Der Waldläufer. Gabriel Ferry
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Waldläufer - Gabriel Ferry страница 40
Der Bandit verbiß schweigend seine Wut.
»Wir werden nun erfahren«, fügte der Spanier hinzu, »ob er die Stelle, wo das Val d‘Or liegt, ebensowenig ahnt als die, wo sich das irdische Paradies befindet.«
Bei diesen Worten, die den Banditen an seine lügenhaften Behauptungen erinnerten, zuckte dieser zusammen wie der Stier, wenn er fühlt, daß die scharfen Spitzen der Bandilleras in sein Fleisch dringen.
Unterdessen hielt es Arechiza, der zufrieden war, die bösen Leidenschaften des Banditen geschürt zu haben, für klug, sie bis zu dem Augenblick im Zaum zu halten, wo es im Interesse seiner Politik läge, ihren Ausbruch nicht mehr zu hemmen. Ein unter seinen Augen begangenes Verbrechen, ohne daß sein Mund es befohlen oder nur dazu geraten hätte, mußte sein Gewissen sichern und ließ ihm gegenüber Cuchillo das ganze Ansehen, die ganze Gewalt, die ihm durch eine Mitschuld geraubt worden wäre. Er faßte also kräftig den Arm Cuchillos und sagte zu ihm: »Bei Eurer Seele Seligkeit – erinnert Euch daran, daß das Leben dieses jungen Mannes geheiligt ist!«
Ein Lächeln von böser Vorbedeutung verfinsterte noch das Gesicht des Banditen, der eben antworten wollte.
»Still!« sagte Arechiza. »Hören wir!« Und seine Hand blieb auf dem Arm Cuchillos liegen, während seine Blicke sich von ihm abwandten. —
Dies alles war das Werk einer Minute gewesen; die Stimme Tiburcios ließ sich nach kurzem Schweigen abermals vernehmen. »Wohlan, warum soll ich es Euch noch länger verbergen?« rief Tiburcio, von der aufmerksamen Miene Rosaritas angefeuert. »Ehren, Reichtümer, Macht – alles kann ich zu Euren Füßen legen, und nur Ihr, Ihr allein hättet dieses Wunder getan!«
So ungläubig die Frauen auch in mancherlei Punkten sind, so gern glauben sie doch wieder an die Wunder, die sie verrichten. Rosarita heftete ihre Augen fragend auf Tiburcio.
»Ich hätte es Euch vielleicht schon früher mitteilen müssen«, sagte er und schlug die Augen unter einem Vorwurf seines Gewissens nieder, »daß meine Adoptivmutter zu dem gegangen ist, der die Stelle meines Vaters vertreten hat; aber bei meiner Ankunft hier habe ich nur an eine gedacht …«
»Ich weiß es«, unterbrach ihn das junge Mädchen; »Ihr seid jetzt allein in der Welt; ich habe es heute abend aus dem Mund meines Vaters erfahren.«
Die Stimme Rosaritas war bei diesen Worten sanft wie ein Lufthauch, der in den Orangenbäumen seufzte, und Tiburcio fühlte einen sanften Druck. Bei diesem Anblick hörte die Hand Don Estévans nach und nach auf, den Arm Cuchillos zu halten.
»Meine Mutter ist arm gestorben«, fuhr Tiburcio fort; »und doch hat sie mir eine unschätzbare Erbschaft nebst einem Rachevermächtnis hinterlassen. Ich meinesteils habe in ihren letzten Worten freilich nur ein gefährliches Geheimnis gesehen, denn es tötet diejenigen, die in seinem Besitz sind; aber dieses Geheimnis soll mir wenigstens das Mittel liefern, mich bis zu Eurem Reichtum zu erheben. Die Rache soll später kommen; später will ich den Mörder Arellanos‘ suchen.«
Bei diesen Worten erbleichte Cuchillo und knirschte mit den Zähnen. Sein Arm war frei geworden; Don Estévan hielt ihn nicht mehr fest. Rosaritas Hand war in der Tiburcios geblieben.
»Hört mich also«, fuhr dieser fort. »Sechzig Meilen von hier, an einem Ort, den Marcos Arellanos gesehen hat – aber mitten unter den indianischen Stämmen —, gibt es eine Goldmine von unberechenbarem Reichtum. Ich weiß, wo sie ist; sie kann mein sein, wenn Ihr mich liebt, Rosarita; denn was soll mir ohne Eure Liebe soviel Reichtum nützen? Sprecht ein Wort, und ich kann mit einigen mutigen Männern, die ich werde zu finden wissen, diesen Schatz erobern und als meinen Anteil noch so viel behalten, daß ich die Tochter eines Vizekönigs damit blenden könnte. Dieses Gold will ich zu Euren Füßen legen, oder ich werde, wenn ich nicht wieder von dort zurückkomme, zu den Toten zu zählen sein.«
Tiburcio wartete auf die Antwort Rosaritas; diese Antwort erschütterte seine Sinne wie ein Totengeläut. »Ich will gern glauben, daß dies Eurerseits eine List ist, um mich auf die Probe zu stellen«, sagte das junge Mädchen mit einem Lächeln, dem das nächtliche Halbdunkel noch einen Reiz mehr verlieh, das aber das Herz des armen Tiburcio zerriß; »denn es würde zu gehässig sein, zu denken, daß Verrat Euch zum Herrn des Geheimnisses eines anderen gemacht hat.«
»Des Geheimnisses eines anderen?« rief der junge Mann mit rauher Stimme, indem er vor Erstaunen zurückwich.
