Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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Es blieb nur noch die Ausführung dieses Plans übrig. Als der Spanier ihn einmal in seinem Geist beschlossen hatte, brach er zum erstenmal das Stillschweigen. »Ungeschickter Dummkopf!« murmelte er laut genug, daß Cuchillo es hören konnte.
»Beliebt Eure Herrlichkeit, von mir zu sprechen?« fragte der Bandit in einem Ton, in dem die augenblickliche Demütigung mit seiner gewöhnlichen Unverschämtheit stritt.
»Und von wem sollte ich wohl sonst sprechen – wenn Ihr nichts dagegen habt – als von dem Mann, der seinen Gegner weder durch List auszuforschen noch sich seiner durch Gewalt zu entledigen versteht? Ein Weib hätte getan, was Ihr nicht habt tun können. Ich hatte es Euch ja gesagt, dieses Kind ist ein Riese gegen Euch, und ohne mich …«
»Ich leugne nicht, daß Eure Vermittlung mir von Nutzen gewesen ist«, unterbrach Cuchillo; »aber ohne Eure Dazwischenkunft auf dem Weg nach der Poza wäre auch Tiburcio für uns kein Gegner mehr, den wir zu fürchten hätten.«
»Wieso?« fragte Don Estévan.
»Gestern abend, als ich ihn hinter mir auf dem Rücken meines Pferdes nach Eurem Nachtlager hinbrachte, hatte der junge Mann mir gedroht, mich in meiner Ehre beleidigt, und ich wollte eben unseren Streit durch einen guten Büchsenschuß beenden, als ein Abgesandter von Euch – Benito, der Jaguarbewunderer – uns entgegenkam und ein Pferd und Wasser überbrachte; ich mußte auf meinen Plan verzichten. Hier war das Rechte, wie Ihr seht, Don Estévan; die Tugend bringt uns Unglück! Das kommt von unserer Wohltätigkeit.«
»Sprecht von Euch, Schelm!« sagte der Spanier, dessen Stolz sich bei dem Vergleich empörte, den der Bandit zwischen ihnen aufzustellen suchte. »Und wenn man die Abwesenden angreifen darf – was hat denn dieser junge Mann Eurer Ehre zuleide getan ?«
»Was? Weiß ich es? Es war wegen meines Pferdes, das …« Cuchillo hielt inne wie ein Mann, dessen Zunge ein unbesonnenes Wort gesprochen hat.
»Das mit dem linken Fuß stolpert«, fügte Don Estévan hinzu. »Die alte Geschichte vom Pferd Arellanos‘.«
»Ich habe ihn nicht getötet!« rief der Bandit. »Ich habe ihm vielleicht einiges Unrecht vorzuwerfen gehabt, aber … ich habe es ihm von Herzen vergeben.«
»Ihr seid so großmütig! Aber Scherz beiseite; Ihr seht, dieser junge Mann darf uns nicht mehr im Weg stehen. Ich weiß nicht, welch ein Interesse ich an ihm nahm … gegen meinen Willen. In Wahrheit: Was kümmert es mich, ob er – allein, wie er dasteht – ein Geheimnis mit uns teilt? Heute bin ich anderer Meinung. Ich habe Euch eine halbe Unze gegeben, um ihn vom Tod zu retten; freilich ohne zu wissen, wer er war; jetzt will ich Euch zwanzig geben, auf daß er nicht mehr ist.«
»Das lass‘ ich mir gefallen – wir werden wieder Freunde! Seid nicht böse darüber, Don Estévan; morgen aber müßten wir viel Pech haben, wenn bei dieser Jagd auf wilde Pferde das seinige ihn nicht in eine Schlucht stürzte oder ihm nicht den Kopf an einem Felsen oder Baumstamm zerschmetterte oder ihn nicht wenigstens an einen Ort brächte, von dem er nicht wieder zurückkehren wird. Freilich werde ich ein wenig mit Oroche und Baraja teilen müssen; aber ich werde schon dahin sehen, daß es so wenig wie möglich ist.«
»Morgen!« wiederholte ungeduldig Don Estévan.
»Und wer sagt Euch, daß das ›Morgen‹ Euch gehört? Ach was! Ist die Nacht nicht lang, sind diese Gärten nicht weit genug? Seid Ihr nicht drei gegen einen? Wer gibt Euch die Gewißheit, daß ich morgen nicht anderer Ansicht geworden bin?«
Diese Drohung erschreckte Cuchillo. »Caramba!« sagte er. »Eure Herrlichkeit verschiebt nicht gern auf den folgenden Tag, was heute geschehen kann! Wohlan – ich werde mein Möglichstes tun. In der Tat – alles ist so ruhig hier, als ob nichts vorgefallen wäre, obgleich ich, um die Wahrheit zu sagen, erstaunt bin, daß das Geschrei des Mädchens nicht gehört worden ist.«
Wirklich hatte der Kampf zwischen Tiburcio und seinen Angreifern dank der späten nächtlichen Stunde keinen anderen Zeugen gehabt als die Tochter des Eigentümers dieser weitläufigen Hacienda, in der, wie wir schon sagten, alles schlief, mit Ausnahme der Gäste, in deren Interesse es lag, die Freveltat, die eben begangen worden war, zu verbergen.
