Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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probieren!« – Sie machte halb drollig, halb böse so allerliebst und graziös die Gebärde des Augenauskratzens, daß der Freiherr in ein begeistertes »Famos!« ausbrach und Felix die beweglichen rosigen, kleinen Hände erfing und sie in trunkener Zärtlichkeit gegen seine Brust zog. »Ich werde ja bei dir sein, Lucile,« sagte er innig.

      »Und Freund Lucian wird dem reizenden Puck da so wenig widerstehen wie sein Sohn,« lachte der Freiherr und seine feurigen Augen verschlangen förmlich die geschmeidige Mädchengestalt in den Armen des jungen Mannes. »Und nun, wann wird marschiert, Felix?«

      »Am liebsten sofort!«

      »Gut – dann tapfer hinaus, gleich morgen mittag! Die nötigen Papiere besorgen wir früh,« bestimmte der alte Herr. »Die Zofe, die noch jammernd im Hotel sitzt, geht selbstverständlich mit.«

      »Und willst du Deutschland wirklich auf diese Weise verlassen, Felix?« fragte Baron Schilling ernst. »Ohne die Mutter deiner Braut zu –«

      »Um Gottes willen, lieber Baron, was fällt Ihnen ein?« unterbrach ihn Lucile ganz entsetzt. »Sie kennen die Mama nicht! Wenn wir uns in Wien blicken lassen, so sind wir verloren, geschiedene Leute für immer, sag' ich Ihnen! – Mama schlägt sofort Lärm – sie bringt die ganze Polizei auf die Beine und ist imstande, Felix hinter Schloß und Riegel setzen zu lassen ... Sie gibt ihre Einwilligung nie – lieber steckt sie mich ins Kloster – puh! Gräßlich! – Felix, ich bitte dich fußfällig, lasse dich nicht irre machen! Gelt, wir gehen direkt aufs Schiff? –«

      »Ohne Aufenthalt.« bestätigte er fest und entschlossen. »Magst du mich verurteilen, Arnold. Es tut mir weh, aber ich muß es ertragen – mein Glück lasse ich mir nicht entschlüpfen ... Ich werde von drüben aus alles aufbieten, um zu versöhnen und gut zu machen – darauf verlasse dich.« – Er wandte sich unmutig ab, denn der mißbilligende Ausdruck in den ernsten Augen des Freundes milderte sich nicht. »Du kannst mich freilich nicht verstehen, du –« er wollte sagen, »du liebst nicht« – aber er verschluckte die Worte mit einem Blick nach der jungen Frau, die sich eben ziemlich geräuschvoll erhob, indem sie ihren Stuhl zurückstieß.

      Sie hatte während der ganzen letzten Erörterungen sehr erstaunt und entrüstet ausgesehen. Nun ging sie nach einer Art Ruhebank, die, mit seidenen Kissen belegt, dicht an der Wand stand. Dort ließ sie sich nieder und lehnte den Kopf an das Schnitzwerk der Wandfläche. Dabei löste sich einer der lockergesteckten Flechten am Hinterkopf und fiel ihr über die Brust – selbst das verschönte sie nicht. Einem blühenden Gesicht hätte man dies herrlich üppige Blond zugestanden: hier aber sah es aus wie geborgt, als gehöre es nicht zu der Frau ... So saß sie mit im Schoße gefalteten Händen, einen Zug schweigender Verachtung um den Mund, und die Augen halb geschlossen – der verkörperte Protest gegen die Mitgehörigkeit in den Kreis der Verhandelnden.

      Der Freiherr streifte sie mit einem halb belustigenden, halb ärgerlichen Seitenblick. »Ich bitte mir's aus, daß du den Kindern das Leben nicht schwer machst, Arnold!« rief er in seiner leichtlebigen, jovialen Weise. »Felix ist ein famoser Kerl – hat kein Froschblut in den Adern! Ich hätt's um kein Haar anders gemacht in meiner Brausezeit! Ein Schwachmatikus, der da fackelt und das Glück nicht beim Schopfe nimmt, wenn's ihn anlacht! ... Geh, schelle, mein Sohn – Adam soll Champagner bringen –«

      »Adam, Papa? Du hast ihn ja heute nachmittag fortgeschickt.«

      Der alte Herr fuhr mit weit geöffneten, erstaunten Augen herum, als höre er nicht recht – dann schlug er sich erinnernd vor die Stirne. »Verfluchte Geschichte! Ich kann den Kerl nicht entbehren!« polterte er erbost. »Ist er im Ernste fortgelaufen, der dumme Mensch?«

      »Ja, Vater – infolge deines ausdrücklichen Befehles,« sagte Baron Schilling. »Du hast ihm heute allzu schlimm mitgespielt.«

