Aus zwei Welttheilen, Erster Band.. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Aus zwei Welttheilen, Erster Band. - Gerstäcker Friedrich страница 10
Da wurde plötzlich hinter ihm – ein klein wenig nach rechts, das Rudel wieder laut und ein triumphirendes Lächeln zuckte über Ben's Antlitz – es machte aber auch eben so schnell einem Ausdruck peinlicher Spannung Platz, denn in dem nämlichen Moment schon trat der Wolf, der durch den letzten Lockton bestimmt schien, aus dem düstern Schatten vor, auf den freien, nur mit einzelnen Bäumen bewachsenen Raum.
Ben's Herz schlug fast hörbar, aber sein Arm lag fest wie Eisen – ruhig richtete er das todtbringende Rohr nach dem Feind und suchte mit dem scharfen Blick dessen dunkle Gestalt auf das Korn seiner Büchse zu bringen. Doch vergebens – in dem matten ungewissen Licht schmolz Korn und Ziel so ineinander daß er um's Leben nicht hätte genau bestimmen können wo die Kugel sitzen würde, und fehlen – nein das durfte er nicht.
Vorsichtig hob er den Lauf gegen den helleren Himmel, wo er das Korn deutlich gegen einen der funkelnden Sterne konnte abstechen sehen, legte sich dann fest in den Kolben, fuhr nieder, und so wie er die Gestalt des noch immer regungslos und jetzt seitwärts in's Thal schauenden Thieres voll im Korn hatte, berührte sein Finger den Drücker.
Der Schuß schmetterte dröhnend durch den Wald und Ben sprang blitzesschnell empor.
»Siehst Du, Kannaille, sagte er da, als er den dunkeln Körper regungslos im, vom Mondlicht hell beschienenen Laube liegen sah – siehst Du – ich habe Dir's prophezeiht. – Das ist doch wenigstens ein Trost, einem solchen herumschleichenden Schuft das Handwerk gelegt zu haben. Panther und Bären – ich wollte daß Gottes Strahl all das Lumpengesindel träfe, das so wie Du, Bestie, das Licht scheut, im Dunkeln herumschleicht und Unheil anrichtet, wohin es den Fuß gesetzt und seinen Athem gehaucht!«
Ben war bei den obigen Worten, die er mit fest zusammengebissenen Zähnen in den Bart murmelte, ruhig auf seinem Platz stehen geblieben und hatte, nach Jägerart, vor allen Dingen die Büchse wieder geladen, hob sie jetzt mit einem noch leise gemurmelten Fluch auf die Schulter, und schritt langsam der Stelle zu, wo der so glücklich erlegte Feind im Laube ausgestreckt lag.
Es war ein großer, kräftiger Wolf, kohlschwarz und nur mit dem einen kleinen herzförmigen weißen Fleck auf der Brust, der im Mondenlicht ordentlich zu glühen schien – die Kugel mußte ihm gerade durch den Kopf gefahren sein – er rührte und regte sich nicht.
»Ich habe ihn nicht einmal zucken sehen, sagte der Jäger leise, und bog sich zu ihm nieder, um nach dem Kugelloch zu fühlen. Ueber den ganzen Kopf strich er hinüber und herüber, dort war aber nichts, auch kein Schweiß – und die gegen das Mondenlicht gehaltene Hand weiß und rein. Wunderlicher Schuß! brummte der Jäger – ei zum Henker, 's ist einerlei wo die Kugel sitzt, wenn sie nur sitzt, und da ich den Schuft – Hallo! unterbrach er sich plötzlich – lebt der Bursche noch?«
Er stand mit gespannter Aufmerksamkeit die Büchse im Anschlag, jede Bewegung des Raubthiers beobachtend, und allerdings gab dies jetzt wieder Lebenszeichen von sich, warf einmal den Kopf auf, und schnellte sich dann auf dem linken Vorderlauf in die Höhe.
Ben hatte aber zu manches Stück Wild erlegt, als daß ihn diese Bewegung auch nur einen Augenblick länger über den Zustand des Wolfes in Zweifel lassen konnte. Im ersten Augenblick fuhr er allerdings noch einmal, und wie unwillkürlich mit der Büchse an den Backen – das war aber auch nur ein Moment – im nächsten warf er sie fort und sprang plötzlich in keckem Muth auf das, von der Minute an sich wieder ganz kräftig und rasend sträubende Thier.
