Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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leidenden Bruder, und das Herz drohte mir zu zerspringen, und ich flehte zu Canondah und bat und beschwor sie, ihn nicht länger zurückzuhalten; denn der Miko würde ihn im Glauben, daß er ein Späher der Weißen sei, mit dem Tomahawk getötet haben.«

      »Und weiter?« fragte der Squire.

      »Und Canondah wollte nicht, und Rosa mußte drohen und sagen, sie selbst wolle dem Bruder den Weg zeigen oder mit ihm im Sumpfe ersticken. Sie hätte wohl dieses gekonnt, aber sie hätte den Pfad nicht gefunden«, unterbrach sie sich. »Und Canondah gab weinend den Bitten Rosas nach, und dem weißen Bruder hing sie eine Wolldecke um und band die Mokassins an seine Füße und den Wampumgürtel um seinen Leib, und sie färbte seine Haut, um die Verfolger zu täuschen, und sie führte ihn über den schmalen Pfad auf das jenseitige Ufer des zweiten Flusses. Es hat Canondah und Rosa vieles Herzeleid verursacht; denn als der Miko zurückkam und er von den Weibern hörte, daß ein weißer Fremdling im Wigwam gewesen, wurde sein Angesicht finster, wie das des reißenden Panthers; denn er dachte, der Brite sei ein Späher, und schon hatte sich seine Hand erhoben, um das Schlachtmesser in die Brust seiner Tochter und Rosas zu stoßen; der gute Gott hat ihn jedoch zurückgehalten.«

      »Und der Brite hatte den Miko nicht gesehen?« fragte der Squire.

      »Der Miko ist seiner Spur nachgeeilt; ob er ihn gesehen hat, weiß ich nicht.«

      »Und was will der Miko mit den Indianern hier?«

      »Er hat einen langen Traum gehabt, den er erfüllen muß, weil es ihm der große Geist geboten hat. Er geht mit seinem Sohne zu den mächtigen Cumanchees; die Seinigen sind bereits abgegangen, er ist nur mit wenigen zurück in die Niederlassungen der Weißen. Und der große Häuptling der Cumanchees wollte den Vater seines Weibes nicht allein ziehen lassen. Der arme Miko hat seine Tochter verloren, und Rosa hat ihn gleichfalls begleitet; sonst würden ja«, setzte sie mit naiver Unschuld hinzu, »seine Augen vor Jammer erblinden.«

      Die Gesellschaft hatte mit Verwunderung und Rührung dem einfachen Vortrage der reizenden Sprecherin zugehört, der einen Lichtstrahl auf die plötzliche verdächtige Erscheinung des Briten und der Indianer warf. So wenig eine solche Erscheinung zu einer andern Zeit beachtet worden wäre, so bedeutend wurde sie im gegenwärtigen Augenblicke, wo die Verteidiger des Landes auf dem Punkte standen, nahe an zweihundert Meilen den Strom hinab gegen den auswärtigen Feind zu ziehen. Selbst eine kleine Horde von Indianern mußte, mit ihrer Art Krieg zu führen, nicht nur endlosen Jammer in den zerstreuten Niederlassungen jenseits des Stromes verbreiten: ein feindlicher Überfall konnte selbst dem Gange des Krieges eine ungünstige Wendung geben, indem er die Milizen, die die Ihrigen den blutigen Tomahawks preisgegeben sahen, entmutigen, sie vielleicht gar bewegen würde, die ohnehin schwache Armee zu verlassen, um den Ihrigen zu Hilfe zu kommen.

      »Und warum«, fragte der Squire nach einer Weile, »hat der Narr nicht gesagt, woher er Wampumgürtel und Fellwams hat?«

      »Canondah«, versetzte Rosa, »hat ihn beim großen Geiste schwören lassen, daß er nicht verraten wolle, wo er gewesen. Der Miko fürchtet die Weißen sehr, und er ist in ein Land gezogen, wo er sie nimmermehr sehen will.«

      »Ja, das ist's!« versetzte der Squire nach einer Pause.

      Gabriele und Rosa hatten ihr Mahl geendet und flogen schäkernd aus dem Saale.

