Aus zwei Welttheilen, Erster Band.. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Aus zwei Welttheilen, Erster Band. - Gerstäcker Friedrich страница 11
»Ei so hol' doch der Henker die Unverschämtheit!« rief da Metcamp; »ich will doch sehen –«
Rasch ergriff er den ledernen Riemen der an dem Drücker hing, riß daran und stieß die Thüre auf.
»Ha!« – Vor sich ein Paar stiere funkelnde, fast aus ihren Höhlen drängende Augen – ein weit aufgerissener Rachen mit blutiger, heraushängender Zunge und weißem fürchterlichen Gebiß – ein Wolfskopf wie ihn sich die Einbildung nur schrecklich und Entsetzen erregend ausmalen kann – hinter ihm aber, dicht über dem gräßlichen Rachen, das todtenbleiche, wildblickende Angesicht Ben Holik's, vom Schein der Kerzen geisterhaft beleuchtet.
»Der Wolf! – Der Wolf!« schrie da Metcamp nach einem, nur fast flüchtigen Blick auf die schauerliche Gruppe. – »Der Wolf!« und durch die hinzudrängenden Gäste brach er in wilder Hast sich Bahn, zum Fenster sprang er, und ehe nur noch irgend Jemand sein Vorhaben hätte errathen, oder ihn gar daran verhindern können, flog er mit scheuem Satz hinaus und in's Freie.
Die Hintenstehenden, die noch gar nicht sehen konnten was eigentlich die Ursache solch wunderbarer Behendigkeit gewesen, lachten; die nächst der Thüre aber fuhren ebenfalls, kaum minder als Metcamp selbst erschreckt, zurück, und starrten überrascht die wunderliche Gruppe an, aus der sie Ben Holik's todtenfahle Züge jetzt erkennen konnten.
»Die Glocke – die Glocke!« war aber Alles was der Jäger mit heiserer, nur den Nächsten verständlicher Stimme zu lallen vermochte – »die Glocke – ich kann – ich kann nicht mehr.«
»Heiliger Gott!« schrie da Betsy, die schon bei dem ersten Ausruf Metcamps entsetzt empor gesprungen war und ihren Augen kaum trauend, keines Wortes, keiner Bewegung mächtig, in das todtenbleiche, fürchterlich entstellte Antlitz des Geliebten gestarrt hatte, »heiliger, allmächtiger Gott! zu Hülfe – zu Hülfe!«
»Die Glocke! flehte aber nur Ben – Betsy die Glocke oder meine Arme erstarren.«
»Die Glocke? – was für eine Glocke?« fragten die Umstehenden wild durcheinander.
»Ha – die Wolfsglocke!« rief da das Mädchen – das Ganze ihr bis dahin Entsetzliche, jetzt rasch und froh begreifend – »die Wolfsglocke, nur noch einen Moment Ben – nur noch wenige Secunden und ich bin wieder da.«
Und rasch zur Thür hinaus, dicht an den klaffenden Fängen der Bestie vorbei – so dicht daß ihre Schulter die blutträufende Zunge fast berührte, glitt die Jungfrau flüchtigen Laufes in das dicht daneben gelegene Haus ihres Vaters, wo die Glocke noch in der Stube (unter der Büchse, wo er sie neulich bei seiner Zurückkunft hingethan) hing, hob sie schnell herunter und war in kaum einer Minute Zeit schon wieder zurück mit dem Verlangten.
Indessen hatten sich aber die Männer dort ebenfalls von ihrer ersten Ueberraschung erholt; der alte Sutton war zu ihnen getreten, und rasch begreifend um was es sich hier handle, wollte er Ben unterstützen und ihm den Wolf vielleicht abnehmen. Das gab aber der Jäger nicht zu, da er seiner wie des alten Mannes Sicherheit wegen nicht wagen durfte dem festen Halt, den er einmal an der Bestie hatte, zu entsagen. Kaum erschien aber Betsy mit der Glocke, so nahm sie ihr Sutton rasch aus der Hand, schlang den Riemen um des, jetzt wieder wie wüthend um sich beißenden Wolfes Hals, und schnallte ihn nicht zu fest, aber sicher genug, daß er nicht über den Kopf hinüberrutschen konnte, den Wolf jedoch auch nicht hinderte, oder gar würgte.