      »Bah – soll ich den Mosje mit Handschuhen anfassen, wenn er schlechte Streiche macht und seinen alten Herrn verrät?«

      »Ich habe Adam gesprochen,« sagte Felix mit warmer Fürbitte, »er war ganz außer sich vor Schmerz ... Ich begreife nicht, wie gerade er in einen solchen Verdacht kommen konnte – der Verrat ist zu gemein, und auch mein Onkel –«

      »Silentium! – Er ist ein Spitzbube, der Herr Onkel!« brauste der Freiherr mit seiner Löwenstimme auf, und eine dunkle Zornröte schlug beängstigend über sein Gesicht hin. »Er hat mich bestohlen, so gut, wie er dich um dein Erbe bringen hilft ... Wie und wo er mein Geheimnis an sich gerissen hat, wer kann's raten bei solch einem Rechtsverdreher, der's faustdick hinter den Ohren hat! Da tappt man zeitlebens im Finstern – aber erhorcht, erschlichen hat er's, damit basta!« – Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück. »Wenn der Herr Adam sich noch nicht herabgelassen hat, wieder heimzukommen, so soll Christian den Champagner bringen,« befahl er in ruhigerem Tone.

      Baron Schilling öffnete die Türe und rief den Befehl hinaus. Man hörte einen Augenblick Stimmengeräusch von der Flurhalle her; aber niemand im Zimmer achtete darauf – die Türe wurde zu rasch wieder geschlossen. Bald nachher trat der Bediente mit dem Gläserbrett in den Salon, und nun kam der Lärm verstärkt mit ihm herein – es lag etwas Aufregendes in den Lauten der Bestürzung und des Schreckens, die sich vereinzelt aus dem Gemurmel erhoben.

      »Zum Henker – es scheint, wir haben jetzt den Straßenskandal von vorhin bei uns im Hause!« rief der Freiherr aufhorchend. Er richtete sich, die Hände auf die Armlehnen stützend, gespannt empor und sah dem herantretenden Diener, dem das Gläserbrett bedenklich in den Händen klirrte, unter das Gesicht. »Kerl, wie siehst du denn aus?« rief er. »Du bist ja leichenblaß und schlotterst wie ein armer Sünder! Was ist los draußen?«

      »Es ist wegen Adam,« stotterte der junge Mensch.

      »Wegen Adam? ... Ist er wieder da, der Schlingel?«

      »Nein, gnädiger Herr, nur sein Hannchen; es hat sich an den Fritz, den Hausknecht, angeklammert und will nicht heim zur Großmutter –«

      »Da hat das Mädel auch nichts zu suchen – sie gehört zu ihrem Vater, und der ist im Schillingshofe zu Hause. – Warum meldet er sich nicht zurück? – Er soll auf der Stelle hereinkommen!«

      »Gnädiger Herr – sie haben den Adam vorhin aus dem Wasser gezogen – es ist aus und vorbei mit ihm!«

      Der Freiherr sank in den Stuhl zurück, als habe ihn ein Schlaganfall niedergeworfen.

      In diesem Augenblick stieß die Baronin einen Schrei des Entsetzens aus. Sie sprang auf, stürzte auf ihren Mann zu und flüchtet« in seine Arme. »Da, da!« stammelte sie und deutete nach der Wand, an der sie mit dem Rücken gelehnt hatte. »Dort tappt es, dort hat es laut geatmet, wie ein Mensch aus tiefster Brust – es hat mich eiskalt angehaucht! –«

      Bei diesen Schreckensrufen flüchtete Lucile mit einem Sprung zu Felix. Ihr liebliches Gesicht war schneebleich, und die Hände auf die Ohren drückend, um das entsetzliche Geräusch nicht auch zu hören, schielte sie mit erschreckten Kinderaugen furchtsam nach der spukhaften Wand. – Im Punkt des Fürchtens schienen das oberflächliche Weltkind und die Nonnenschülerin vollkommen zu harmonieren.

      »Du weißt, daß dein Gehör überreizt ist, Klementine,« beruhigte Baron Schilling – seine Stimme bebte vor innerer Bewegung infolge der eben gehörten, erschütternden Meldung des Dieners. »An dieser Seite hört man oft Geräusche – die Mäuse kommen vom Klostergute herüber –«

      »O nein, ich weih es besser! – es ist die arme Seele!« rief sie verstört – die hagere Gestalt zuckte in sich zusammen, wie von Krämpfen geschüttelt. »Der Selbstmörder ist für seine Todsünde auf immer in den Schillingshof gebannt! – Arnold, hier können

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