Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band - Gerstäcker Friedrich

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sie aber auf die Ankunft der Männer, die jedenfalls zum Abendbrod daheim sein und schon Mittel und Wege finden würden sie mit ihrem Gepäck hinüber zu schaffen. Lieber Gott, das sei nicht mehr als ihre Schuldigkeit, dafür zu sorgen daß eine einzelne Frau, die so vertrauungsvoll hier herüber zu ihnen gekommen war, auch nicht ohne Hülfe und Beistand gelassen würde, und Billy Jones, der Schwiegersohn des alten Rosemore, oder Mr. Rosemore selber fänden da schon Rath.

      Hundegebell und Pferdegestampfe kündigte die Erwarteten, die irgendwo im Walde gewesen waren nach ein paar ausgebliebenen Kühen zu sehn, auch schon vor Dunkelwerden an, und drei Reiter hielten gleich darauf vor Rosemores Thür, sprangen aus den Sätteln, die sie mit dem Zaum den Thieren abnahmen, ihre weitere Versorgung einem herbeispringenden Negerknaben überlassend, und betraten bald darauf die innere Fenz, zum Hause kommend.

      »Das trifft sich glücklich!« rief da Sarah, Mr. Rosemores jüngste Tochter, die in die Thür getreten war den Vater zu begrüßen, »da ist Mr. Owen von bearlick ridge selber, mit Vater und Bill; der weiß Rath und geht gewiß morgen früh ebenfalls nach seinem Haus zurück.«

      »Halloh Miß Sarah,« lachte der also bezeichnete back-woodsman, der die Worte verstanden hatte, und mit seinem Sattel über dem linken Arm, seine Büchse in der Rechten, zum Hause heran kam, »haben Sie mich erwartet?«

      »Ich nicht, Mr. Owen,« lachte das junge Mädchen, »aber eine fremde lady, die hier im Hause sitzt, und vor Sehnsucht nach Ihnen schon fast vergangen ist.«

      »Alle Wetter,« rief der Jäger, seinen Sattel rasch unter den Zwischenbau der beiden Häuser legend und die lange Büchse daneben lehnend – »eine fremde lady? das wäre der Teufel.«

      »Nun der Teufel gerade nicht Mr. Owen,« sagte die Matrone, mit einem leisen Vorwurf in dem Ton, mit dem sie das Wort wiederholte.

      »Bitte tausend Mal um Entschuldigung Missis Rosemore,« sagte der Mann, leicht erröthend, indem er ihr die Hand entgegenstreckte – »es fuhr mir nur so heraus; Ihr wißt ja schon, ich mein' es nicht so bös.«

      Es war eine kräftige, männliche Gestalt, der Mann, in die gewöhnliche Tracht der Hinterwäldler, in ein ledernes Jagdhemd mit eben solchen Leggins gekleidet; an den Füßen trug er Moccasins von demselben Stoff, auf dem Kopf aber einen alten abgetragenen, arg mißhandelten Filz, und an der rechten Seite seine Kugeltasche, während an der Linken in dem breiten Ledergürtel, das lange Amerikanische Bowie- oder Jagdmesser stak. Das Haar war gelockt, sein Auge blau und der Ausdruck seines Gesichts entschieden ehrlich und gerade aus, nur um den Mund und die selbst fein geschnittenen Lippen lag ein etwas harter Zug, der aber ebensogut Muth und Entschlossenheit deuten konnte, und den westlichen Amerikanern, die im Wald erzogen und allen seinen Beschwerden und Gefahren von Kindheit an preisgegeben sind, besonders eigen ist.

      Jack Owen war mit einem Wort ein prächtiges Urbild jener kräftigen, stählernen Menschenrace, die den westlichen Urwald der Union erst als Jäger durchziehn, und dann mit ihren keck bis weit über die Grenzen der Civilisation vorgeschobenen »improvements« besiedeln, dem Indianer und Bären ihre Heimath abtrotzen, und nur mit Büchse und Axt bewehrt, im Schatten der dichten Wildniß eine Heimath schaffen. Diese Race bildet den Übergang von der Rothhaut zum weißen Mann, und wie der Wolfshund, der halb dem Wolfgeschlecht noch angehörig ist, keinen ärgeren Feind kennt als gerade den Wolf, so haßt der Pionier nichts ärger auf der Welt als den, in dessen Fußstapfen er doch hier getreten, den rothen Sohn der Wälder.