Was aber jetzt, nachdem dies geschehen war, thun? – wie die Bestie, da der Zweck erfüllt war, wieder loswerden? denn war es nicht möglich daß sie, in so gereiztem Zustand freigegeben, anstatt zu fliehen sich gerade gegen ihre Feinde wenden, und dort Unheil anrichten konnte, ja am Ende gar, um sie nur wieder los zu werden, doch noch getödtet werden mußte? Das Klingeln der Glocke beunruhigte den Gefangenen dabei immer mehr, seine Anstrengungen wurden wüthender, je mehr die Kräfte des armen Jägers nachließen. Zwar sprangen von vielen Seiten die Männer mit Stricken herbei und Einer machte sogar eine Schlinge, den Wolf daran zu hängen und ihm die Kehle zuzuschnüren bis er betäubt wäre und hinaus in den Wald geschafft werden könnte – das aber schienen viel zu gefährliche Experimente, denn geschah dem Thier dadurch ein Schaden, so war die ganze Anstrengung vergebens gewesen. Da rief Betsy, die in Todesangst um den Geliebten, die Hände fest gegen die Schläfe gepreßt, daneben gestanden und dem ganzen wirren Treiben zugeschaut, den tausend verworrenen Vorschlägen, wie sie gemacht und verworfen wurden, in namenloser Furcht gelauscht hatte, plötzlich aus:
»Trag ihn in den Garten, Ben, wo der Fluß die Biegung macht – dort ist die Uferbank eingestürzt, und da hinabgeworfen, kann er nur an's gegenüberliegende Ufer schwimmen!«
»Bei Gott das Mädchen hat Recht!« rief der alte Sutton, und Ben schritt schon um's Haus herum dem bezeichneten Orte zu. Die Fenz, die ihn noch von dem Garten trennte, wurde augenblicklich eingerissen, und wenige Secunden später stand der Wolfsjäger an dem schroffen Ufer das unten der vorbeischäumende kleine Bergstrom bespülte – Betsy hatte seinen Arm ergriffen und ihn geführt, daß er nicht etwa einen Schritt zu weit vorgehe und selber mit hinabstürze.
»Jetzt Ben! rief sie ihm zu, als sie ihn plötzlich zurückhielt, jetzt laß los!«
»Gott sei Dank!« murmelte Ben und während er noch die Arme öffnete glitt der dunkle Körper am nachgebenden Sande hinab und schlug plätschernd in die unten über ihm zusammenbrechende Fluth.
Jetzt kamen auch mehre mit rasch herbeigeholten Lichtern herbei und bei dem matten ungewissen Schein derselben konnten sie erkennen wie der schwarze Körper des befreiten Wolfes rasch und mit heftigem Stöhnen durch die Fluth strich. Als er aber drüben an's Ufer stieg klingelte die wackere Glocke laut und hell – er hatte sich schütteln wollen, erschrak jedoch so über den fremden Laut daß er rasch die Uferbank hinansprang, und noch eine lange Strecke durch den Wald hörten sie das gleichmäßige Anschlagen der Schelle, wie der Wolf in dem, diesen Thieren eigenen langen Galopp mit flüchtigen Sätzen nicht mehr den Feinden, die hatte er kaum gefürchtet, nein, diesem unerträglichen scharfen Lärm unter seiner Kehle, zu entfliehen suchte.
»Hahahaha!« brach endlich Ben, der jetzt lachend seine halb erstarrten Arme schwenkte, das athemlose Schweigen mit dem die Männer den immer mehr verschwimmenden Tönen der Glocke gelauscht hatten – »er hat sie – beim ewigen Gott, er hat sie – so – das soll mir der Mr. Metcamp einmal nachmachen!«
Metcamp? ja wo war denn Metcamp die ganze Zeit eigentlich – das weiß der Himmel, am Washita hat ihn wenigstens kein sterbliches Auge mehr gesehen, sein Fenstersprung konnte nicht bezweifelt werden, denn Zeugen gab es dafür genug, und vom Fenster aus ließ sich die Spur noch weit hinaus in den Wald, aber immer dem Arkansas zu, verfolgen, sein ganzes Gepäck aber, ja selbst seinen Hut ließ er, ohne auch nur einmal darum zu schreiben, in der Ansiedlung zurück und Ben hatte gewiß recht als er meinte – »den habe nur sein böses Gewissen aus den Bergen getrieben.«
Und was wurde aus Betsy? –
Ich will dem Leser die weitläufige Auseinandersetzung ersparen und ihm nur mit kurzen Worten einzelne Thatsachen mittheilen aus denen seine Einbildungskraft dann leicht den weitern Verfolg der Sache, viel besser als ich ihm das selber klar machen könnte, herausfinden wird.
Mr. Metcamp war wirklich flüchtigen Fußes förmlich davon gelaufen, der Brief aber, den er zu der Zeit am Washita erhalten hatte, mußte jedenfalls gefälscht gewesen sein, denn noch in demselben Monat hörten sie von einem Reisenden daß Metcamps Onkel, etwa vier Wochen vorher ehe dieser zum Washita gegangen, total bankerott gemacht habe und der vermeintliche Erbe noch schlimmer als ein Bettler sei, da er sogar rasend in Schulden stecke. Die reiche Farmerstochter hatte