Der Waldläufer. Gabriel Ferry

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Der Waldläufer - Gabriel  Ferry

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war, als Diaz sich plötzlich zwischen die beiden Kämpfer warf. »Schämt euch, ihr Herren Kavaliere!« sagte er. »Leute, die geschaffen sind, sich gegenseitig zu achten!«

      Cuchillo und Baraja behielten ihre drohende Haltung und waren bereit, sich um einiger Quadrupel willen am Vorabend des Tages zu ermorden, an dem sie aufbrechen wollten, um zehnmal mehr zu erobern.

      »Habe ich nicht sagen hören, Señor Cuchillo, daß Ihr der Führer unserer Expedition sein sollt? Ihr gehört Euch also nicht mehr selbst und habt nicht das Recht, Euer Leben in einem persönlichen Streit aufs Spiel zu setzen. Und Ihr, Señor Baraja, habt ebensowenig ein Recht, das Leben unseres Führers zu bedrohen. Also steckt eure Messer in die Scheide und laßt die Sache ruhen.«

      Cuchillo, zum Bewußtsein gebracht, bedachte, daß er mehr als irgend jemand am Erfolg dieser Expedition beteiligt sei und daß er bei einem Kampf auf Leben und Tod – denn das sind meistenteils die Kämpfe mit dem Messer – zuviel aufs Spiel setze.

      Seinerseits dachte auch Baraja, daß die Quadrupel in seiner Tasche besser angewandt werden könnten als im unglücklichen Fall zu den Kosten seines Begräbnisses.

      »Es sei«, sagte Cuchillo; »ich opfere meinen Groll dem allgemeinen Wohl.«

      »Was mich betrifft«, sagte Baraja, »ich bin aufrichtig genug, ein so edles Beispiel nachzuahmen, und lege die Waffen nieder … Aber ich spiele auch nicht mehr.«

      Die langen Messer kehrten in die Scheide zurück, und die beiden Gegner reichten einander die Hand. Darauf fragte Diaz, um jede Anspielung auf den beigelegten Streit zu vermeiden: »Wer ist der junge Mann, den Ihr mit auf Euer Pferd genommen habt, Señor Cuchillo? Wenn ich nicht irre, so habe ich trotz der scheinbaren Freundschaft feindselige und mißtrauische Blicke bemerkt, die ihr miteinander gewechselt habt.«

      Cuchillo erzählte, wie sie Tiburcio halbtot auf der Straße gefunden hätten, und nannte seinen Namen und alles, was der Leser schon von ihm weiß. Aber diese Frage hatte abermals das Gesicht des Banditen verfinstert, da er sich erinnerte, daß seine Schlauheit an der Vorsichtigkeit des jungen Mannes, den er – anmaßend genug – hatte ausforschen wollen, gescheitert war und daß dieser nämliche junge Mann ihn unter seinem Blick hatte erzittern lassen. Er kehrte also zu seinen tödlichen Plänen gegen den Urheber dieser Widerwärtigkeiten zurück – zu den finsteren Plänen, die einen Augenblick in den Hintergrund getreten waren – und beschloß, Teilnehmer an seiner Rache zu werben. »Ist es euch wohl zuweilen begegnet«, fragte er Diaz und Oroche, »eure Leidenschaften, wie ich es eben getan habe, dem allgemeinen Wohl zu opfern?«

      »Ohne Zweifel!« erwiderte Diaz. »Was mich betrifft«, rief der langhaarige Gambusino mit einer für seinen Charakter ehrenvollen Freimütigkeit, »so hat mein Unstern es immer nötig gemacht, das Gegenteil zu tun.« »Man ist entweder ein rechtschaffener Mann, oder man ist es nicht«, fuhr der Redner fort; »und wenn man sich mit Leib und Seele irgendeiner Sache hingegeben hat, so muß man auch seinen Leidenschaften, seinen Interessen, selbst allen Gewissenszweifeln, die sich in einem empfindsamen Gemüt erheben könnten, Schweigen gebieten.«

      »Das weiß jedermann«, sagte Baraja.

      »Nun, ihr Herren, dieses zarte Gewissen beunruhigt sich leicht bei mir, und ich bedarf eurer Meinung darüber, um es wieder zu beruhigen.«

      Die beiden Taugenichtse, an die er sich wandte, bewahrten auch diesmal eine unerschütterliche Ernsthaftigkeit.

