Oblomow. Иван Гончаров

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Oblomow - Иван Гончаров

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dachte er. »Der Plan ist ja bald fertig – warum mache ich mir denn jetzt schon Angst? Ach, wie ich doch bin . . .« Der Gedanke an den Umzug beunruhigte ihn etwas mehr. Das war das neuere, spätere Unglück; doch in Oblomows ruhigem Geiste war auch dieses Factum in das Stadium der Geschichte übergangen. Trotzdem er die Unvermeidlichkeit dieses Umzugs dunkel ahnte, umsomehr, als jetzt Tarantjew sich mit dieser Angelegenheit befaßte, schob er im Geiste dieses aufregende Ereignis seines Lebens doch wenigstens um eine Woche hinaus und hatte auf diese Weise volle acht Tage der Ruhe gewonnen! »Und vielleicht würde Sachar alles noch so einzurichten versuchen, daß der Umzug überhaupt unnöthig wurde; möglicherweise würde es auch so gehen. Der Umbau könnte auf den nächsten Sommer verschoben oder auch ganz aufgegeben werden. Die Sache würde sich schon irgendwie einrichten lassen! Man konnte doch nicht thatsächlich umziehen!. . .« So regte er sich abwechselnd auf und beschwichtigte sich selbst, und fand endlich in diesen versöhnenden und beruhigenden Worten: vielleicht, möglicherweise, irgendwie auch diesmal, was er stets gefunden hatte, ein ganzes Arsenal von Hoffnungen und Tröstungen, wie sie in der Bundeslade unserer Väter eingeschlossen waren, es gelang ihm auch im gegenwärtigen Augenblick sich damit vor dem zweifachen Unglück zu schützen. Schon umfieng eine angenehme, leichte Starrheit seine Glieder und begann seine Gefühle ganz leicht mit Schlaf zu umnebeln, wie die ersten, schüchternen Fröste die Oberfläche der Gewässer trüben; noch ein Augenblick und sein Bewußtsein würde Gott weiß wohin fortfliegen, aber plötzlich erwachte Ilja Iljitsch und öffnete die Augen.

      »Ich habe mich ja nicht gewaschen! Das geht doch nicht! Ich habe ja auch noch nichts gethan,« flüsterte er. »Ich wollte den Plan aufs Papier bringen, habe es aber nicht gethan, habe weder dem Kreisrichter, noch dem Gouverneur geschrieben, habe einen Brief an den Hausherrn angefangen und ihn nicht beendigt, habe die Rechnungen nicht durchgeschaut und kein Geld herausgegeben – der ganze Morgen ist verloren gegangen!«

      Er sann nach. . .

      »Was ist denn das? Und der »andere« würde das alles gethan haben!« tauchte es in seinem Kopfe auf. »Der andere, der andere. . . Was ist denn das der ›andere‹?«

      Er vertiefte sich in das Vergleichen seiner selbst mit dem »anderen«. Er dachte und dachte und jetzt begann er sich über den »anderen« eine Vorstellung zu bilden, die derjenigen, die er Sachar beigebracht hatte, ganz entgegengesetzt war. Er mußte zugeben, daß der andere alle Briefe fertiggebracht hätte, ohne daß welcher und daß aufeinandergestoßen wären; der andere würde auch in die neue Wohnung übersiedelt sein, hätte den Plan verwirklicht und wäre aufs Gut gefahren.

      »Auch ich könnte ja alles das thun. . . . » dachte er. »Mir scheint, ich sollte ja auch schreiben können; ich habe doch früher compliciertere Sachen als Briefe geschrieben! Wohin ist denn mein ganzes Wissen verschwunden? Und was ist es denn für eine Kunst zu übersiedeln? Man braucht nur zu wollen! Der »andere« trägt auch nie einen Schlafrock,« ergänzte er noch die Charakteristik des anderen; »der ›andere‹ » . . . . hier gähnte er. . . . »schläft fast gar nicht. . . . Der andere genießt das Leben, kommt überall hin, sieht alles, ihn interessiert alles. . . . Und ich! ich . . . . bin nicht der ›andere‹!« – sagte er schon traurig und versank in tiefe Nachdenklichkeit. Er zog sogar den Kopf aus der Decke heraus.

