Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil. Döring Georg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil - Döring Georg страница 9
Ein freundlicher und liebevoller Blick begleitete diese Worte.
»Bei dem Degen des großen Marlborough!« rief feuerig der junge Mann: »ich wäre nicht werth, unter König Wilhelm gefochten zu haben, wenn ich jemals Euer Vertrauen wieder zu täuschen vermöchte. Ihr habt ganz über mich zu gebieten, wie über einen Diener, der Euch den vollkommensten Gehorsam schuldig ist. Ja, Clelia, ich will Euch durch meine Ehrfurcht, durch Gehorsam und Treue dahin bringen, daß Ihr vergessen sollt, wie ich einmal diese Gefühle außer Augen gesetzt und Euch tief gekränkt habe durch schmählichen Betrug! Ihr sollt in Cornelius van Daalen einen neuen Menschen kennen lernen, der von dem alten nichts übrig behalten hat, als eben das wenige Gute, was an ihm war. Ich glaubte glücklich zu werden durch jenen unbesonnenen Streich, aber wie sehr habe ich mich geirrt! Es gibt kein entsetzlicheres Gefühl, als das des eigenen Unwerths, das fort und fort am Herzen nagt.«
»Ihr müßt nicht so Viel denken!« tröstete gutmüthig lächelnd Clelia. »Sonst war ja das Denken Euch zuwider, wie unserer Philippintje der Schiwa; warum wollt Ihr Euch jetzt in quälende Gedanken versenken, die doch nichts bessern können?«
»Mich können und sollen sie bessern;« entgegnete Cornelius mit einem Ernst, der ihm seltsam anstand. »Ich habe ihnen nur zu oft und zu lange meine Seele verschlossen, ich habe die köstlichsten Gaben des Menschen von mir verbannt, um ganz den Thorheiten zu leben, die ich aus dem wilden Kriegstreiben mitheimgebracht.«
»Nein, nein!« bat Clelia. »Ihr dürft Euere heitere Laune nicht verbannen, sie muß uns die Beschwerden der Reise erleichtern, sie wird uns unvermerkt und freundlich an den Ort unserer Bestimmung führen. Und weil Ihr mich doch einmal zu Euerer Gebieterin erkoren habt,« setzte sie schalkhaft und bedeutungsvoll hinzu, »so befehle ich Euch hiermit, jeden düsteren, unangenehmen Gedanken von Euch fern zu halten und fortan als ein freundlicher Gesellschafter mir zur Seiten zu bleiben!«
Sie stand auf und näherte sich der Thüre. Cornelius betrachtete sie mit Blicken voll Entzücken. Das war dieselbe Clelia nicht mehr, die mit kindischer Blödigkeit durch die Straßen von Rotterdam zur Kirche geschritten, die, wie einem Bibelspruche, den Worten Glauben geschenkt, welche der Leichtsinn ihr vorgeplaudert, die nichts kannte als den engen Raum des Hauses, als den Weg zur Kirche und wieder zurück, die mit großer Wichtigkeit jede Kleinigkeit behandelt, ohne der Dinge eigentliche Bedeutung zu erkennen. Wie verständig, wie schonend, wie zart und liebevoll zugleich begegnete sie nicht ihm, der doch so schwer gegen sie gefehlt! Welche Selbstbeherrschung wußte sie über sich zu üben, mit welcher Güte suchte sie ihn zu trösten und zu erheben und wie schön, wie unvergleichlich und reizend stand ihr nicht Alles an, was sie sagte und that!
»Sie ist ein Engel!« rief er aus, als sie durch die Thüre verschwunden war. »Und ich – ich – o! ich will den Himmel zu erringen suchen, den sie nur allein bereiten kann!«
Er eilte ihr nach und erreichte sie noch, ehe sie das Verdeck betrat. Auf diesem hatte indessen Alles eine andere Gestalt gewonnen. Die kriegerischen Rüstungen waren verschwunden, das Bord war von Waffentrümmern und Blut gesäubert worden, die Verwundeten befanden sich unter sorgsamer Pflege im Raume: Alles hatte ein friedliches Ansehen, nur der drohende Besen prangte noch an der Spitze des Mastes.
Auf dem Vorder- und Hinterverdecke erblickte man Gruppen fröhlicher Seeleute. Jansen war ein strenger, aber dabei auch ein gutmüthiger und jovialer Befehlshaber. Seine Leute hatten sich gut gehalten, sie hatten ihm einen großen Dienst geleistet, indem die reiche, von ihm verbürgte Ladung vor dem Spanier gerettet worden war. Er wollte ihnen nun auch vergelten, er wollte ihnen einen lustigen Abend machen. Ein Fäßchen Genever ward ihnen preißgegeben, die Mundrationen an Käse und Häring wurden verdoppelt und Tabak erhielt ein jeder soviel, daß er auf mehrere Wochen hin genug hatte. Was konnte das Herz eines holländischen Matrosen mehr begehren? Die Seeleute überließen sich auch einer Freude, die sie ganz aus der Ruhe und Stille, welche auf holländischen Schiffen gewöhnlich herrscht, herausriß. Sie scherzten und lachten, sie sangen allerlei Spottlieder auf die spanischen Dons, Volksgesänge, die damals im Gebrauche und in den Niederlanden allgemein verbreitet waren.
