Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil. Döring Georg

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Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil - Döring Georg

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ihn getheilt, und jeder hat seinen Antheil mit sich geführt.«

      »Das vergelte Euch Gott!« stöhnte, wie sich von einer schweren Last erleichtert fühlend, aus tiefer Brust die Hausjungfer und stand ganz auf. »Ihr habt ein gutes Werk gethan, indem Ihr einen Spagnol gesprengt. O, ich hätte wohl sehen mögen, wie der gottlose Dieb, der uns das Bischen Caffee und Zucker nicht gönnt und in seiner Bosheit den edeln Thee vertheuert, auseinander gefahren ist! Ich habe wohl Thüren und Schlösser sprengen sehen, aber einen Spanier noch nicht. Clötje, wie sah er denn aus? Hat er Hörner und Bocksfüße gehabt, wie der Leibhaftige? Sind ihm Flammen aus dem Rachen hervorgegangen, blauer Dunst und übelriechender Rauch?«

      »Besinne dich doch, Philippintje!« ermahnte Clelia und ließ sich bei diesen Worten erschöpft nieder. »Wir haben ein Seegefecht bestanden und das ist siegreich zu Ende gebracht worden durch den Muth des Junker van Daalen, der das feindliche Schiff in Brand gesteckt.«

      »Richtig, Clötje, richtig!« erwiederte zu sich kommend das Mädchen. »Ich besinne mich darauf. Also angesteckt hat er den Spagnol, wie ein Schwefelhölzchen? Das war ein gescheidter Streich. Ja, ja, sie brennen gut die Spagnols, denn sie sind fett von vielem Oeltrinken und Butteressen! Aber hatte ich nun Unrecht, als ich dir den hochedlen Junker anrühmte als einen, dem man wohl sein Schicksal vertrauen dürfe? Wer kann in diesen wilden, kriegerischen Zeiten ein schwaches Frauenbild besser beschirmen, als er, der zu Lande Admiral und auf der See General seyn könnte? Ja, lacht nur, aber Philippintje hat doch recht! Es ist keine Kleinigkeit, einem Spagnol so nahe zu kommen, daß man ihm den brennenden Zunder an den fetten Leib halten kann, besonders wenn er sich widersetzt, wie das so in seiner Art liegt. Meine Großmutter selig hat mir erzählt, daß so ein Don von der ganzen Stadt Leyden belagert und beschossen worden ist, daß er sich durch Zauberspruch und Amulett feuerfest gemacht habe und zuletzt unter Wasser gesetzt werden mußte, vor dem die Hexenkünste nicht bestehen können. Das war die berühmte Belagerung von Leyden. Und mein Balthasar – was ist nicht meinem Balthasar Alles begegnet mit ihnen – «

      »Erzählt uns das ein andermal, gute Philippintje!« fiel ihr Cornelius in die Rede. »Geht lieber hinauf zu Frau Beckje und laßt Euch eine Stärkung geben. Ihr scheint derer zu bedürfen.«

      »Ihr habt Recht!« antwortete Philippintje, indem sie der Thüre zuwankte. »Es ist mir schwach um’s Herz und auf der Brust. Der Bootsmann besitzt ein treffliches, stärkendes Elixir. Den will ich um einige Tröpflein ansprechen. Halte dich wacker, mein Clötje! Denk’ an den gesprengten Spagnol und an die treue Liebe des hochedlen Junkers!«

      Sie schlich seufzend und stöhnend die Treppe nach dem Verdecke hinauf. Cornelius setzte sich an Clelia’s Seite, nahm ihre Hand und sagte mit zärtlichen Blicken:

      »Habt Ihr Euch erholt von Euerem Schrecken, von der mir so theuern Besorgniß um mich? O Clelia, könnt Ihr mir verzeihen, daß ich aus Euerm stillen freundlichen Leben Euch herausgerissen habe in dieses unruhige gefährliche Welttreiben? Wenn Ihr meine Liebe billigt, so könnt Ihr mir nicht zürnen, denn sie hat mich zu Thorheit und Unbesonnenheit fortgerissen, und – ich muß es voll Scham gestehen – zu Lüge und Betrug. Ich will mich nicht entschuldigen. Ihr mögt mich richten, wie Ihr wollt. Gebietet mir, Euch zurückzuführen, Euch nie wieder zu sehen, Euch auf ewig zu entsagen – ich werde diese Strafe nicht ertragen, aber ich werde mich ihr unterwerfen ohne Murren.«

