Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Aufatmen lauter fort. »Theaterleute und Abenteurer finden da stets eine gute Stätte. Der stolzen Baronin aber paßt das nicht – sie ist der sauberen spanischen Gesellschaft aus dem Wege gegangen.« –

      Er hielt inne. Seine Schwester stand da wie eine Statue; sie sah seitwärts unbeweglich nach den erblindeten Vorsaalfenstern, durch die ein paar dicke Brummfliegen und eine verirrte Wespe vergebens den Weg ins Freie suchten, und erst, als der Rat schwieg, heftete sie diesen starren Blick durchdringend auf sein Gesicht. »Was geht das uns an?« fragte sie trocken. »Haben wir uns je darum bekümmert, wen der Schillingshof beherbergt?«

      »Einst wohl, Therese – als der ›in Königs Rock‹ drüben nach dem schönen, betörten Wolframschen Goldfisch angelte ... Doch da ist längst Gras darüber gewachsen, ich habe die Schande ziemlich verwunden. – Jetzt aber bin ich aufs neue verpflichtet, mich darum zu kümmern, da Veit den Streich gemacht hat, sich einen Kameraden von dorther zu holen – das wäre mir ja eine schöne Bekanntschaft! ... Und du – du solltest doch nie vergessen, daß du dem Schillingschen Hause alle Schmach, die dir widerfahren ist, und deinen total verunglückten Lebenslauf verdankst ... Ich sollte meinen, schon die Luft, die dich von drüben her anhaucht, müsse dich beleidigen. – Ich für meinen Teil habe während der letzten acht Jahre – lediglich um deinetwillen – konsequent verhindert, daß auch nur eine Spur Erde an den Sohlen von dem verhaßten Grund und Boden in mein Haus getragen worden ist; und nun nimmst du diesen hereingeflogenen Unglücksvogel da auf, führst ihn direkt in deine Stube und tröstest und liebkosest ihn –«

      »Liebkosen?« lachte sie wild auf und strich hart und wiederholt mit der inneren Handfläche über die blauleinene Schürze, als wolle sie die einzige Spur der Berührung wegreiben, die das Kinderhändchen hinterlassen hatte. »Du solltest wissen, daß deine Anrufung der Vergangenheit eine ganz überflüssige war,« setzte sie schneidend hinzu. »Nenne mir einen Augenblick in meinem Leben, in dem ich je vergessen hätte, daß ich eine Wolfram bin, das Kind meines Vaters und die Urenkelin derer, die vor ihm da waren. Sie haben wohl auch geirrt, aber dann, nach der Erkenntnis, sind sie auf dem Wege geblieben, der ihnen als der rechte gegolten hat, und wenn er durch Höllenqualen gegangen wäre!« ...

      Sie drückte die weiße, kräftige Hand fest auf die Brust und ging mit hartgeschlossenem Mund an ihm vorüber, nach der Treppe. »Um mich kümmere dich nicht!« sagte sie noch einmal stehen bleibend. – »Ich werde mit meiner Aufgabe fertig! Aber du sei auf deiner Hut! Du bist nur noch der Schatten deiner selbst ... Hat eines heiß gewünscht, daß unser altes, braves, hoch angesehenes Geschlecht nicht erlöschen möchte, so bin ich's – ich dachte ja nicht, daß sich das Blut ändern könnte, ich habe es nie für möglich gehalten! ... Aber das weiß ich nun – soviel Söhne auf dem Klostergute geboren worden sind, nie ist ein solch heimtückischer, zerstörungswütiger Bube zur Welt gekommen, wie Veit ist – wir wären sonst nicht da, wo wir stehen, es wäre längst alles in alle vier Winde verflogen! ... Und diesen Burschen lässest du hausen, wie er Lust hat, er macht mit dir was er will – du zitterst wie Espenlaub vor jeder Zuckung, die dir der verlogene Junge vormacht! Und in seine Hand soll alles kommen, alles – Franz, ich glaube, du verschriebest deine Seele dem Bösen um dieses einen Kindes willen –« sie hielt inne, als erschrecke sie selbst vor dem leidenschaftlich gesteigerten Ausspruch, der ihren Bruder wie wütend emporfahren machte und ihm eine jähe Glut in das Gesicht trieb; allein sie widerrief oder beschönigte das Gesagte mit keinem Wort. – »Willst du, daß die Wolframs in Ehren weiter bestehen sollen,« fügte sie mit um so festerem Nachdruck hinzu, »so greife nach dem Zuchtmittel unserer braven Väter, nach dem Stock in der Ecke!«

      Damit winkte sie dem kleinen José und ging, von ihm gefolgt, die Treppe hinab.

