Aus zwei Welttheilen, Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Aus zwei Welttheilen, Erster Band. - Gerstäcker Friedrich

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Frau bildet sich's wenigstens ein,« meinte der Pastor kopfschüttelnd; »die Sache klingt freilich ganz abenteuerlich, hat aber sicher eine sehr natürliche Lösung.«

      »Die aber bis jetzt noch kein Mensch gefunden hat,« flüsterte die Frau; »es ist meiner eignen Mutter widerfahren, und ich habe es nicht allein aus ihrem Munde, sondern auch die Bestätigung, wenn es deren überhaupt bedurft hätte, oft von meiner Tante gehört, die als Kind dabei gewesen war, und sich der einzelnen Umstände noch recht gut erinnerte.«

      »Und wären Sie wohl so freundlich, uns die Geschichte mitzutheilen?« frug der Verwalter und rückte seinen Stuhl etwas näher zum Tisch; »es wäre möglich, daß ich durch etwas Aehnliches die Existenz solcher Ahnungen ebenfalls zu bekräftigen vermöchte.«

      »Die Sache ist einfach genug,« erzählte die Pastorin; »wir waren unser drei Geschwister, ich, ein älterer Bruder und noch eine jüngere Schwester, und die Großmutter vor etwa acht Wochen gestorben, als meine Mutter, die sich allerdings damals noch in einem sehr aufgeregten Zustande befand, träumte, sie schaute am hellen Nachmittag aus dem Fenster. Da ging die Hofthür auf und herein kam, in demselben Kleide wie sie im Sarg gelegen, ihre Mutter, schritt langsam durch den ganzen Hof und stieg dann die Leiter hinauf, die zu dem Heuboden führte.

      »Wie man nun so im Traume ist, so scheint auch meine Mutter gar nichts Außerordentliches in dem Wiederkommen der Todten gesehen zu haben, nur daß diese, was sie im Leben nie gethan, auf den Heuboden stieg, fiel ihr auf. Trotzdem sprach sie kein Wort und die Mutter kam denn auch bald wieder zurück und hatte ein Heubündel unter dem Arm. Damit stieg sie die halbe Leiter hinunter, blieb plötzlich stehen, drehte dann wieder um und holte sich noch ein zweites.

      »Ei um Gott, Mutter,« rief die Träumende da, und streckte die Arme nach ihr aus, »ist denn das eine nicht genug?«

      »Ja, sagte die Todte und stieg langsam nieder, ich bringe Dir das andere wieder zurück« – und aus der Hofthür verschwand sie, wie sie gekommen.

      »Mein damals etwa vierzehnjähriger Bruder war ein ausgezeichneter Harfenspieler, und übte sich besonders in jener Zeit Tag und Nacht; um es zu noch immer größerer Fertigkeit zu bringen, hatte er sich aber wohl darin übernommen, oder lag der Keim der Krankheit schon in ihm, kurz, wenige Tage nach diesem Traume wurde er, sonst ein kräftiger, gesunder Knabe, krank, und sah sich bald durch das hitzigste Nervenfieber auf sein Lager geworfen. Fünf Tage später legte ich mich ebenfalls mit demselben Uebel, mein Bruder aber starb am neunten Tage, und in dem Augenblicke, wo er im Todeszucken lag, rissen plötzlich alle Saiten seiner Harfe. – Mich brachte die Großmutter wieder – ich genas nach kurzer Zeit.«

      »Die Harfe hat hinter dem Ofen gestanden,« brach der Pastor rasch eine feierliche Pause; »das Gestell kann sich gezogen haben und da mußten wohl die Saiten mit einem Male springen.«

      »Die Erklärung mag wohl ganz gut und natürlich klingen,« sagte der Schulmeister endlich, »ich sehe aber wirklich nicht ein, weshalb wir uns Alles natürlich erklären müssen – Du lieber Gott, unser Aller Leben ist so arm, so entsetzlich arm an jeder Poesie, daß ich denken sollte es hätte sogar etwas Wohlthuendes, einmal einen Gegenstand zu finden, den man nicht recht begreifen kann. Ich weiß mich noch recht gut daran zu erinnern, wie ich als Kind fest und heilig glaubte der Storch bringe die Kleinen, und das Christkindchen die schönen Sachen zu Weihnachten; wie ich mich vor dem Knecht Ruprecht fürchtete und die heiligen drei Könige ehrfurchtsvoll anstaunte – und einmal im Theater – der Abend wird mir unvergeßlich bleiben, da sah ich ein Stück, das hieß die Kreuzfahrer, und etwas derartiges war mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen. Ich weinte und lachte den ganzen Abend und träumte ein volles Jahr von weiter nichts, als tapfern edeln Rittern, braven Türken, unglücklichen Türkenmädchen und bösen Aebtissinnen. Das Stück übte auch merkwürdiger Weise einen ganz eigenthümlichen Einfluß auf mein künftiges Leben aus; ich schwärmte für die altadeligen Geschlechter der tapfern Ritter, und bekam einen ordentlichen Haß auf die katholische Religion, die den Mißbrauch der Klöster dulden konnte.«

