Oblomow. Иван Гончаров
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Das Brüllen der Thiere ist machtlos bei diesem Stöhnen der Natur, auch die Stimme des Menschen ist nichtig und der Mensch selbst ist so klein und schwach und verschwindet spurlos unter den Einzelheiten des unendlichen Bildes! Vielleicht ist das der Grund, warum der Anblick des Meeres ihn so bedrückt. Nein, wir brauchen kein Meer! Selbst dessen Stille und Reglosigkeit lassen in der Seele kein freudiges Gefühl aufkommen; in dem kaum sichtbaren Beben der Wassermasse sieht der Mensch immer dieselbe unfaßbare, wenn auch schlummernde Macht, welche seinen stolzen Willen manchmal so tückisch verhöhnt und seine kühnen Pläne und all seine Arbeit und Mühe so tief begräbt.
Berge und Abgründe stimmen den Menschen auch nicht heiter. Sie sind drohend und furchtbar, wie die entblößten, auf ihn gerichteten Krallen und Zähne eines wilden Thieres; sie erinnern uns zu lebhaft an unsere sterbliche Beschaffenheit und flößen uns Angst und Bangigkeit um unser Leben ein. Und der Himmel sieht dort über den Felsen und Abgründen so fern und unerreichbar aus, als hätte er sich von den Menschen losgesagt.
Der friedliche Winkel, in dem unser Held sich plötzlich befand, war anderer Art. Der Himmel scheint sich dort noch näher an die Erde zu schmiegen, aber nicht um noch mächtiger seine Pfeile herabzuschleudern, sondern nur um sie fester und liebevoller zu umfassen. Er dehnt sich so niedrig über dem Kopfe aus, wie das verläßliche Dach eines Elternhauses, um den auserkorenen Winkel vor allerlei Mißgeschick zu schützen.
Die Sonne scheint dort hell und heiß fast ein halbes Jahr lang und verschwindet dann langsam und gleichsam ungern von dort, als wende sie sich noch zwei-, dreimal nach dem geliebten Ort hin, um ihn im Herbst, zur Zeit des Unwetters, mit einem klaren, warmen Tage zu beschenken.
Die Berge scheinen dort nur die Modelle jener furchtbaren, irgendwo errichteten Ungethüme zu sein, die die Phantasie erschrecken. Es ist eine Reihe abschüssiger Hügel, von denen es angenehm ist im Herumtollen auf dem Rücken herabzurutschen, oder auf denen es sich gut sitzen läßt, wenn man der scheidenden Sonne sinnend das Geleite gibt.
Der Fluß fließt lustig, spielend und scherzend dahin; bald dehnt er sich zu einem breiten Teich aus, bald eilt er als ein schneller Streifen vorwärts, oder er verlangsamt seinen Lauf, wie in tiefes Sinnen versunken, und kriecht kaum sichtbar über die Steine hin, indem er seitwärts fröhliche Bäche entspringen läßt, bei deren Rauschen es süß zu schlummern ist.
Der ganze Winkel bildet fünfzehn, zwanzig Werst in der Runde eine Reihe malerischer, fröhlicher und lachender Landschaften. Die sandigen, steilen Ufer des klaren Flusses, das vom Hügel zum Wasser herabsteigende niedere Gebüsch, der sich krümmende Graben, mit einem Quell auf dem Grunde und der Birkenhain, – das alles schien mit Absicht zusammengestellt und von einer Meisterhand gemalt zu sein.
Das von Stürmen ermüdete oder das ganz unberührte Herz verlangt darnach, sich in diesen von allen vergessenen Winkel zu verstecken und dort ein von niemanden gekanntes Glück zu empfinden. Alles verspricht dort ein ruhiges, langes Leben, bis die Haare vergilben, und einen unmerklichen, schlafähnlichen Tod.
Der Jahreskreis vollzieht sich dort regelmäßig und ungestört; zu der vom Kalender verkündeten Zeit beginnt im März der Frühling, eilen die schmutzigen Bäche von den Hügeln herab, thaut die Erde auf und läßt einen warmen Dampf aufsteigen. Der Bauer wirft den Schafpelz ab, geht im Hemd hinaus und bewundert lange die Sonne, die Augen mit der Hand schützend und freudig die Schultern reckend; dann faßt er den umgeworfenen Wagen bald an der einen und bald an der zweiten Deichsel, oder betrachtet und stößt mit dem Fuß den träge im Schuppen liegenden Pflug, indem er sich zu der gewohnten Arbeit vorbereitet. Im Frühling kommen keine plötzlichen Schneegestöber vor, die die Felder verschütten und die Bäume unter der Last des Schnees zusammenbrechen lassen. Der Winter behält wie eine unnahbare, kalte Schöne ihren Charakter bis zur gesetzlichen Zeit der Wärme bei; er neckt nicht durch Thauwetter und läßt nicht unter unerhörten Frösten ächzen; alles geschieht nach der gewohnten, von der Natur vorgeschriebenen Ordnung. Im November beginnt der Schnee und Frost, der sich zu den Drei Königen so verstärkt, daß der Bauer, der für einen Augenblick sein Haus verläßt, bestimmt mit Reif auf dem Bart zurückkehrt, und im Februar fühlt eine feine Nase in der Luft schon das linde Wehen des nahen Frühlings.