      Als diese Männer, die mit dem freien, natürlichen Leben um sich her, auch eben solche Sitten angenommen haben, und sich, von Anderen dasselbe verlangend und glaubend, ebenso geben wie sie sind, das Zimmer betreten hatten, gingen sie auf die fremde Dame zu, boten ihr zum Willkommen freundlich die Hand, und dann ihre Sitze am Feuer einnehmend, an dem sie ihre Moccasins auszogen, und zum Trocknen aufhingen, war ihre erste Sorge den Frauen Bericht über die entlaufenen oder ausgebliebenen Kühe, die wie es schien wieder eingefangen waren, abzustatten. Das Gespräch drehte sich jetzt ausschließlich um Kühe, Rinder und Schweine, bis zum Abendbrod, welches die beiden Töchter der alten Mrs. Rosemore indeß bereitet hatten, und alle Theile der range, oder des Weidegrundes, wo sich noch ein oder das andere Stück verhalten, wurden durchgenommen. Die Frauen selber interessirten sich dabei so viel dafür wie die Männer, und Fräulein von Seebald, die dabei als stille Zuhörerin mit am Kamin saß, war wirklich erstaunt so viel Ortskenntniß bei ihnen zu finden, mit der sie die nach Meilen entfernten Stellen im Wald bezeichneten, und ihre Richtung dabei nicht etwa bei bestimmten Wegen, sondern nach den Himmelsgegenden und kleineren sie durchströmenden Wassercoursen bezeichneten.

      Mit dem Abendbrod, bei dem sich Alle um die im Zimmer zusammengerückten Tische sammelten, nahm aber auch das Gespräch eine andere Wendung; Jack Owen wurde der Fremden als der nächste Nachbar ihrer Schwester und jenes »Mr. Olnitzki« bezeichnet, und dann selber aufgefordert einen Rath zu geben, wie die junge Deutsche am Besten und Leichtesten mit ihrem Gepäck hinüber kommen könne.

      Jack Owen schien übrigens die letzte Frage ganz zu überhören, denn wie er erfuhr daß die Fremde eine Schwester der »Missis Olnitzki« und über das Weltmeer nur einzig und allein herübergekommen sei sie zu besuchen, sah er sie mit den klaren treuherzigen Augen eine ganze Weile ernst und sinnend an, und fing dann auf einmal wieder, ohne ein Wort darauf zu äußern, von vorn an zuzulangen, als ob er bis dahin ganz vergessen habe zu essen.

      »Und können Sie mir nicht etwas Näheres über die Schwester sagen?« bat Amalie, »ich habe schon so oft und oft gefragt, und wie verschollen schien sie dort im Wald zu wohnen; Niemand konnte mir Rede stehn, Niemand erinnerte sich in der That sie je gesehn zu haben.«

      »Lieber Gott,« sagte der Jäger, ohne sein Essen auch nur auf einen Augenblick zu unterbrechen, »unsere Frauen kommen Alle wenig fort; manchmal zu einer Betversammlung oder irgend einem Nachbarfest beim Klötzerollen oder Decken-Steppen, und da die Nachbarn so dünn gesäet sind bei uns, fällt selbst das nicht häufig vor.«

      »Aber Sie kennen sie doch?«

      »Ich? – oh gewiß – wohne keine halbe Meile davon.«

      »Und es geht ihr gut? – «

      »Das kalte Fieber hat sie neulich einmal ein klein wenig abgeschüttelt, hatte aber nicht viel zu sagen, und ist bald vorüber gegangen.«

      »Und ihr Kind? hat sich das arme kleine Mädchen erholt?«

      »Das Mädchen?« – wiederholte der Mann, zum ersten Mal zu ihr aufschauend – »der Knabe, meinen Sie.«

      »Hat Sidonie einen Knaben?« rief Amalie überrascht.

      »Hm,« meinte der Jäger, sich ein neues Stück Wildpret auf den Teller nehmend, »seit wann haben Sie denn eigentlich keine Nachricht von ihr gehabt?« —

      »Seit über zwei Jahren.«

      »Lieber Gott,« sagte die alte Mrs. Rosemore.

      »Dann freilich,« brummte der Jäger halb laut vor sich hin – »seit der Zeit ist das Mädchen gestorben und vor einigen Monaten ein Knabe geboren worden, und das Kind allerdings ist jetzt schwer krank.«

      »Das Mädchen todt – du großer Gott – die arme, arme Sidonie.«

      »Das Herz wird ihr wohl zu voll und schwer gewesen sein in der Zeit Briefe zu schreiben,« sagte die Matrone bedauernd, »ja aussprechen und ausweinen mag man sich dann wohl gern, aber zum Schreiben zwingt man die Hand da nicht.«

      »Aber wie bekommt die Fremde die vielen Sachen hinüber Mr. Owens?« fiel Sarah hier ein, Amalie zu zerstreuen, daß sie sich nicht dem traurigen Gedanken zu sehr hingebe – »es wird schwer sein das Alles zu Pferde zu

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