Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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schwer. Man muß sich nur fragen: wie wird man denn heute Universitätsprofessor? Man muß etwas können und geleistet haben, doch das ist lange nicht das Schwerste, denn für jeden freien Platz werden immer drei Gelehrte vorgeschlagen, woraus man sehen kann, daß die Eignung für die Professur dreimal so billig ist wie die Professur für die Eignung. Die entscheidende Eigenschaft ist daher erst, daß man die besseren Verbindungen hat. Dann wird man geistiger Hocharistokrat. Und auch in der Bürokratie kommt man vorwärts, indem es heißt, daß man ein gescheiter Mann sei, was sich an der bürokratischen Tätigkeit schwer kontrollieren läßt. Weshalb sollte man nicht auch in der Zukunftsgesellschaft diese Art Auslese beibehalten? Nicht anders steht es heute mit den großen Geistern der Dichtung. Wer einen Kohl schreibt, den jeder schluckt, findet viele Leser, und wer viele Leser hat, ist ein großer Mann; denn wer viel verdient, bringt andre ins Verdienen, die ihn loben und achten. Wir haben also schon heute auf diesem Gebiet ein sozusagen allgemeines Wahlrecht der Autoritäten und eine nahezu ungarische Wahlkorruption.

      Vielleicht wird man in der Zukunft in Sachen des gesellschaftlich bestätigten geistigen Adels, so wie es mit dem kaiserlichen war, etwas mehr mit Geld richten können, aber im allgemeinen ist dieses Zukunftsbild gar nichts anderes als der Zustand, in den man den Geist heute schon versetzt hat. Der Vorwurf der Utopie ist, wie ich gezeigt habe, also völlig unberechtigt. Das einzige, was ich daran augenblicklich selbst nicht verstehe, ist bloß, was mir dann eigentlich an dem jetzigen Zustand nicht recht ist. Vielleicht habe ich mich da zu einer Ungerechtigkeit hinreißen lassen, die einem geistigen Aristokraten nicht wohl ansteht.

      Über Fürsten-und Strassennamen

[Um 1925]

      Gewiß ist es manchem schon aufgefallen, daß die Fürsten, indem sich die Weltgeschichte an die Gegenwart annäherte, nur noch Nummern bekommen haben. Der Erste, der Zweite waren sie bei ihren Lebzeiten, und nach ihrem Tode blieben sie es auch oder erhielten ohne Abwechslung das Beiwort der Große, das ja ebenfalls metrisch ist. Allerdings hatten sie römische Zahlzeichen, die immer etwas geheimnisvoll aussehen. Trotzdem würde sich das heute nicht einmal ein junger Mann gefallen lassen, und sein Mißtrauen würde sofort erwachen, wenn ihm sein Mädchen, sei es in römischen, sei es in arabischen Ziffern, zuflüsterte: «Du bist der vierte Erich!» In der Liebe des Volks zu seinen Fürsten ging das aber bis gegen den Vierzigsten.

      Es spricht eben viel dafür, daß sich in einer solchen Aufzählung Dinge ausdrücken, die nicht sein sollen. Und als das Königtum noch eine lebendige, den Menschen am Herzen liegende Einrichtung war, wurden die Könige, wie man sich wohl aus der Schule noch dunkel erinnern wird, auch wirklich anders genannt; sie hießen damals der Kahle und der Lahme, der Kurze und der Dicke, und wenn sie einmal der Große hießen, so war das ebenso aufrichtig gemeint wie kurzhalsig oder rotharig: Das erinnerte im besten Sinn an die Bezeichnungen in Verbrecherkreisen, an den krummen Max und den schiefen Heinrich, oder an spannende Indianergeschichten, was ganz ohne Herabsetzung so zu verstehen ist, daß Männer, die das Gemüt ihrer Lebensgenossen wirklich beschäftigen, von diesen saftige Namen erhalten, denen man es anmerkt, daß sie nicht von Professoren erfunden sind.

      Etwas Ähnliches hat sich bekanntlich auch mit den Namen der Gassen ereignet. Da hält man allerdings noch daran fest, sie entweder nach irgendeinem durchaus unvergeßlichen Stadtverordneten zu benennen oder nach all den Fürstlichkeiten, Heiligen, Gefechten und Philosophen, deren Nebeneinander in der Geschichte so gut zu einem Durcheinander paßt, wie es die Gassen bilden; aber doch sind die Schwierigkeiten für das Gedächtnis heute schon so groß geworden, daß man in vielen Städten dazu übergegangen ist, die Straßen eines Viertels schön nebeneinander mit Dichterfürsten zu belegen und die der benachbarten Viertel kompanieweise mit Musikgenies oder Pflanzennamen. Die Zoologie wird vorderhand merkwürdigerweise dabei vernachlässigt und bildet darum mit ihren innigen Beziehungen zum Menschenleben noch eine natürliche Reserve für die Zukunft, aber im ganzen ist es wohl doch so, daß die amerikanische Sitte, eine Straße um die andere einfach mit Nummern zu bezeichnen, nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Höchstens könnte man sich vor ihr für einige Zeit dadurch retten, daß man sich an die Chemie anlehnt, denn in dem Sprachsystem dieser verwickelten Wissenschaft schließt jeder Name gleich auch einen Hinweis auf die Gegend und Nachbarschaft ein, in der das von ihm bezeichnete Ding zu suchen ist. Ohne daß für die chemische Richtigkeit des Beispiels Bürgschaft geleistet werden soll, würde man dann also in der Ferrocyanürtheobrominesther-Gasse wohnen, und jeder Chauffeur wüßte sofort, wo man zu finden sei.