Während sich Cuchillo nach dem Teil der Gesindewohnungen wandte, wo sich seine Gefährten befanden, schlug Don Estévan den Weg nach seinem Zimmer ein. Der Mond strahlte am Himmel, die Sterne funkelten, und die Luft war erfüllt vom Wohlgeruch der Orangenbäume, ganz als ob das Verbrechen nicht wach gewesen wäre mitten in dieser strahlenden Nacht. Don Estévan ging lange in seinem Zimmer auf und ab.
Der Senator schlief in dem seinigen mit der Ruhe eines Mannes, der sich in schwierigen Verhältnissen auf andere verläßt; süße Träume umschwebten sein Lager.
Don Agustin seinerseits ahnte in seinem Schlummer ebensowenig als der glückliche Tragaduros, daß ein zärtlicher Blick Doña Rosaritas, eine Träne in ihrem schönen Auge, ein Wort von ihren roten Lippen alle Pläne hätten scheitern lassen können.
Don Estévan allein ging in seinem Zimmer mit großen Schritten auf und ab wie der Ehrgeizige, der gewohnt ist, zu wachen, wenn die anderen schlafen, als Cuchillo zweimal an seine Tür klopfte. Beim Anblick seiner bestürzten Züge bebte der Spanier; er fürchtete und wünschte zugleich die Vollziehung seiner Befehle.
»Meine zwanzig Unzen sind futsch!« sagte Cuchillo. »Der junge Mann ist nicht mehr in der Hacienda.« »Er ist fort!« rief Don Estévan. »Und Ihr habt ihn entkommen lassen!«
»Wie war es zu verhindern? Dieses Tier Baraja war ebenso wie Oroche trunken vom Mescal; Diaz hat sich geradezu geweigert, mit mir gemeinsame Sache zu machen; und ehe ich den beiden Trunkenbolden begreiflich machen konnte, worum es sich handelte, hatte der junge Mann das Weite gesucht und die Mauer überstiegen. So wenigstens haben wir vermutet.«
»Weshalb?« fragte der Spanier.
»Als wir anlangten, hatte sich Doña Rosarita, mit dem Gesicht nach dem Wald, der sich hinter der Hacienda erhebt, über die Mauer gelehnt, und wenn der junge Mann, der offenbar diese Richtung eingeschlagen hat, nicht schon sehr weit entfernt gewesen wäre, so ist es mehr als gewiß, daß die Liebesworte, die ihr Mund ihm nachsandte, ihn hätten umkehren lassen.«
»Also liebt sie ihn doch!« rief Don Estévan.
»Leidenschaftlich! Dafür bürge ich – oder ihre Worte und ihre Stimme waren sehr trügerisch.« Und Cuchillo wiederholte Don Estévan den leidenschaftlichen, aber erfolglosen Ruf, den das junge Mädchen Tiburcio nachgeschickt hatte.
»Man muß zu Pferd steigen und ihm nachsetzen; der Erfolg unserer Expedition hängt vom Leben dieses jungen Mannes ab. Sattelt schnell unsere Pferde, Ihr und Eure Freunde; weckt Benito, die Diener, so daß wir spätestens in einer Stunde alle im Sattel sitzen. Während dieser Zeit will ich noch zuvor Don Agustin und den Senator benachrichtigen.«
Geradeso habe ich ihn vor zwanzig Jahren gekannt: immer feurig und voller Verachtung aller Schwierigkeiten, sagte Cuchillo für sich, als Arechiza weggegangen war. Wenn er mit solchem Charakter kein Glück in seinem Vaterland gemacht hat, so weiß ich nicht mehr, wozu Ausdauer und Energie gut wären. Unter diesen Betrachtungen beeilte sich Cuchillo, die Befehle seines Chefs auszuführen.
Dieser zog sogleich seine Reisekleider wieder an und ging nach dem Zimmer des Senators. Die Tür stand offen wie meist in diesen Ländern, wo man fast das ganze Leben außer Haus zubringt. Der Mond schien in vollen Strahlen durch die Fenster des Senators und erleuchtete hinreichend das Zimmer, in dem er schlief.
»Was