Aber der Sommer ist in dieser Gegend besonders berückend.
Dort muß man die frische, trockene Luft, die nicht mit Citronen und Lorbeer getränkt, sondern einfach vom Geruch von Wermut, Fichten und Faulbaum erfüllt ist, suchen; dort findet man die klaren Tage, die manchmal heißen, doch nie sengenden Sonnenstrahlen und einen fast drei Monate lang wolkenlosen Himmel. Wenn die klaren Tage sich einstellen, dauern sie drei, vier Wochen lang; die Abende sind dort warm und die Nächte schwül. Die Sterne flimmern so freundlich, so herzlich auf dem Himmel. Wenn es regnet, ist es ein wohlthuender Sommerregen. Er strömt schnell und reichlich herab und hüpft fröhlich wie die großen, heißen Thränentropfen eines plötzlich erfreuten Menschen; und sowie er aufgehört hat, betrachtet die Sonne wieder mit einem hellen, liebevollen Lächeln die Felder und Hügel und trocknet sie; und das ganze Land lächelt wieder glücklich wie um die Sonne zu begrüßen. Der Bauer bewillkommt freudig den Regen. »Der Regen wäscht, die Sonne trocknet!« sagt er, das Gesicht, die Schultern und den Rücken freudig den warmen Tropfen preisgebend. Die Gewitter sind dort nicht furchtbar, sondern nur wohlthuend; sie treffen immer zu derselben, für sie eingesetzten Zeit ein und vergessen fast niemals den Eliastag, wie um die bekannte Volksüberlieferung aufrechtzuerhalten.
Auch die Zahl und Stärke der Donnerschläge scheint jährlich dieselbe zu sein, als hätte der Staat dem ganzen Land aus seiner Schatzkammer ein bestimmtes Maß Elektricität überwiesen. Man hört in dieser Gegend von keinerlei Stürmen und Verwüstungen. Niemand hat jemals in der Zeitung von diesem gottbegnadeten Winkel etwas Ähnliches gelesen. Und man würde nie etwas darüber drucken, und von dieser Gegend etwas erfahren, wenn die Bauerswitwe Marwa Kulkowa, 28 Jahre alt, nicht auf einmal vier Kinder zur Welt gebracht hätte, wovon, o Schrecken, selbst in den Zeitungen zu lesen war.
Der Herr strafte dieses Land weder mit der ägyptischen noch mit sonst irgendeiner Seuche. Niemand von den Einwohnern kann sich an irgendwelche furchtbare Himmelszeichen, an Feuerbälle oder an plötzliche Dunkelheit erinnern; es gibt dort keine giftigen Schlangen; die Heuschrecken fliegen nicht dorthin; es gibt dort weder brüllende Löwen noch Tiger und nicht einmal Bären und Wölfe, weil keine Wälder da sind. Auf den Feldern und im Dorfe irren nur zahlreiche kauende Kühe, blökende Schafe und glucksende Hühner herum.
Gott weiß, ob ein Dichter oder Träumer sich mit der Art des friedlichen Winkels befreundet hätte. Diese Herren lieben es, wie bekannt, den Mond zu betrachten und den Trillern der Nachtigall zu lauschen. Sie lieben eine kokette Luna, die sich in rauchige Wolken kleidet, geheimnisvoll durch die Baumzweige schimmert oder silberne Strahlengarben in die Augen ihrer Anbeter schüttet. Und hier zu Lande wußte man nichts von einer Luna – alle nannten sie Mond. Er blickte die Dörfer und Felder gutmüthig, wie mit weit offenen Augen an und erinnerte sehr an einen gut geputzten Präsentierteller aus Messing.
Vergeblich hätte der Dichter ihn mit verzückten Augen betrachtet; er würde den Dichter ebenso einfältig anblicken, wie eine rundwangige Dorfschöne die leidenschaftlichen, beredten Blicke des städtischen Hofmachers