Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Blumen knicken, die dort ihre Augen zu den Menschen auf schlagen; als Gesamteindruck hat man etwas entschieden Vortextiles.

      Wunderbare Ironie die den Namen das Goldene Zeitalter für diese goldlose Zeit in Gebrauch gesetzt hat, welche noch nichts von Währung wußte. /.. für die Sehnsucht nach einem goldlosen Zeitalter in Gebrauch gesetzt hat./ Wahrscheinlich schenkte schon in vorgeschichtlichen Zeiten der König, wenn es hoch herging, dem Sänger der genau so wie unsere Dichter heute auf Vortragsreisen ging einen goldenen Becher oder eine Spange von seinem Gewand, u. der Sänger bedankte sich, indem er ein vor-vorgeschichtliches Zeitalter erfand, worin alle Könige u Götter selbst Sänger waren. Denn wenn man sich das Goldene Zeitalter der Künste genau vorstellt, kommt man zu dem Schluß, daß alle Menschen u Tiere damals Geld gehabt haben müssen. Sie tragen etwas ausgesprochen Unbesorgtes um Nahrung u Erwerb zur Schau; sie besitzen zweifellos alles, was sie wünschen, u. haben keine andere Aufgabe mehr als ihre schöne Saturiertheit in künstlichen Gebilden auszuströmen. Das goldene Zeitalter war ein Zeitalter des Amateurismus ohne Professionals; wenn der Dichter gefordert hätte, daß er der Herr der Welt sei – u. sollte dies auch nur eine sagenhafte, vergangene sein – so hätte man ihm Gift zu trinken gegeben, er konnte sich nur so helfen, um seinen Wunschtraum auszusprechen. Und wenn heute, einige tausend Jahre später, die großen Dichter unseres bürgerlichen Zeitalters Bilanz machen wollten, so würde sich erweisen, daß sie noch immer an ein mögliches GZ. glauben u genau in der gleichen Weise, daß die Besitzenden Dichter werden, niemals aber die Dichter Besitzende; sie nennen es indem sie die Forderung bloß etwas mildern /aus dem Sagenhaften zum Möglichen mildern/ Kultur od. Nation od. Humanität, der Textilindustrielle soll ihrer Ansicht nach nicht nur Kammgarn machen, sondern auch ein Liebhaber, Förderer u Schüler der Künste sein.

      F. F. Bl. / Frauenlob

[1927 oder später]

      Don Juan u Quichote, Blaubart, Simson, der Misogyn … unter diesen immer wiederkehrenden Mannesgestalten, welche in Haupt-oder Nebenamt Ausdruck des Verhältnisses der Geschlechter zueinander sind, fehlt seit etlichen Menschenaltern eine: der Frauenlob. Der letzte war Stendhal; nicht weil er über die Physiologie der Liebe schrieb, sondern weil in seiner Poesie die Frau durch unendliche Hindernisse vom Mann getrennt wird und, durch das Feuer des Hungers gesehen, den bezaubernden Glanz der Vision gewinnt. Seither sind wir zwar von Liebesliteratur überschwemmt worden, aber je breiter, desto seichter und nicht anders als wenn ein leergelaufenes großes Behältnis auf den Kopf gestellt u. ganz ausgegossen wird. Wahrhaftig hatte auch inzwischen die menschliche Natur das pompöse Illusionsexperiment, durch das sie seit Jahrtausenden die Liebes-u Schaulustigen anlockte, eingestellt u. arbeitet als Desillusionskünstler, der, in Frack, ohne Hokuspokus vorerst den ganzen Schwindel erklärt u. sich danach doch unterfängt, ihn zustande zu bringen.

      Ob das nun bloß eine Ruhepause ist, welche der Illusionsmüdigkeit gegönnt wird, oder bleiben wird, weiß natürlich kein Mensch; jedenfalls bedeutet aber, was sich 100 Jahre lang vorbereitete und in den letzten Jahren breit etablierte, einen der originellsten Abschnitte in den Beziehungen zwischen Frau u Mann. Sein wichtigstes äußeres Zeichen ist nicht die Annäherung der weiblichen Tracht an den Mann, sondern die Entkleidung der Frau durch den Sport. In ihr drückt sich eine Bewegung aus, welche die ganze weiße Menschheit umfaßt, u. das erotische Element verschwindet neben der Vielfalt dauerhafterer u würdevollerer Motive die von Gleichberechtigung bis zu Volksgesundheit u gesunder Unbefangenheit gegenüber der Natur reichen.

      Man kann sich den reizvollsten sittengeschichtlichen Anschauungsunterricht sogleich bereiten, wenn man neben eine heute gedruckte illustr. Zeitung einen Jahrgang jener alten Familienblätter legt, die sich auf den Dachböden aller Haushalte finden, deren Bestand in die 70er u 80er zurückreicht.

      Ev. Mode. Umgekehrt anpacken. Von der Mode ausgehn u dann sagen: die Menschen sind nett wenn ihnen das Leben unmittelbar auf den Schultern sitzt, ohne Ideologie oder mit einer unaufhörlich wechselnden Mode.