»Eines Geheimnisses, das nur Don Estévan gehört!« erwiderte Rosarita. »Ich habe es gekannt!«
»Aber von diesem Geheimnis«, rief Tiburcio, »soll ich nur allein wissen, hat man mir gesagt. Ach, Don Estévan besitzt es auch? … So wird Don Estévan mir auch sagen können, wer der Mörder meines Vater ist! Ich haßte ihn schon so sehr … O mein Gott«, rief er, mit dem Fuß stampfend, »laß ihn es selbst sein!«
»Bitte vielmehr Gott, daß er dich begnadige!« rief eine Stimme, deren Klang Rosarita einen Schreckensruf auspreßte, während eine dunkle Gestalt wie ein Pfeil den Raum durchflog, der Tiburcio von den beiden Lauschern trennte.
Ehe er sich in den Verteidigungszustand setzen konnte, erhielt Tiburcio einen heftigen Stoß, verlor das Gleichgewicht und fiel; sein Gegner warf sich auf ihn. Einige Minuten hindurch wälzten sich die beiden Gegner auf dem Sand, ohne daß einer von ihnen ein Wort ausgestoßen hätte. Man hörte nur das dumpfe Geräusch schwerer Atemzüge. Das der Hand Cuchillos entschlüpfte Messer blitzte am Boden mit unheilbringendem Glanz, ohne daß einer sich dessen hätte bemächtigen können.
»Cuchillo, wir sind quitt!« rief Tiburcio, der sich mit einer äußersten Anstrengung erhob und seine Knie auf die Brust des Banditen setzte, während er seinen Dolch aus dem Gürtel zu ziehen suchte.
Eine Bewegung der Unentschiedenheit – obgleich schnell wie der Gedanke – ließ Don Estévan zögern, ob er für oder gegen Tiburcio Partei ergreifen solle.
»Halt!« rief Rosarita, indem sie ein herzzerreißendes Geschrei ausstieß. »Halt! Bei der Liebe der Heiligen Jungfrau und aller Heiligen, dieser junge Mann ist der Gast meines Vaters; sein Leben ist geheiligt unter unserem Dach!«
Don Estévan hielt den Arm fest, der Cuchillo treffen sollte, und während Tiburcio sich umwandte, um zu sehen, wer sich zwischen seine Rache und ihn stellte, erhob sich Cuchillo wieder. Seinerseits sprang Tiburcio rückwärts, wickelte seinen Mantel um den Arm, erhob ihn wie einen Schild, und mit vorgebeugtem Körper, ausgestrecktem Fuß, den Arm in gleicher Höhe mit dem Auge, schien er in der Stellung des antiken Fechters sich einen Gegner zum Angriff auszuwählen.
»Du nennst das quitt sein?« rief Cuchillo, noch keuchend unter dem Druck des Knies, das so schwer auf ihm gelastet hatte. »Dein Leben gehört mir; ich habe es dir nur geliehen und werde es dir wieder nehmen!«
»Heran doch, du Hund!« schrie Tiburcio zu ihm, dessen Aufregung durch den Anblick seiner beiden Gegner noch eine Stufe höher gestiegen war. »Kommt auch Ihr heran, Don Estévan! Feiger Mörder! Ihr bezahlt für den Mord an verteidigungslosen Leuten.«
Eine tiefe Blässe verbreitete sich bei dieser blutigen Beschimpfung, bei dieser unerwarteten Anklage über das Gesicht des Spaniers; er zog seinerseits seinen Dolch. »Drauf, Cuchillo, drauf!« schrie er in wütendem Ton. Und er selbst warf sich auf den jungen Mann. Vielleicht wäre Tiburcio dem Angriff seiner beiden Feinde erlegen, wenn nicht plötzlich ein helleres Licht durch das Gitter am Fenster Rosaritas gefallen wäre und den Schauplatz mit rötlichem Schein erleuchtet hätte.
Wir haben gesehen, daß Tiburcio bei dem jungen Mädchen alles ohne Erfolg versucht hatte: Klagen, Vorwürfe,