      Es kam einer der klaren, bewußten Momente in Oblomows Leben. Entsetzen erfaßte ihn, als in seiner Seele plötzlich eine lebendige, klare Vorstellung von dem Schicksal und der Bestimmung der Menschen erstand, als er zwischen dieser Bestimmung und seinem eigenen Leben eine flüchtige Parallele zog und als in seinem Kopfe verschiedene Lebensfragen eine nach der andern erwachten, und furchtsam, im Durcheinander aufwirbelten, wie Vögel, die ein plötzlicher Sonnenstrahl in der schlummernden Ruine erweckt hat. Sein Mangel an geistiger Regsamkeit, das geringe Wachsthum seiner sittlichen Kräfte und die Schwere, die ihm in allem hinderlich war, kränkte ihn und stimmte ihn traurig; an ihm fraß der Neid, daß andere so voll und ganz leben, während auf den schmalen, armseligen Pfad seiner Existenz ein schwerer Stein geworfen zu sein schien. In seiner schüchternen Seele erstand das qualvolle Bewußt sein, daß viele Saiten seiner Natur gar nicht geweckt worden waren, daß einige nur sehr leise berührt wurden und keine einzige ganz ausgeklungen war. Und dabei fühlte er schmerzlich, daß in ihm wie in einem Grab etwas Schönes, Lichtes eingeschlossen war, das jetzt vielleicht schon todt war oder wie Gold in dem Schoß des Berges eingeschlossen lag und daß es schon längst Zeit war, dieses Gold in Scheidemünzen zu verwandeln. Aber dieser Schatz war schwer und tief mit Unrath und angeschwemmtem Schutt belastet. Jemand schien die ihm vom Leben und von der Welt zugedachten Schätze gestohlen und in seiner eigenen Seele vergraben zu haben. Etwas hinderte ihn daran, sich ins Leben zu stürzen und mit vollen Segeln des Verstandes und des Willens hinzufliegen. Ein heimlicher Feind hatte ihn beim Beginn seines Weges mit seiner schweren Hand belastet und ihn vom geraden Pfad der menschlichen Bestimmung weit fortgeschleudert. . . . Und ihm schien, er könnte aus dem Dickicht und der Wildnis niemals herausfinden. Der Wald um ihn herum und in seiner Seele wird immer dichter und dunkler; der Pfad verwildert immer mehr und mehr; das klare Bewußtsein erwacht immer seltener und weckt die schlummernden Kräfte nur für Augenblicke auf. Der Verstand und der Wille sind längst paralysiert und wie es scheint für immer. Die Ereignisse seines Lebens haben einen mikroskopischen Umfang angenommen, er wird aber auch damit nicht fertig; er geht nicht von einem Ereignis zum andern über, sondern wird von ihnen wie von einer Welle auf die andere geschleudert, er hat nicht die Macht, dem einen seine Willenskraft entgegenzustemmen oder sich von einem zweiten vernünftig hinreißen zu lassen. Diese heimliche Selbstbeichte erweckte in ihm ein bitteres Gefühl. Fruchtloses Bedauern der Vergangenheit, brennende Gewissensbisse verwundeten ihn wie Nadeln, und er bot alle seine Kräfte auf, um die Last dieser Vorwürfe von sich abzuschütteln, außerhalb seiner Person einen Schuldigen zu finden und auf ihn seinen Stachel zu richten. Aber auf wen?. . . »Das alles ist. . . .Sachars Schuld!« flüsterte er. Er erinnerte sich an die Details der Scene mit Sachar, und sein Gesicht erglühte vor Scham. »Wenn das jemand gehört hätte! . .« dachte er, bei diesem Gedanken erstarrend. »Gott sei Dank, daß Sachar es niemand wiedergeben kann; man würde es ihm auch nicht glauben; Gott sei Dank!«

      Er seufzte, verfluchte sich, wälzte sich von einer Seite auf die andere, suchte nach dem Schuldigen und fand ihn nicht. Sein Ächzen und Seufzen drang sogar bis an Sachars Ohren.

      »Wie der Kwaß ihn dort aufbläst!« brummte Sachar zornig.

      »Warum bin ich denn so?« fragte Oblomow sich fast weinend und steckte den Kopf wieder unter die Decke »Warum?« Nachdem er erfolglos nach einem Feind gesucht hatte, der ihn daran hinderte, wie es sich gehört, wie die »andern« zu leben, seufzte er, schloß die Augen und nach ein paar Minuten begann wieder der Schlummer seine Empfindungen allmählich zu fesseln. »Ich möchte . . . auch. . .« sagte er, mit Anstrengung blinzelnd, »irgendetwas thun. . . Hat die Natur mich denn so stiefmütterlich behandelt. . . . Aber nein, ich kann mich, Gott sei Dank, nicht beklagen. . . .« Dann folgte ein versöhnender Seufzer. Er kehrte von der Erregung zu seinem normalen Zustand, zu der Ruhe und Apathie zurück. »Das ist mein Schicksal. . . Was soll ich denn thun? . . .« flüsterte er mit Mühe vom Schlaf überwältigt. »Um zwei Tausend weniger. . .« sagte er plötzlich laut im Schlaf. »Gleich, gleich, warte. . .« und wachte halb auf. »Es wäre aber. . . .interessant zu erfahren. . . . warum ich. . . . so bin. . . .?« flüsterte er wieder. Seine Lider schlossen sich ganz. »Ja warum?. . . Wahrscheinlich. . .darum. . .« bestrebte er sich zu sagen, doch es gelang ihm nicht.

      Er kam also nicht auf die Ursache. Die Zunge und die Lippen erstarrten augenblicklich auf dem halben Satz und blieben halb geöffnet. Anstatt eines Wortes ertönte wieder ein Seufzer und dann hörte man das gleichmäßige Schnarchen eines ruhig schlafenden Menschen.

      Der Schlaf hielt den langsamen, trägen Gang seiner Gedanken auf und versetzte ihn in einem einzigen Augenblick in eine andere Epoche, zu andern Menschen, an einen andern Ort, wohin der Leser und wir ihm im nächsten Capitel folgen werden.

      IX

Oblomows Traum

      Wo

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