihr werdet auch nicht den kleinsten Fieberanfall spüren. Nun, mein Junge, wenn Ihr Appetit habt, so stehen Euch ein Stück Hammelbraten und ein Schluck Branntwein zu Diensten; danach werdet Ihr guttun, Euch beim Feuer niederzulegen und zu schlafen, denn die Müdigkeit scheint Euch zu überwältigen.«
»Ich habe wirklich seit achtundvierzig Stunden so viele Ereignisse Schlag auf Schlag erlebt«, antwortete Tiburcio, »daß es mir vorkommt, als ob ich ein Jahrhundert gelebt hätte; und in diesem Augenblick scheint sich alles im Kreis um mich herum zu drehen. Was das Essen anbetrifft, so danke ich Euch; der Schlaf wird mir die Kräfte wiedergeben, die ich in der kritischen Lage, in der ich mich befinde, nötig habe. Ich bitte Euch nur noch um einen Dienst – nämlich den, mich nicht zu lange schlafen zu lassen.«
»Gut, gut!« sagte Pepe seinerseits. »Ich frage Euch nicht, warum; aber wenn Ihr vorhabt, die Hacienda in Belagerungszustand zu erklären, so bin ich da, und ich habe gute Augen, die Euch zu Diensten