      Ob es sich durchsetzen wird, ist freilich fraglich.

      Nun aber kann man auch noch etwas anderes mit Vorteil fragen: denn warum haben alle Könige Franz und Ludwig, Friedrich, Wilhelm, Josef, Karl, Georg, Heinrich, Leopold und Humbert geheißen und warum nicht Emil, Anton, Hans, Paul, Bernhard, Eugen, Wolfgang, Adalbert und so weiter? Es hat da scheinbar eine willkürliche Zurücksetzung gewisser Namen stattgefunden, und viele von Emil bis Adalbert werden sich mit Vergnügen sagen, daß es den Fürsten recht geschehen sei, wenn sie dann mit ihren Namen kein Auslangen fanden und Ziffern dazusetzen mußten. Die Wahrheit ist aber die, daß die königliche Gepflogenheit, nur bestimmte Namen zu benutzen, durchaus nicht auf einer unbegreiflichen Abneigung gegen die übrigen beruhte, sondern auf der auch nicht ganz begreiflichen Überzeugung, daß ein Herrscher, dem man den Namen eines geschätzten Vorfahren gibt, zu dessen Reinkarnation werde, also daß zum Beispiel Otto IV. nicht etwa nur der vierte, sondern wirklich der zum viertenmal sich wiederholende erste Otto sein sollte. Es war das eine magische Sitte, verwandt mit der der Wappentiere und ähnlichem, etwas, das wir heute Aberglauben nennen würden, wenn die Vernunft nicht daran festhalten müßte, daß nur ein Aberglaube, der noch einen erkennbaren Zweck hat, Aberglaube zu nennen sei wie zum Beispiel das Zündholzausblasen in der dritten Hand oder das Auf-Holz-Klopfen. Und warum wir selbst unsere Söhne und Töchter mit Vorliebe nach nahen Verwandten benennen, das wissen wir nicht mehr, wenn wir auch dunkel glauben, daß es ihnen einen Vorteil bringen werde.

      Früher ist es auch bei der Benennung der Gassen anders gewesen als heute. Da war die Budapester Straße wirklich jene, die nach Budapest führte, und nicht bloß ein zu Ehren von Budapest benanntes Etwas, das man wie einen Strumpf bald da, bald dort hinlegen kann, in der Schmiedgasse saßen die Schmiede, an der Gerberlände die Gerber, wenn eine Gasse eng war, so hieß sie die Enge, und selbst die Häuser hatten ihre Namen. Das sieht heute wie eine hilflos verschwindende Romantik aus, die man gerührt in kleinen alten Städten besichtigt. Man bedenkt selten, daß diese vermeintliche Romantik sofort hellste Berliner Aktualität würde, wenn man etwa die Friedrichstraße Am Großen Bummel, die Tauentzienstraße den Jungfernstieg und den Kurfürstendamm auch noch nach einer seiner Funktionen benennen wollte.

      Warum tut man es nicht? Die Wahrheit ist, daß die Stadtverordneten fürchten müßten, nicht ernstgenommen zu werden, wenn sie sich einfallen ließen, bei einer Gassentaufe jenen urwüchsigen Sprachsinn zu zeigen, der eine Verschmelzung von Wirklichkeit und Phantasie ist. Denn der heutige Mensch hat geradezu eine geheimnisvolle Abneigung gegen den richtigen Gebrauch der Sprache, er hält ihn entweder für eine Schulmeisterei oder einen Witz. Er hat das Gefühl, sich persönlich bloßzustellen, wenn er anders als konventionell spricht. Er ist sprachscheu und sprachfeig.

      Von Adam steht geschrieben: «Und Adam nannte mit Namen alles Vieh und alles Geflügel des Himmels und alle Tiere der Erde». Heute tut das nur noch ein Kind. Noch Lohengrin sang: «Nie sollst du mich befragen». Heute singt so bloß ein Heiratsschwindler oder auch der Held eines Detektivromans. Dafür kann jedoch heute jede Jungfrau einen Mohrenkopf oder Lucca-Augen verschlingen, ohne daß ihr ein übles Gedenken wird. Es scheint also, daß es voreilig war, den Unterschied des Menschen vom Tier in der Sprache zu sehn, denn der Fortschritt geht in anderer Richtung. Die Sache ist ja die, daß der Urmensch überzeugt war, daß einer, der den Namen weiß, auch Gewalt hat über Person oder Ding, die so heißen; man nahm ursprünglich die Sprache für bare Münze und ging vorsichtig mit ihr um. Heute glaubt kein Mensch mehr daran, daß ihm etwas geschehen könnte, wenn er mit der Sprache fahrlässig und gedankenlos verfährt. Aber es kränkt ihn, daß das Leben immer ziffernmäßiger wird. Und damit hat er unrecht.

      Durch

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