Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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aufschwingende Treppen hinter Glastüren – belegte Stufen – Säle wie diese Säle sind – die man einst nur für Zimmer ansah – Man geht durch Wien, an einem regnerischen Abend – irgendwo in einer engen Gasse werden im ersten Stock Fenster geöffnet – Aufräumfrauen zünden Licht an u. eine wundervolle Decke erstrahlt, unter der man die Besenstiele u. von den Tischen in die Luft ragende Sesselbeine gewahrt.

      Wenn man aber am Min. d Aus. vorbeigeht, denkt man immer Daun, Laudon, Kaunitz – man weiß nicht warum – man erinnert sich nicht mehr.

      Eine große Glastüre mit einer kleinen Glastüre darinnen führt in den Hof – der ist weniger schön – eigentlich schon unschön – Man bemerkt, daß die Erbauer u. ersten Benutzer doch schon eine Menschenart aus zweiter Hand waren.

      Dann kommt noch ein Hof, u. in einem Winkel, bei einem großen Holzstapel führt eine enge, finstere, gewundene – man möchte glauben, schmutzige, aber schmutzig ist sie nicht! – Treppe zu den Büros des Pressedepartements.

      Es führt auch noch eine zweite breite Treppe hinauf, aber die Pressebeamten benutzen die erste, wo man unter sich bleibt u. keinem Diplomaten, sondern höchstens einem Amtsdiener begegnet.

      Oben im zweiten Stock läuft ein Gang, der zweimal einen rechten Winkel macht, einen hölzernen Fußboden hat, nicht mit Teppichen belegt u. muffig dunkel ist. Es gibt dort eine Reihe von Zimmern die auf den Minoritenplatz gehn – sie sind schön, wenn auch nicht so schön wie die Zimmer 1. Klasse.

      Es gibt in diesem Amt mehrere bürokratische Schichten – die Diplomatie – die Konsularabt – die Hilfsämter u. zw. diesen beiden od. vielleicht als letztes das Presse Dep. – Man merkt es an allem.

      Die Zimmer der Journalisten (? – eines Mitteldings …) gehn auf einen düsteren Hof – schmucklos usw –

      Im schlechtesten Zimmer – einem Kasten mit dunklem Eingang – einer geräumigen bürokratischen Hundehütte ..

      In diesem Zimmer saß an einem herrlichen Frühlingstag der Held dieser Geschichte (ich erzähle das altmodisch, weil ich eine steckenbleibende Geschichte erzählen will) mit einer Scheere in der Hand u. vor ihm stand eine große, in amtlichen Ausmaßen gehaltene Flasche mit flüssigem Gummi. Daß ein schöner Frühlingstag war, konnte man nur mit viel Übung an den spärlich auf die gegenüberliegenden Gesimse tropfenden Lichtflecken erkennen – der Held spielte mit der Scheere, die er auf seinen Daumen u Zeigefinger gesteckt hatte, u. sah nachdenklich dem Frl A. zu, das vor kurzem einen dicken Stapel von eingeklebten Zeitungsausschnitten auf seinen Tisch gelegt hatte.

      Ob auch ihre Körperhaare hellbraun sind wie die Augenbrauen? – dachte er – Man behauptet doch, daß das bei allen Menschen übereinstimme. – Es beunruhigte ihn, mit diesem Mädchen in einem abgelegenen von trüber Langweile erfüllten Zimmer zu sein, worin alle ihre Bewegungen glitten wie Fische in einem Aquarium.

      Frl A. war im manipulativen Dienst irgendwelcher Gesandtschaften gestanden, ehe der Krieg kam u alles dann anders wurde. Sie hatte in Paris u. London gelebt. Wenn man annahm, daß sie mit 17 Jahren im Jahre 1913 in den diplom. Hilfsdienst eingetreten sei, so müßte sie jetzt (1928) 32 Jahre alt sein u. das mochte stimmen. Sie konnte aber ebenso gut 26 Jahre alt u. erst nach dem Umsturz eingetreten sein. Er hatte sie nie danach gefragt. Sein Verhältnis zu ihr war schwierig. Sie hatte ein hübsches etwas überschärftes Gesicht mit grauen Augen, die nicht zufrieden waren. Man konnte meinen, daß sie jemanden heiraten wollte, der Schwierigkeiten machte. Oder ebensogut, daß sie mit ihrer Mutter lebe u. kein Verhältnis habe. Sie war sehr schlank u. ziemlich hoch gestreckt, mager u. weich, mit langen Händen, die gern ein wenig vornehm taten. Man merkte, daß sie ihren Chef aus Grundsatz mit Zurückhaltung behandelte. «Worauf wartet sie?» – dachte er. Da sind wir nun tagaus tagein in dieser Höhle beisammen; ganz unnatürlich ist es. Wir könnten den ganzen Tag Dinge tun, die mehr Spaß machen als Zeitungsausschnitte. Sicher denken wir beide daran wie die Stummen.