Als Cornelius auf dem Verdeck erschien, ward ihm von den Matrosen, die in einem Kreise am Vordertheile versammelt waren, ein lautes Vivat gebracht. Alle stürmten auf ihn zu. Er mußte mit jedem trinken, aber er nippte von dem Inhalte der dargebotenen Gläser nur zum Scheine und um keinen der fröhlichen Seeleute durch eine Weigerung zu kränken.
»Ein wackerer Junge!« rief der eine. »Er hat die Syrene gerettet. Ohne ihn hingen wir dem Spagnol im Schlepptau!«
»Schade, daß er kein Seehund ist!« schrie ein anderer. »Er würde das Meer rein halten von spanischen Don’s und französischen Mosje’s!«
»Er ist so tapfer, wie seine Schwester schön ist;« jubelte ein dritter, der dem Genever etwas mehr zugesprochen hatte, als seine Cameraden. »Auch seine Schwester soll leben!«
»Hoch!« stimmten die Uebrigen ein. Clelia wandte sich erröthend ab und ging mit dem Junker nach dem Platz am Steuerruder, wohin Jansens mächtige Stimme sie rief.
»Backbord und Bramsegel! Da ist unser unzertrennliches Geschwisterpaar;« empfing er sie in spöttischem Tone. »Der Held des Tages erscheint und die Heldin, denn ich wette zehn holländische Linienschiffe gegen ein Treekschujt, ohne die Schwester hätten wir uns noch mit dem Hidalgo herumbalgen können, bis mit Gotteshülfe der Kutter herbeigekommen wäre, um uns Beistand zu bringen! Kommt! Setzt Euch zu uns! Beckje hat einen warmen Würzwein gebraut, der sich wohl trinken läßt auf solche Arbeit und an Neuigkeiten zur Unterhaltung wird’s auch nicht fehlen.«
Clelia war in einem so hohen Grade betroffen über den Anblick, den die hier befindliche Gesellschaft gewährte, daß sie von Jansens Rede wenig vernahm. Beckje saß recht behaglich auf der Bank neben ihrem Manne und – rauchte ihr Pfeifchen mit dem Anstande einer Raucherin, die längst die ersten Beschwerden dieses Vergnügens überwunden und das Lehrgeld der edeln Kunst abgetragen hat, nun aber sie in ihrem ganzen Umfange, in allen ihren Feinheiten zu würdigen und zu genießen versteht. Sie dampfte mit Jansen und dem Bootsmanne Herrmanneke, der auf der anderen Seite neben ihr saß, um die Wette. So wenig Jungfrau van Vlieten diesen Genuß dem zarten Geschlechte angemessen hielt, so war ihr doch recht wohl bekannt, daß viele Frauen in Holland, die durch ihren Beruf meistens im Freien beschäftigt sind, sich so an ihr Pfeifchen gewöhnen, daß es ihnen oft werther ist, als selbst der sonst so sehr beliebte Thee. Deshalb mochte sie auch der Frau des Capitäns nicht grollen über die Uebung einer Neigung, die ihr auch gut anstand und die sie mit vieler Zierlichkeit zu treiben wußte. Aber Clelia traute kaum ihren Augen, als sie auch Philippintje in einer recht traulichen und hingebenden Stellung neben dem Bootsmanne erblickte, ein großes Glas mit dampfendem Würzwein vor sich und zwischen den ängstlich zusammengekniffenen Lippen – ein dampfendes Stummelchen. Sie hatte das Gesicht widerwärtig verzogen, als kämpfe sie zwischen ihrem Willen und dem Uebelgeschmack der ungewohnten Sache. Sie wollte diesen aber mit Gewalt verbergen und der Zwang, den sie sich anthat, eine Behaglichkeit zu zeigen, die in diesen Augenblicken ihr ganz fremd war, gab ihr ein höchst lächerliches Ansehen. Sie schien übrigens gar nicht bestürzt, von ihrer jungen Gebieterin in dieser Beschäftigung betroffen zu werden. Sie sah sie so keck und sicher an, daß Clelia wohl ahnete, es müsse hinter dieser Gemüthsruhe noch etwas anderes stecken, als der bloße Weinmuth.
»Holland