      »Ihr kennt meinen Entschluß, Junker Cornelius!« antwortete mit einem sanften Lächeln Clelia und er glaubte einen leisen Druck ihrer Hand wahrzunehmen. »Ihr kennt auch meine Gesinnungen. Ich weiß nicht, ob mein Vater unter den eingetretenen Umständen je das Bündniß zwischen uns billigen wird, aber das weiß ich, daß ich nie einem anderen Manne, als Euch, meine Hand reichen werde. Ja, lieber Cornelius, ich gelobe Euch das! Ihr habt freilich auf eine unbesonnene Weise mich thörigtes Mädchen verleitet, allein Ihr habt auch wiederum Euer Leben gewagt um meinetwillen und eine Heldenthat vollbracht, von der man erzählen wird im Vaterlande. Noch gestern war ich ein blödes Kind von geringer Einsicht, fremd in Welt- und Kriegshändeln, glaubend einem jeden Worte und fügsam in Alles, was man mir vorschlug. Ich bin eine andere geworden seitdem. Ich überlege, ich handle selbst. Ich habe nicht allein meinen Vater, ich habe auch meine Ehre zu bedenken. Wir gehen nach Mastricht zur Muhme. Wie wir es schon verabredet, suchen wir von dort aus um des Vaters Einwilligung nach. Ach, Cornelius, das werden lange Tage der Erwartung seyn, bis wir seine Antwort erhalten! So stark ich mich auch zu machen suche, so bin ich doch nur ein schwaches Mädchen, das in ängstlichen Zweifeln fürchten und schwanken wird. Welches Glück, wenn ich als Euere Braut, von unsern Vätern willkommen geheißen, nach Rotterdam zurückkehren dürfte! Nur so oder nimmer sieht mich die Vaterstadt wieder. Wird mir des Vaters Verzeihung nicht, versagt er seine Erlaubniß zu unserm Glücke, in seinem leider gerechten Zorne, dann bleibe ich ganz bei der Muhme und bringe meine Tage einsam und verlassen hin, von jeder Weltfreude geschieden, zur Buße meines kindischen Leichtsinns.«

      »Clelia, ich verdiene Euch nicht;« sagte erbittert auf sich selbst der Junker, stand auf und ging bewegt im Zimmer auf und nieder. »Ihr seyd wahrhaftig zu gut für einen tollen Jungen, der sich arg an Euch versündigt. Nicht genug, daß Ihr mir verzeiht, daß Ihr mir Euere Liebe schenkt – Ihr wollt auch duldsam und ergeben büßen für meine Thorheiten, für Sünden, die ich, die aber nicht Ihr begangen habt. O, ich erkenne Eueren ganzen Werth und meinen eigenen Unwerth! Aber ich will auch ein anderer werden, als ich bisher war. Ihr sollt sehen, daß ich den Leichtsinn hinter mir lasse und wenigstens strebe Euerer würdig zu werden.«

      Der Entschluß, den er in diesem Augenblicke faßte, war in der That der erste Schritt zu seiner Besserung. Er wollte nicht nur Clelia während der Reise für seine Schwester gelten lassen, er wollte sie auch als eine solche halten, doch ohne die Vertraulichkeit eines Bruders gegen sie zu üben, immer in den Schranken der Ehrerbietung, die ihre Gesinnung ihm einflöste. Mit diesem Vorsatze reifte auch der Gedanke in seiner Seele, daß es unrecht von ihm gehandelt sey, Clelien noch länger auf dem trügerischen Elemente den Gefahren auszusetzen, welche dieses selbst und der lebhaft auf ihm geführte Krieg bot. Zu Land schien ihm die Reise weit sicherer. Waren auch an manchen Stellen feindliche Haufen vorgedrungen, so konnte man ja das voraus erfahren und seine Maßregeln darnach treffen. Cornelius kannte aus seinen früheren Feldzügen alle Wege und Stege. Er war mit allen Kriegslisten vertraut, er konnte darauf rechnen, an den meisten Orten, die der Landweg berührte, Bekannte zu finden. Aber auf dem Schiffe? Hier war ringsum eine Schranke gezogen, die niemand überschreiten konnte. Wer einmal in diesen Kreis gebannt war, der mußte jedem Geschicke stehen, das sich in seine Bahn warf. War es der entsetzliche Sturm, der verwüstend heranstürzt und Alles vernichtet, was sich ihm entgegenstellt, war es die furchtbare Wasserhose, die in ihren Wirbel Segel, Masten und Schiffe wüthend hineinreißt, war es ein übermächtiger Feind, der das unbedeutende Fahrzeug unter der Last seines Gewichtes verächtlich in die Nacht der Wogen hinabdrücken konnte! Freilich hätte der verwegene Muth des jungen Kriegsmannes allen diesen Dingen Hohn gesprochen, aber Clelia – Nein! Nein! Ihr Leben, ihre Ehre durfte nicht länger diesen Gefahren ausgesetzt bleiben.

      Die Abenddämmerung fing schon an, das kleine Gemach in Schatten zu hüllen. Sie befanden sich nicht weit von der Festung Willemstadt. Wie Jansen schon früher geäußert hatte, sollte die Barke bei einigen einsam stehenden Häusern in der Nähe dieses Ortes anlegen und es stand dann einem jeden frei, die Nacht am Lande, oder an Bord des Fahrzeuges zuzubringen.

      Cornelius eröffnete Clelien seine Absicht. Er that dieses auf eine zarte und ehrerbietige Weise, die von ihr sehr wohl aufgenommen wurde und welche ihn selbst in einem vortheilhaften Lichte erscheinen

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