      Frl. v. B. seine zweite Gehilfin betrat das Zimmer. Welch ein Schritt, sie hatte Männersohlen; er konnte ihren Schritt von anderen unterscheiden, noch ehe sie das Vorzimmer betrat. – Schwer zu sagen, wie man das macht, – dachte er – Sie geht wie ein seelenloser Körper. Dabei hat sie sehr viel Seele. Sie weiß aber, wie häßlich sie ist. Das ist es. Sie geht wie ein häßlicher Körper, der auf alles Spiel verzichtet hat. Er fürchtete, daß Frl v B. ihn liebte. Sie sah ihn immer ernst an u. bemühte sich nicht im geringsten, ihm gefällig zu sein, obgleich sie ihren Dienst mit unübertrefflicher Pünktlichkeit versah. – Ah, vielleicht sieht sie mich bloß so sonderbar an, weil sie kurzsichtig ist – dachte er. Sie hatte einen kleinen Blähhals über dessen Knoten eine geschwollene Ader lief. Man konnte die Schwellung aber auch für Form ansehen, ein etwas ausgebauchter Stein, in den eine Schlange gemeißelt war; dann war sie sehr schön Sie stammte aus sehr guter Familie u. hatte das diplomatische Sprachexamen abgelegt. Sie versah den Dienst im Zeitungsausschnittsarchiv seit undenklichen Vorkriegszeiten, u. ihr Gedächtnis ersetzte eine Generation von Vorständen.

      Zeitungsausschnittsarchiv, ja so lautete die Bezeichnung für dieses verächtlich untergebrachte Hilfsamt.

      Beschreibung dieses Dienstes.

      Wie hineingekommen – Aufwachen mitten in einem wüsten Traum –

      Gräßlich vor dem Chef zu stehen Oder der Hilfsämterdirektor mit seiner Talmifreundlichkeit – erinnert zu werden an die eigene Bescheidenheit –

      Ich werde ihm einmal diese Scheere in den Bauch rennen.

      Kurz vor der Heilung [?]: Er heiratet Frl. v. P.

      Wochenlang trainiert er sich darauf, sich die Umarmung nur mit häßlichen Frauen vorzustellen; er kann schon gar nicht mehr vortragen. Das ausführlich erzählen.

      Dann aber ist Frl v P. natürlich ein Mensch mit Ansprüchen, Sentiments usw., u. noch dazu ist er gesund u. sieht das Verrückte seiner Handlungsweise ein. Er ist abgebaut u. z T. auf seine Frau angewiesen. Ungefähr im Alter der Generation Fontana, macht er nun die Versuche, sich eine Stellung zu schaffen.

      Monolog eines Geistesaristokraten

[Um 1925]

      Es gibt kaum eine Behauptung, die verständiger klingt als die, daß die geistig Besten uns – die übrigen, das Volk – regieren sollten; das ist so einleuchtend wie daß die dicksten Menschen die größten Portionen essen müssen. Der geistige Adel hat vor dem alten Adel überdies das voraus, daß man ihn sich selbst zusprechen kann. Es ist also nicht zu verwundern, daß so viele Menschen heute gegen die zersetzenden, gleichmachenden Wirkungen des Sozialismus sind und sich eine geistige Aristokratie an der Herrschaft wünschen, denn das ist das Wort, das man dafür in Redegebrauch genommen hat. Am besten spricht für die Sache, daß selbst dicke Bürger, welche immer die Erde für einen runden Stammtisch angesehn haben, sich heute durch die Verhältnisse dazu gezwungen fühlen.

      Ich bin auch darunter.

      Böse Gegner behaupten freilich, daß die wirklich großen Geister, wenn sie uns folgen und die Leitung des «Volks» übernehmen müßten, so wenig wüßten, wie sie herrschen, als wie sie einen Besen oder einen Seilknoten machen sollten, weil sie ganz andere Interessen haben als politische.

      Aber dem liegt ein großes Mißverständnis zugrunde. Man muß sich die Sache nur einmal richtig vorstellen. Wie würden z. B. die geistig Besten erkannt werden? Nun, man würde natürlich Prüfungen veranstalten. Matura, Doktorat, Lehramtsprüfung udgl. Wer diese Prüfungen abgelegt hat, braucht nicht in die Fabrik zu gehn, sondern käme in eine entsprechende angenehme Stellung, von wo es dann mit den Jahren automatisch ein gutes Stück weiter geht. Ein Maturant bringt es bis zum Kanzleidirektor, ein Doktorand bis zum Ministerialrat, wenn nicht etwas dazwischen kommt. Und nun denke man nach: Würde

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