»Hoho, mein Bursche! rief der junge Jägersmann dabei, und lachte mit wilder Freude in sich hinein, während er seinen Arm mit eiserner Gewalt um den wüthend dagegen ankämpfenden Körper des Wolfes schlang – hoho – einfach gecreast2 – hahahaha – ja strample nur, strample nur Herz, der Falle entgehst Du nicht – wenn Du nicht im Stande wärst, aus der Haut zu rutschen.«
Das Thier, das nun sein volles Bewußtsein wieder erlangt hatte, schien jetzt erst zu begreifen in welcher höchst mißlichen Lage es sich eigentlich befinde und suchte mit aller ihm zu Gebote stehender Kraft um sich zu beißen, und durch Treten und Kratzen seine Freiheit wieder zu gewinnen. Doch vergebens, Ben hielt es wie in einem eisernen Schraubstock und drückte sich dabei so mit dem ganzen Gewichte seines schweren Körpers darauf, daß der arme also ertappte Wolf endlich und als auch seine Kräfte vollständig erschöpft waren, wenigstens für kurze Zeit ruhig liegen mußte.
Was aber nun thun? – den Wolf tödten? das wäre allerdings mit nur wenig Schwierigkeiten verknüpft gewesen, denn Ben trug sein haarscharfes Jagdmesser im Gürtel. Aber war nicht jetzt sein Ziel erreicht? – einen lebendigen, gesunden, unbeschädigten Wolf wollte er haben, und den hielt er in diesem Augenblick hier unter sich so fest als ob er ihn im Leben nicht wieder loslassen wollte. Doch wie ihn binden und festhalten? nicht einmal einen Lederriemen führte er bei sich, nichts als seinen Gürtel und wie hätte er es überhaupt wagen dürfen auch nur den Versuch zu machen? Ließ er dem Wolf nur ein wenig Luft so gab es nachher einen Kampf, in dem er ihn entweder ernstlich beschädigen, oder gar frei lassen mußte – das eine fast so schlimm wie das andere. Und das schwere Thier bis zur Ansiedlung tragen? – er hätte ohne den Wolf eine halbe Stunde gebraucht sie zu erreichen – viel weniger mit ihm – aber es blieb ihm weiter keine Wahl.
»Entweder oder,« murmelte er, »Du oder ich, Bursche, und so mag denn der Abend über mein Glück, über mein Unglück entscheiden. Zum Teufel auch, habe doch schon manchen starken Hirsch getragen, der noch einmal so schwer war wie der hier, und das blos um des elenden Wildprets wegen – werden mir heute die Kräfte nicht versagen, da es das Höchste – oder doch wenigstens einen Triumph über den schurkischen Feind gilt.«
Und mit dem raschen Entschluß nahm er seinen Halt fest um das, sich jetzt wieder mit rasender Wuth sträubende Thier, brachte den rechten Fuß unter sich, und stand, die Schulter gegen einen kleinen danebenstehenden Gumbaum stützend, langsam auf. Er hatte den Wolf mit dem Rücken gegen sich, mit dem linken Arm zwischen den beiden Vorderläufen durch gepackt, und den rechten Arm ihm fest um die Weichen geschlagen und hielt ihn so eng zusammengepreßt, daß er ihm mit seinen Zähnen gar nicht schädlich werden konnte.
Die Büchse mußte er natürlich zurücklassen, auch die Mütze war ihm bei dem Ringkampf entfallen, doch das hinderte ihn nicht; mit fest zusammengebissenen Zähnen und zum Aeußersten entschlossen, wanderte er seine wunderliche sich unaufhörlich sträubende Last im Arm, Schritt vor Schritt weiter – der fernen Ansiedlung zu.
Im alten Gerichtshaus herrschte indessen noch immer laute lärmende Fröhlichkeit, Bowle nach Bowle wohlschmeckenden süßen Stewes war gebraut, und der Raum endlich durch Kerzen, Trunk und Tanz so heiß geworden, daß man selbst das kleine, nach dem Holz hinausführende Fenster öffnete, um nur frische Luft herein zu bekommen.
Die Töne der Violine schwirrten immer rascher und gellender in Jigs und Hornpipes, die Füße der Tänzer klapperten immer behender auf dem schon blank gescharrten Boden; Metcamp war besonders ausgelassen lustig, er nannte die arme Betsy – die sich übrigens hartnäckig weigerte weder mit ihm noch einem der andern Gäste zu tanzen – nicht anders wie »sein süßes Bräutchen«, umarmte den alten Sutton ebenfalls zweimal als »Schwiegerpapa« und wußte seiner Ausgelassenheit gar keine Grenzen.
Eine kleine Unterbrechung hatte indessen stattgefunden; »Lord Howe's Hornpipe« war eben beendigt und einige Erfrischungen wurden herumgereicht. Betsy, die auf ihres Vaters Befehl die Bedienung überwachen mußte, saß unfern dem Eingang, nicht weit vom Schenktisch, und Metcamp, der sich dicht neben sie gestellt, flüsterte ihr eben einige fade Schmeicheleien in's Ohr, die ihr die zornige Röthe auf die Wangen trieben, als plötzlich Etwas mit gewaltigem
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