      »Jetzt ist das ganz, ganz anders geworden – ich halte die Störche für sehr gewöhnliche Zugvögel, die von Fröschen und anderem Zeug leben, und sich keineswegs mit Kindertransport beschäftigen – den sogenannten heiligen Christ habe ich diverse Male selbst machen müssen, und deshalb gegründete Ursache an seiner Heiligkeit zu zweifeln; ebenso den Knecht Ruprecht, wobei ich gleichzeitig und höchst trauriger Weise allen Respekt selbst vor den heiligen drei Königen verloren; und was das Theater anbetrifft, so gaben sie, als ich im vorigen Jahre zum letzten Male in Hamburg war, dort zufällig dasselbe Stück und die Erinnerung an meine Kindheit trieb mich hinein. – Ich wollte, ich wäre nicht gegangen, denn als ich wieder heraus kam, – und ich sollte mich eigentlich schämen es zu gestehen – habe ich großer erwachsener Kerl geweint, bittere, große Thränen geweint, und weshalb? weil ich durch meine Neugierde ein kleines Heiligthum muthwillig zerstört hatte, das mein Herz seit seiner Jugendzeit in seiner innersten Zelle still und heilig genährt – weil ich das muthwillig und mit roher Hand jetzt von mir gerissen sah, was mich so viele, viele Jahre mit froher geheimnißvoller Lust erfüllt. Die hohen schattigen Palmen, die mir bis dahin noch immer vorgeschwebt, schrumpften zu Pappdeckeln mit hölzernen Stützen zusammen, – jener Zweikampf, an den ich oft mit stillem Schauder zurückgedacht, wurde zu einem gewöhnlichen Hämmern auf Blechschilde, – der alte ehrwürdige Emir – in der einen Scene fiel ihm der Bart ab, und das ganze Publikum lachte, während mir die Thränen in die Augen traten – die fürchterliche Aebtissin – war die Frau meines freundlichen Wirths, eine treffliche brave Seele, die sich noch an demselben Nachmittag erst so theilnehmend erkundigt hatte, wie es all' den Meinigen zu Hause ging – die Frau konnte unmöglich ein Bösewicht sein; und nun erst die Knappen und Ritter, die früher einen solchen Eindruck auf mich gemacht, – wie hölzern sie dastanden und wie ungelenk – ach, mein schöner Jugendtraum, wie bös, wie häßlich war der zerstört worden, und wie viel besser wäre es gewesen, wenn ich keine natürliche Erklärung für all den süßen Zauber gefunden hätte!«

      »Es läßt sich auch nicht Alles natürlich erklären,« sagte der Verwalter ernst und stopfte sich dabei langsam den hohen Maserkopf mit dem vor ihm liegenden Tabak – »und wenn man's noch so gern erklären möchte und wollte. Ich selbst habe zum Beispiel etwas erlebt, was so wunderbar und märchenhaft klingt, daß ich es selten erzähle – es glaubt mir's Niemand, und es thut mir nachher weh wenn etwas bespöttelt wird, das – heiliger Gott, wie das wieder rast und tobt, man sollte glauben, es schüttelte die alte Erde aus den Achsen – das mir selbst so allgewaltig in's Leben gegriffen hat.«

      »Sie scheinen mich für einen total Ungläubigen zu halten, lieber Verwalter, sagte der Pastor freundlich, darin thun Sie mir aber Unrecht, – das vertrüge sich auch nicht einmal mit meiner Stellung, mit meiner Religion. Auch von Gott ward uns ja weiter nichts, als in sinnbildlichen Uebertragungen eine Ahnung seines Wesens, und was Anderes als Ahnung einer höhern Welt ist es, wenn uns bei frommen, erhebenden Choralgesang die Seele in süßer unbegriffener Lust zusammenschauert. Ich glaube an Ahnungen, möchte sie aber nur von den gewöhnlichen Vorbedeutungen geschieden sehen.«

      »Vorbedeutungen – Ahnungen!« – sagte der Verwalter kopfschüttelnd, und hielt dabei den brennenden Fidibus auf die Pfeife, ohne jedoch den Blick zu erheben, der sich von da an fest und unbeweglich in die eine Zimmerecke heftete, »das sind am Ende nur immer verschiedene Worte für ein und dieselbe Bedeutung – doch zu meiner Erzählung, aus der sich Jeder seinen Schluß selber ziehen mag, denn ich selbst kann nichts weiter als die Thatsachen geben. Es war nach dem letzten Kriege; – mein Bruder Carl, ein tüchtiger, stattlicher Bursche, hatte sich auch anwerben und später nie wieder etwas von sich hören lassen. Bei Leipzig wollten sie ihn zuletzt gesehen haben; bis dahin dienten wenigstens Landleute aus demselben Ort, in dem nämlichen Regiment mit ihm, und er ließ mich auch einmal in einem von den Briefen grüßen. Nachher blieb er verschollen und zehn Jahre, die ebenfalls verflossen ohne daß ich die mindeste Nachricht erhielt, nahmen mir endlich den letzten Zweifel, daß er in jener blutigen Schlacht gefallen.«

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