      Es gibt sicher eine Phil. der Mode. Ob es eine zeitgemäße, soziale gibt, weiß ich nicht –

      Mode

[Um 1930?]

      Illustr. Ztgen. haben seit einigen Jahren die hübsche Gewohnheit angenommen, Modebilder aus solchen vergangenen Zeiten zu reproduzieren, die ein großer Teil von uns noch mitgemacht hat, also etwa aus den Jahren 1914, 1900 bis 1890. Ihren Abschluß nach unten findet diese Reihe etwa in den 70er Jahren des vor. Jhrdts. Man sieht Hüte, die wie Räder oder große Käseringe sind, gepuffte Ärmel, wunderliche Linien vom Magen bis zum Hals und Schöße voll Unnatur. Der erste Eindruck ist der eines komischen Ungeschicks, dem unsere Gegenwart viel mehr entronnen sei als aus ihm hervorgegangen, gemischt mit der Befriedigung, daß wir es in wenigen Jahren so weit gebracht haben.

      Ganz so einfach ist das aber nicht.

      Vor allem: warum schließt das mit 1870 ab? Ein Historiker der Form, der Entwicklungslinien sucht, wird die unserer Kleidung mühelos u. natürlich über das Jahr 1870 hinaus u zurück verfolgen können, in die 30er Jahre hinein und von da, so wie eben eins aus dem andern folgt, bis zur Zeit Goethes ja der Anfänge des Bürgertums zurück. Und doch befindet sich etwa bei 1870 für unser Gefühl ein Bruch, so daß uns alles, was älter ist, als historisches Kostüm erscheint, so als ob es aus irgendwelchen Gründen der Zeit damals entsprochen hätte, während ab 1870 ein Gefühl verlassener Torheit in uns erregt wird, geradeso als ob wir irgendwie dafür noch verantwortlich wären.

      Damals waren unsere Eltern oder Großeltern in ihren besten Jahren, einige Jahrzehnte später waren wir es selbst; es scheint ein Zeichen für das zu sein, was wir noch nicht ganz als Vergangenheit und mehr oder minder als Gegenwart empfinden, daß wir uns dafür schämen. Denn wir schämen uns der Lächerlichkeit unserer abgelegten Kleider.

      Warum legen wir sie dann aber an?

      Häßlichkeit hindert eine Mode nicht am Entstehen; sie kann anfangs ganz deutlich als unangenehm empfunden werden, wird aber doch mitgemacht, und nach einer Weile ist sie unentbehrlich. So waren die umgeklappten Hosen, die man heute trägt, vor dem Krieg auf Regenwetter u Straße beschränkt u galten selbst da in Dtschld. nicht für besonders anständig, heute betritt man u U. einen Salon mit ihnen, und die kurzen Frauenröcke, die bis vor eben so kurzem getragen wurden, bedeuteten, unvoreingenommen betrachtet, die unvorteilhafteste Gliederung der weiblichen Erscheinung, die sich nur ersinnen läßt, denn es entstand ein hochgestelltes Rechteck, das auf zwei kurzen Stelzchen ruhte. Daß diese kniefreien Röcke praktisch waren, hat nicht gehindert, daß sie sich seither wieder ins Unpraktische verlängerten, und alles was man von der Bewegungsfreiheit der neuen tätigen Frau schrieb u sprach, war nur Zeitgeklapper: in Wahrheit spielt das Praktische in der Mode eine ebenso untergeordnete Rolle wie das Schöne, und nichts steht dafür gut, daß wir nicht noch einmal Vatermörder und Schnürstiefel tragen werden.

      Natürlich hat eine neue Mode immer etwas an sich, was reizvoll ist, aber das ist wahrscheinlich gerade das, was später nicht mehr verstanden wird; es ist das Genughaben am Vorangegangenen (Opposition u Variation)

      Eine Einzelheit, die ein Ganzes nach sich zieht: ein labiles, debiles Verhalten.

      Man spricht von der Tyrannei der Mode und meint darunter, daß man nicht versteht, warum man sie wechselt.

      Zum Teil weiß man, daß das von außen kommt. Längstens alle 2, 3 Jahre müssen die Schneider und Hütemacher aus Geschäftsgründen etwas Neues erfinden. Bald fällt ihnen mehr, bald weniger ein, bald etwas Nettes, bald nur etwas Albernes. Das weiß man und fühlt man und kann sich der Aufforderung, es zu tragen, doch nicht entziehn. Rührend deutlich war das ja bei der kurzen Frauenhaartracht – die so konsequenzenreich war wie keine Mode An u für sich nur in einer beschränkten Zahl von Fällen unbedingt schön. Rührendes jahrelanges Zögern. Abwägen. Sondieren des Manns u Parlamentieren. Aufmarsch von Grundsätzen. Und schließlich ein Zopf nach dem andern unter der Scheere, so daß es heute geradezu Ausdruck bestimmten Charakters,

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