      »Nehmen wir an«, fuhr der Bandit fort, »daß es in der Welt einen Mann gäbe, den ihr zärtlich liebtet, dessen Leben jedoch den Erfolg unserer Expedition zweifelhaft machen könnte; wie hat man da gegen ihn zu verfahren?«

      »Bei Gott«, rief Oroche, »ich würde glücklich sein, endlich eine passende Gelegenheit zu finden, um das Privatinteresse dem glücklichen Erfolg für alle zu opfern!«

      »Aber wer ist dieser Mensch?« fragte Diaz. »Das ist eine Geschichte«, erwiderte Cuchillo, »deren Einzelheiten nur mich allein angehen; aber das Faktum ist da und der Mann auch.«

      »Caramba! Das Faktum ist schon zuviel!« sagte Oroche. »Und folglich auch der Mann!«

      »Ist das euer aller Ansicht?« fragte Cuchillo.

      »Ganz gewiß!« sagten zugleich Oroche und Baraja.

      Diaz schwieg und verhielt sich sozusagen unparteiisch; bald darauf ging er unter dem Vorwand, freie Luft zu schöpfen, hinaus.

      »Wohlan, ihr Herren«, nahm Cuchillo, der mit seinen beiden Kameraden allein geblieben war, wieder das Wort, »da ihr eure Meinung ausgesprochen habt, so will ich euch denn sagen, daß dieser Mann mein Freund Tiburcio ist.«

      »Tiburcio?« riefen die beiden künftigen Mitschuldigen Cuchillos.

      »Er selbst! Und obwohl mir das Herz darüber schrecklich blutet, so erkläre ich doch, daß sein Leben alle unsere Pläne scheitern lassen kann.«

      »Aber morgen«, sagte Baraja, »bei dieser Jagd auf wilde Pferde, gibt es tausend Gelegenheiten für eine, sich seiner anständig zu entledigen.«

      »Das ist wahr!« sagte Cuchillo mit finsterer Miene. »Er darf niemals davon zurückkehren. Kann ich auf euch rechnen?«

      »Blindlings!« erwiderten die beiden Abenteurer.

      Das Ungewitter grollte, wie man sieht, über dem Haupt Tiburcios; aber es sollte noch größer werden. Ein Klopfen an der Tür unterbrach die finstere Beratung.

      Cuchillo öffnete und führte einen Mann ins Zimmer, in dem sie einen Diener Don Estévans erkannten. Er wollte Cuchillo benachrichtigen, daß sein Herr ihn im Garten erwarte. Durch diesen Zwischenfall wurde die Beratung über die Mittel zur Vollziehung, die alle drei gegen einen einzigen Mann zu ergreifen gedachten, bis zur Rückkehr Cuchillos aufgeschoben. Cuchillo erhob sich und begleitete den Diener Don Estévans.

      Dieser führte ihn in eine Allee von Granatbäumen, in der ein Mann, in seinen Mantel gehüllt, auf und ab ging. Beim Schein des Mondes, der durch die Blätter drang, schien das Antlitz des Spaniers die Maske stolzer Unempfindlichkeit, die gewöhnlich seine feurigen Gedanken verbarg, wieder angenommen zu haben. Bei dem Geräusch der Schritte, das Cuchillo verursachte, der sich mit wildem Ausdruck in seinen Mienen und mit einem Auge, das rachsüchtig blitzte, näherte, unterbrach Don Estévan sein Nachdenken.

      Wenn Cuchillo nicht so sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen wäre, so würde er bei seiner Ankunft einen spöttischen Ausdruck im Gesicht des Spaniers bemerkt haben. »Ihr habt mich rufen lassen?« sagte er zu Don Estévan.

      »Ich glaube«, begann dieser, »Ihr könnt Euch bis jetzt nur zu meinem Schweigen Glück wünschen. Ich habe Euch nämlich hinreichend Zeit gelassen, diesen jungen Mann … den Sohn Marcos … auszuforschen; Ihr wißt, was ich sagen will. Nun, Ihr habt ihn ohne Zweifel vom Kopf bis zu den Füßen ausgekundschaftet? Ihr habt ihn bis zur kleinsten Falte seines Herzens durchsucht, Ihr, dessen Scharfsinn so schwer zu täuschen, dessen Gewissen nicht leicht zu beunruhigen ist? …«

      Cuchillo fühlte bei den herben Worten des Spaniers, die seine verwundete Eigenliebe nur noch mehr erbitterten, daß er übler Laune wurde. Wir haben schon gesehen, daß er den Argwohn de Arechizas gegen Tiburcio dadurch zu wecken versucht hatte, daß er ihn fürchten ließ, er könne irgendwelche Entdeckungen am Totenbett seiner Adoptivmutter gemacht haben; damals konnte er nur auf sich selbst rechnen, um sich seiner zu entledigen, und seine Schlauheit ließ ihn einen Verbündeten suchen; jetzt aber, da er auf die Teilnahme zweier Banditen seines Schlages – oder doch nur wenig anders – zählen konnte, hielt er es seiner Würde angemessen, die entgegengesetzte Sache zu vertreten

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