      Es war gerade um die Sechsuhrstunde; auf dem Schanktische standen bereits die gefüllten Milchtöpfe, und die Leute kamen in den Hausflur geströmt.

      »Der Kleine gehört in den Schillingshof,« sagte die Majorin zu der wartenden Stallmagd. »Führe ihn hinüber und mache ihm die Gartentür auf – hinein gehst du nicht!«–

      Sie trat an den Schanktisch – kein Blick fiel mehr auf das schöne, vornehme, von den Leuten angestaunte Kind, das folgsam neben der Magd her ging. An der Flurtür wandte es noch einmal das dunkelrot erhitzte Gesichtchen zurück und rief treuherzig: »Schlaf wohl, gute Frau!«

      Auch dieser Abschiedsgruß wurde überhört; denn die Milch schoß bereits aus dem großen Steintopf in das Blechnößel, und dabei geschah das Unerhörte, daß sie in breiter Straße die Tischplatte überströmte – das auf dem Klostergute, wo jeder Tropfen mehr oder weniger sorgsam bemessen wurde! ...

      18.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Magd öffnete mit scheuer Hand das Gartentor des vornehmen Hauses und eilte spornstreichs nach dem Klostergut zurück, während José auf das Säulenhaus zulief ... Es war sehr still im Vorgarten – man hörte die eilenden Schritte des Kindes auf dem knirschenden Sand.

      Auf diese Laute hin kam plötzlich die dicke, schwarze Deborah um die südliche Ecke des Hauses – sie stieß einen Schrei aus und stürzte unter grotesken Sprüngen und Armbewegungen auf den Knaben zu. »O mein Jesus – bist du es denn wirklich, Kind?« stammelte sie, und aus den dickverschwollenen Augen schossen erleichternde Tränen. »Liebchen, Liebchen, was machst du für Sachen! Kommst, da von der fremden Straße her, von der fremden Straße, wo niemand unseren süßen Jungen kennt! – o Jesus! – Bist ja noch nie fortgewesen, böses, liebes Kind – noch nie! Konntest überfahren werden – und Jack und Deborah sind nun schuld – haben nicht aufgepaßt, oh! ... Seit Stunden rennt alles nach dir, und jetzt suchen sie unser Goldkind im Teich, im schwarzen, schlammigen Wasser bei den Fischen – hu! – Arme, arme, gute Tante – sie stirbt vor Angst!«

      Das alles stieß sie keuchend, in einem seltsamen Gemisch von Deutsch und Englisch hervor, während sie mit dem Knaben durch Allee und Garten nach dem Teich rannte.

      Dort unter den Linden waren alle Leute des Schillingshofes, auch der Herr des Hauses und Jack, in Tätigkeit. Wie ein Schwan hob sich die weiße Gestalt der schönen Amerikanerin aus dem Durcheinander der Hantierenden – sie lehnte regungslos an einem der Lindenstämme und hielt Josés Hütchen, das man am Teich gefunden hatte, mit beiden Händen fest gegen die Brust gedrückt. – Diese Frau, »die, den Sarraß am Gürtel und den Revolver in der Hand, in die Nähe des Feindes vorgedrungen, die den Transport eines schwerverwundeten Mannes durch weite, verwüstete Landstrecken energisch durchgeführt,« sie konnte allerdings nicht zu denen gehören, die ihrer Angst durch Schreien und Wehklagen Luft machen. –

      »Er ist da!« schrie Deborah hinüber.

      Wie eine hineinfallende Bombe jagte dieser Aufschrei die Versammelten auseinander. Beim Anblick des Kindes, das heil und unversehrt an Deborahs Hand quer über den nächsten Rasenplatz stolperte, klärten sich die Gesichter auf – man sah sich lächelnd an und begriff mit einemmal nicht mehr, wie man sich habe einbilden können, es müsse durchaus ertrunken sein.

      Donna Mercedes gab bei diesem jähen Wechsel von Todesangst und Freude nicht einen Laut von sich, und als sie das Haupt nach den Kommenden zurückwandte, da lag noch der Ausdruck des stieren Entsetzens, mit dem sie in die Wassertiefe geblickt hatte, wie versteinert auf dem farblosen Gesicht. Man sah, sie war im Hause durch alle staubigen Winkel und draußen zwischen unwegsamem Gebüsch und dornigen Hecken suchend geirrt. Der weiße Musselin schleifte zerfetzt und beschmutzt auf dem Boden nach, und das Dickicht hatte an dem Haarnetz gezerrt – ein Teil des wundervollen dicken »Zigeunerhaares«, wie Lucile es bis auf den heutigen Tag nannte, wogte im tiefbläulichen Glanze, noch halb von den Seidenschlingen gefangen, über die rechte Schulter.

      Mit

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