      »Immerhin dürft Ihr nicht vergessen,« hub wieder der Oberst an, »daß, so wenig die Wahrheit dieses lieben Kindes zu bezweifeln steht, die Indianer, wenn sie etwas im Schilde führen sollten, nicht Rosa zur Vertrauten gemacht haben würden. Obwohl Träume viel vermögend bei ihnen sind, so erscheint dieser weite Ausflug eines Traumes wegen doch immer sonderbar.«

      »Mir nicht«, entgegnete der Squire. »Sie gehen Tausende von Meilen, wenn ihnen der große Geist im Schlafe es zuflüstert, wie sie sagen. Und dann müßt Ihr wohl bedenken, daß die Indianer geradezu auf unsre Niederlassungen gekommen. Hätten sie etwas Arges im Schilde, glaubt Ihr, sie wären den Atchafalaya herüber, ohne sich umzusehen? Und dann, würden sie wohl das Kind mitgenommen haben? Sahet Ihr nicht, wie der Indianer plötzlich alle Fassung verlor, als ich ihm ankündigte, daß Ihr seine Pflegetochter zu Euch geladen? Konnte kaum meinen Augen trauen, wie ich ihn so bewegt sah. Und ihre Kleidung und Geschmeide verraten ja offenbar, daß sie von ihm über alles hoch gehalten wird. Die reichste Erbin dürfte sich nicht ihres Anzuges schämen.«

      »Eben dieser Anzug«, erwiderte der Oberst, »macht mir das Ganze um so unerklärbarer. Woher kann der Indianer diese Dinge haben?«

      »Ihr vergeßt, daß er der Schwiegervater des Cumanchee ist, der vor Gold starrt; diese Cumanchees sind, höre ich von unsern Männern, die hinüber nach Santa Fé und Mexiko handeln, reiche Wilde, im ewigen Kriege mit den Spaniern begriffen, von denen sie oft große Beute machen.«

      »Der Schnitt dieser Kleider und die Fasson ihrer Geschmeide ist englisch, lieber Squire,« bemerkte die Dame, »und zwar im besten, neuesten Geschmacke.«

      »Und das«, versetzte der Oberst, »ist allerdings bedenklich. Ihr wißt, John Bull, obwohl er breit auf seine Taschen schlägt, ist kein solcher Narr, sie zu leeren, wenn er dabei nicht zehnfach gewinnen kann. Das Rätsel ist so wenig gelöst, daß es mir im Gegenteil nur verwickelter vorkommt.«

      »Wir wollen bald dem Haken einen Köder finden,« sprach der Squire; »ohnedies haben wir eine Zusammenkunft mit den Indianern, und es müßte schlimm hergehen, wenn wir nicht das Wahre herausfänden.«

      Die Töne des Pianoforte unterbrachen das etwas ernst gewordene Tischgespräch. Die Gesellschaft, als sehe sie die bezaubernde Wirkung voraus, welche die Musik auf das Naturkind hervorbringen würde, erhob sich von der Tafel und trat in den Saal.

      Rosa hatte mit der naiven Neugierde eines Kindes die prachtvolle Einrichtung, die herrlichen Fußteppiche, die glänzend seidenen Vorhänge, die duftenden Rosaholzmöbel, die marmornen Statuen angestaunt und war in lieblicher Einfalt von einem Gegenstande zum andern gehüpft, als Gabriele zum Pianoforte schlüpfte und einige Töne anschlug. Diese horchte hoch auf, als die zarten Finger über die Tasten hinschwebten und einige ergreifende Akkorde erklangen. Sie flog auf das Instrument zu und sah hinein mit kindisch naiver Einfalt und breitete die Hände darüber, als wollte sie die sanften Töne erhaschen, und mit verwundertem Blicke hielt sie es, als fürchtete sie sich, sie würden entfliehen. Allmählich, als Gabriele nach dem sanften Vorspiele in die Romanze des Troubadours einschlug, da malte sich in ihrem Gesichte ein stilles, namenloses Entzücken, ihre Augen begannen zu leuchten mit der Glut unnennbarer Wonne, ihre ganze Gestalt schien von einem elektrischen Feuer berührt. Sie umgaukelte sich selbst, wie ein lieblicher Schmetterling, und, sowie dieser seine zarten Flügel, so breitete sie ihre Hände aus, als wollte sie die zarten Töne umarmen; ihre Füße hoben sich, sie berührte kaum mehr den Teppich, jede ihrer Bewegungen war die schönste Poesie, ihr ganzes Wesen Verklärung geworden. Eben war die Gesellschaft eingetreten, als die Töne ihre Kraft auf das holde Geschöpf zu äußern anfingen.

      Sie sahen dem Ausdrucke der Natur mit Verwunderung und Staunen zu. Ein herrlicherer Tanz war nie gesehen worden. Zuletzt flog sie, mit Tränen in den Augen, überwältigt von der süßen Empfindung, Gabrielen an den Hals.

      »Ich bitte dich um Gottes willen, Schwester, töte mich nicht; ich sterbe, meine Seele eilt davon mit den entzückenden Tönen.«

      Und dann setzte sie sich hin, und eine Träne perlte nach der andern über ihre Wangen.

      »Ach,« lispelte sie; »wäre ich doch gestorben! wäre ich gestorben!« –

      Neunundzwanzigstes Kapitel

      

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